Musikfolgebögen, Urheberrechte und der Grüne Kakadu

Martina Pfeiffer

Bundesfreiwillige und ihr Wirken im Labsaal Lübars

Ganz nebenbei macht Thomas Weisenfeld, Bundesfreiwilliger im Labsaal Lübars, eine Bemerkung mit hoher Aussagekraft: „Ich würde Bundesfreiwilligendienst im Kulturbereich nicht ausschließlich am Kulturellen festmachen, es hat etwas mit Gemeinschaft zu tun.“ Thomas Weisenfeld und sein Kollege Armin Emrich engagieren sich über den BFD hinaus für den Labsaal – sie sind aktive Mitglieder des 1979 gegründeten Vereins „Natur und Kultur e.V.“, der hinter dem Labsaal Lübars steht. Neben der Kulturarbeit wirkt „Natur und Kultur“ mit an Planungen zur Renaturierung des „Tegeler Flieses“. Außerdem beschäftigt er sich mit dem Thema „Denkmalpflege“, denn der Labsaal steht auch selbst unter Denkmalschutz. Weisenfeld über diesen Ort kultureller Labung und Erquickung: „Wir sind ein Außenposten im Berliner ‚hohen Norden‘, um die Kultur hochzuhalten und außerdem für die Leute da, die selber Malen, Basteln, Theater, Sport machen wollen“. Im Rahmen des BFD ist er vor allem mit  organisatorischen Aufgaben rund um die Theatergruppe im Labsaal befasst. Emrichs Tätigkeitsbereich im BFD: Event-Management. Das heißt für ihn „Filigranarbeit und zeitintensiv“. Für beide ist kluge Netzwerkarbeit die Hauptsache. Eine scharfe Trennlinie zwischen Beruf und Freizeit ziehen sie nicht. Bei den Veranstaltungen – also nicht gerade zu den Bürozeiten – kümmern sie sich zudem um Bestuhlung, Bühnenaufbau, Einlass und Ansage. Der Saal bietet Platz für 230 Gäste:  „Was unser Action Level angeht, sind wir aufs Wochenende ausgerichtet“, formuliert es Emrich salopp.

Per Zufall sah Armin Emrich vor ca. 10 Jahren am S-Bahnhof Waidmannslust die Aufrufplakate für den BFD.  Damals fragte das engagierte Vereinsmitglied Im Namen des Labsaals beim Kulturring an: „Können wir uns als Einsatzstelle registrieren lassen?“ Die Antwort: ein klares Ja. Der spätere Einsatz als Bundesfreiwilliger im Labsaal ist Emrichs zweite BFD-Stelle, auch diesmal wieder über den Kulturring in Berlin e.V.  vermittelt und organisiert. Im Rahmen seiner BFD-Tätigkeit nimmt er den Kontakt zu Künstlern und Agenturen auf, macht Terminierung und Verträge, ist für die Betreuung zuständig  und sorgt fürs Catering. „Das geht vom Saal aufschließen und eine Kanne Kaffee bereitstellen bis zum Ausleihen eines Flügels für eine musikalische Lesung, wie im Fall des Liedermachers Klaus Hoffmann.“ Emrich reicht außerdem die Musikfolgebögen von Tanz- und Konzertveranstaltungen bei der GEMA ein, die Reihenfolge der Musikstücke nämlich, die gespielt oder gesungen werden. Bei meldepflichtigen Stücken fallen Gebühren an. Für Lesungen und Theatertexte checkt er die Urheberrechte. Alles mit genügend zeitlichem Vorlauf und mit Genauigkeit.  Andererseits ist in turbulenten Phasen Improvisationstalent gefragt. Emrich: „Das läuft in etwa so: Eine Band braucht zum Auftritt ein Kabel, das wir nicht haben. Man kennt jemanden, der jemand anderen kennt, der da helfen kann. Das muss dann alles sehr schnell gehen.“ Der studierte Lebensmittelchemiker mit einer Zusatzausbildung im Bereich Ratgeber-Journalismus  versteht sich als Dienstleister. Uns drei packt ein Heiterkeitsausbruch, als er erzählt, manche mit großen Namen waren mit einem Kamillentee zufrieden, weniger bekannte Künstler wiederum rechneten auch schon einmal mit einem Gala-Buffet.

Die Amateurtheatergruppe des Labsaals – Thomas Weisenfeld spielt selbst mit –  zählt derzeit 16 Mitglieder. Für den ehemaligen Verwaltungsbeamten war ein performanceorientierter VHS-Kurs für Schauspiel- und Bewegungsfreudige, den er sich als Bildungstag im Rahmen des BFD anrechnen ließ, eine lohnende Erfahrung. Und die konnte er für den Fortschritt bei seinen darstellerischen Fähigkeiten nutzbar machen. Als „Liebhabertheater“ wurde Amateurtheater früher auch bezeichnet. Oftmals heißt es unter Theaterkennern, Laien könnten freier agieren, weil sie nicht  monate- oder gar jahrelang in Folge auf dieselbe Rolle gebucht seien. Dreimal haben die LaiendarstellerInnen im Labsaal Arthur Schnitzlers   Theatergroteske „Der Grüne Kakadu“ vergangenen November gespielt: „Bei der Premiere, da waren wir alle ein Stück weit aufgeregt. In der zweiten Aufführung haben wir uns aufgelockert und freigespielt. Das dritte Mal dachten wir, zweimal ist es gutgegangen, dann geht es auch ein drittes Mal gut. Rückblickend war es am zweiten Abend nach unserem Empfinden am besten gelaufen“ (T. W.)

Wer sind die BesucherInnen des Labsaals? Klar, viele Ortsansässige, die dankbar sind, Kultur vor der Haustür zu haben. Aber auch Fanblocks aus der Berliner Innenstadt und anderen Ortsteilen: Woanders waren die Karten für „ihren“ Star ausverkauft, hier kommen sie noch rein und erleben ihn live. Andere wollten einfach nur einen Ausflug ins Grüne machen, nehmen das Programm mit und sind erstaunt, was ein Außenbezirk alles bietet. Die Ausflügler kommen wieder. Diesmal allerdings, um das Kulturangebot wahrzunehmen. Vielleicht gemeinsam mit dem Schauspieler nach der Aufführung noch ein Bierchen von der Zapfanlage zischen – das hat was.  Das sind dann die Gelegenheiten, wenn die Leute sagen können:  „Der Labsaal, das ist mein Labsal!“. Die imposante Räumlichkeit mit der reichverzierten Stuckdecke, ursprünglich als Ballsaal konzipiert, war im Wechsel der Zeiten Kalidüngerlager, Kino, Kegelbahn. 1987, nach Umbau und Restaurierung durch den Kultur und Natur e. V. , wurde diese Adresse zu dem, was  sie heute ist.  Die vielen helfenden Hände, darunter maßgeblich die Vereinsmitglieder und die Bundesfreiwilligen, füllen den Labsaal Lübars seither mit Leben und machen ihn zu einem unverzichtbaren Teil der dezentralen Kultur im Bezirk.

In Sachen Bundesfreiwilligendienst ist der Kulturring in Berlin e. V. seit 2013 ein zuverlässiger  Partner für den Labsaal Lübars. Seither hat der Kulturring sieben Freiwillige dorthin vermittelt. Er fungiert als Ansprechpartner für alle Fragen und Anregungen rund um den Bundesfreiwilligendienst und die Einsatzstelle. Mit dem ideellen Ziel, Arbeit und Bildung zu verbinden, plant und organisiert der Kulturring im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes zudem Bildungstage, die auf große Resonanz treffen. Die TeilnehmerInnen schwärmen vom Kenntniszuwachs im Verbund mit einem inspirierenden Gemeinschaftserlebnis.