Hauswald im Ausland

Felix Hawran

Einige Leser*innen werden die Ausstellung „Querbeet – zum Sechzigsten“ vor genau fünf Jahren in der Fotogalerie noch in lebendiger Erinnerung haben. Damals zeigte der Kulturring unter großem Andrang in der Fotogalerie eine große Rückschau von Harald Hauswalds DDR-Bildern. Nun ist der „Rockstar unter den Fotografen seiner Generation“ (Zitat Wolfram Arton) 65 geworden, und wir nahmen das gemeinsam zum Anlass, zum ersten Mal überhaupt einen Querschnitt aus 40 Jahren Auslandsfotografie aus den Archiven zusammenzustellen. Ein Großteil der Bilder wurde extra für diese Ausstellung erstmals digitalisiert und erblickt nun das Licht der Welt.

Die Ausstellung wurde produziert in den Werkstätten von photography unlimited in Schöneweide, deren Initiator Alexander Schippel maßgeblichen Anteil an der Produktion und Kuration hatte. Vor etwa 300 Besucher*innen eröffnete Wolfram Arton die Ausstellung und gab einen Einblick in Harald Hauswalds bewegtes Leben. Arton war Anfang der 1980er Jahre Mitgründer des Galerieclubs im Kreiskulturhaus Treptow, einer der ersten Orte überhaupt in der DDR, an dem man regelmäßig Fotografieausstellungen sehen konnte. Heute betreibt er direkt am Werbellinsee in der Schorfheide das Künstlerhaus Arton und parallel eine Konzertagentur. Im folgenden einige Auszüge aus seiner Laudatio:

„Wer durch diese Ausstellung geht, wird eine Zusammenstellung von Bildern finden, die von hohem fotografischen Können, stilsicherer Kontinuität und nicht zuletzt: von seiner ungestillten Neugier und Liebe zu Menschen zeugen.“...

Hauswald „wurde 1954 in Radebeul geboren, ist also ein sogenanntes ‚Nachkriegskind‘, das den zweiten Weltkrieg nur noch als ‚Echo‘ im Verhalten seiner Eltern, Verwandten, Lehrer und anderen Autoritätspersonen erlebt hat. Er wurde in die Ruinen hineingeboren, sie waren etwas Normales für ihn, ebenso die kleinstädtische Spießigkeit, in der er aufwuchs. Als Jugendlicher rebellierte er gegen den realsozialistischen Beton und Muff und sah, wie die Kultur- und Bausubstanz der Städte immer weiter verfiel, – und dass die in den Staatsmedien verbreiteten Fake-News immer weniger mit dem Alltag der Menschen in der DDR zu tun hatten. Er lebte, wie seine gesamte Generation, in dem täglichen Bewusstsein, dass er nie im Leben ein Konzert von Led Zeppelin live erleben wird und niemals Paris, Barcelona oder gar die ägyptischen Pyramiden sieht. Harald Hauswald wollte und musste dieser Wirklichkeit etwas entgegen setzten – und wurde dabei auf Schritt und Tritt von der Stasi überwacht.“

Er „erzählte mir, dass ihm damals der Galerist Stefan Orendt riet: ‚Nimm das Teleobjektiv ab und pack das Weitwinkel drauf‘, dass der Fotograf Arno Fischer damals aus Haralds Fotos einen Stapel von 15 Stück auswählte, von denen er begeistert war. Den Rest, der ihm vorgelegt wurde, bezeichnete er als ‚O.K.‘ und ‚Schrott‘ und gab ihm so eine wichtige, fast nonverbale Lehrstunde. Die Worte von Robert Capa: ‚Wenn ein Foto nicht gut genug ist, warst Du nicht nah genug dran‘, sind für ihn bis heute ein künstlerisches Credo, das er gern jungen Fotografen in Seminaren und Workshops weitergibt.“

„Nur wenige Bilder in dieser Ausstellung sind aus der DDR-Zeit, was daran liegt, dass Harald nach 1981 auch für das sozialistische Ausland kein Visum mehr erhielt. Erst im Juli 1989, kurz vor dem Fall der Mauer, durfte er die DDR für 10 Tage verlassen, und zwar unter dem Vorwand, seine Eltern in Westdeutschland zu besuchen. Er holte sich in Berlin-Neukölln sofort einen bundesdeutschen Reisepass und flog zu einem Freund in die Türkei.Nach 8 Jahren wieder im Ausland als weltfremder DDR-Bürger ohne Englisch-Kenntnisse näherte er sich mit seiner Kamera und natürlichen Offenheit den Menschen. Er führte Kneipengespräche, in denen Keiner den Anderen verstand, sich jedoch mit Augen, Händen, Füßen, Bleistift und Zettel ganze Lebensgeschichten erzählt wurden. Das führte nicht selten dazu, dass ihn sein Gegenüber zu sich nach Hause einlud und er die ganze Familie kennenlernen musste. Zurück in Berlin mit 50 entwickelten Filmen in der Tasche, war seine DDR-Sozialisation schlagartig weg. Er wusste plötzlich: ‚Ich kann meine Fotos überall machen, weil mich die Menschen interessieren. Ich brauche die DDR nicht.‘ Und wenig später brauchte niemand mehr die DDR, und Harald konnte, ja musste sogar viel reisen, weil seine DDR-Fotos plötzlich international gefragt waren.“

„Wenn man durch diese Ausstellung geht, findet man merkwürdige Zusammenhänge zu früheren Fotos aus Ostberlin: Zum Beispiel korrespondieren Fotos von Menschen vor Transparenten mit sozialistischen Parolen hier in der Ausstellung mit Straßenfotos von heute, wo Passanten vor großformatigen Werbetafeln und Kinder vor riesigen Monsterbildern stehen.“ ... „Harald lebt unter den Menschen wie ein Fisch im Wasser. Er ist neugierig und kann warten auf das was ihm die Menschen, denen er begegnet erzählen wollen, ja manchmal erzählen müssen. Er hat einen direkten und ungekünstelten Zugang zu ihnen, wie schon damals im Johannisstift. Er nimmt sie, wie sie sind, und das spüren sie: Ob es der Hirte mit seinem Hund ist, aufgenommen 1992 in Siebenbürgen, der seinen majestätischen Anblick genießt und nach dem Foto Harald nach einer Zigarette fragt, ob es der Teppichträger von 1989 in Istanbul ist oder der Holzfäller in Rumänien von 2004, der in der Bahnhofskneipe auf die letzte Waldeisenbahn wartet.“
Der Abend wurde musikalisch begleitet von Robert Beckmann an der Violine, ehem. Frontmann der Inchtabokatables, unterstützt von Tomoko Fujimura an der Gitarre, die gemeinsam in der Band „Grüß August“ spielen. Als Geburtstagsgeschenk der Auferstehungsgemeinde spielte auch das Flamenco-Duo Inna Schiller (Piano) und Rafael Prada Moreno (Gesang). Und auch Liedermacher Karl-Heinz Bomberg spielte zu später Stunde zwei ganz intime und persönliche Ständchen. Zum Abschluss der Ausstellung feiern wir am Freitag, dem 28. Juni eine Finissage gemeinsam mit dem Fotografen.

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