„Soviel Du brauchst“,

Ingo Knechtel

klingt das nicht etwas wie Schlaraffenland? Jeder soll aus dem Vollem schöpfen können? Oder erinnert es uns an den Marx’schen Gedanken, „jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“? Wer legt fest, wie viel ich brauche? Ich selbst oder die Gesellschaft, oder eine Arbeitsgruppe im von-der-Leyen-Ministerium? Meine Eltern haben mir mal mit auf den Weg gegeben: Bevor Du über andere redest, kehr‘ vor der eigenen Tür, fang‘ mit Dir selbst an! Anregung zum Nachdenken gibt uns auch das berühmte Kennedy-Zitat: „Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“ Der Grundgedanke für den Sinn des Daseins ist doch, dass jeder die Möglichkeit haben muss, sich mit seinen Fähigkeiten einzubringen. Nur durch diese Teilhabe entsteht Veränderung, nur durch sie wird die Zufriedenheit zu einem Motivator. „Soviel Du brauchst“, ist nicht nur das aktuelle Motto des diesjährigen evangelischen Kirchentags, die Worte stehen in der Bibel, im Buch Moses. Sie fordern uns nicht einfach zum Nehmen auf, sie erinnern uns gleichsam an Bescheidenheit, an die Bereitschaft zu teilen, an das richtige Maß. Sie mahnen aber auch, mit den Ressourcen dieser Erde sorgsam umzugehen, nur soviel davon zu nehmen, wie jede(r) braucht. Wir alle sind dafür verantwortlich. Der Chemiker Justus Liebig hat einmal gesagt, die Kultur eines Volkes richtet sich nach dem Verbrauch von Seife und sah in der Seife einen Maßstab für den Wohlstand. Sind Überproduktion und Wachstum, sind immer mehr Konsum der kapitalistische Segen, an dem die Welt genesen soll, fragen wir heute? Ist das die Kultur der kommenden Jahrhunderte? Wenn Hans Marchwitza recht hatte, als er sagte, Kultur sei jeder zweite Herzschlag unseres Lebens, dann kann man – auf die Kultur bezogen – der Menschheit nur wünschen: Soviel Du brauchst – und lieber noch mehr!

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