Raum für Freiraum –

Ingo Knechtel

das steht an einem Hausgiebel in der Viktoriastadt in Lichtenberg, gut zu lesen, wenn man mit der S-Bahn am Nöldnerplatz vorbei Richtung Ostkreuz fährt. Freiraum benötigt nicht zuletzt die Kunst, denn ohne ihn kann sie nicht wirklich frei sein. Und dieser Raum für freie Kunst soll bitte schön, wenn möglich, kein zugewiesener, sondern schon auch die freie Wahl des Kunstschaffenden sein. Überall nehmen Kreative von nicht mehr genutzten Bauten Besitz, sie lassen sich inspirieren und gestalten auf diese Weise Brachen in Orte der Kultur um. Beispiele lassen sich viele dafür finden. Die Ankündigung einer sehenswerten Ausstellung des aus der DDR bekannten und leider viel zu früh verstorbenen Fotografen Roger Melis führte mich vor kurzem nach Oberschöneweide in die Reinbeckhallen. Das frühere Transformatorenwerk an der Spree mit seinen Hallen war sicher kein Magnet für Besucher, es bot Arbeit für mehrere Tausend Menschen. In den Neunzigerjahren wurde das Areal dafür nicht mehr gebraucht. Heute ist es Spiegelbild Berliner Industriegeschichte, aber auch Tummelplatz für Kreative, die sich sehr gut mit Handwerkern und Kleingewerbe vertragen. Ateliers sind entstanden, Ausstellungen werden gezeigt. Der ganze Kietz gewinnt durch die Neuansiedlungen. Gleich nebenan sind der Industriesalon Schöneweide, ein Forum für Industrie-Technik-Kultur und die Rathenau-Hallen, auch hier ist Vieles geplant. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Investoren ein gutes Händchen haben und den Kreativen und all den anderen Interessenten genügend Freiräume lassen. Der Kulturring hat sich beispielsweise vor einigen Jahren mit einem Projekt zur Industriegeschichte in Spandau beschäftigt. Es entstand eine Sammlung von Flyern, die einen guten Überblick gaben. In Lichtenberg verfolgen wir die Orte für Kreative während der Langen Nacht der Bilder und staunen. Das HB 55 in der Herzbergstraße, 1909 als Margarinewerk gegründet, ist heute ein angesagter Standort für Kunst. Natürlich reizt die kreative Szene auch immer wieder ungewöhnliche Orte, wie der Abhörturm auf dem Teufelsberg. Graffiti gibt es dort vom Feinsten. Am 25./26. Mai bringen über 50 Künstler mit einer Installation, einem NoiseLab, den Berg zum Klingen. Wenn Ihnen jetzt die Ohren von all dem klingen, finden Sie sicher auch ruhige Orte in Berlin und im Umland, an denen Kunst erlebbar wird. Nehmen Sie sich die Zeit, Kunstschaffende machen die Kunst für uns alle, um unserem Geist Freiraum zu verschaffen.

Archiv