Die Lange Nacht der Bilder – 2013

Dr. Reinhardt Gutsche

Dieses Phänomen ist in allen Kunstmetropolen der Welt zu beobachten: Die spekulationsbedingten Mietpreissteigerungen verdrängen angestammte Künstler-Viertel aus den Zentren und zwingen die Kunst-Szene, in Gegenden abzuwandern, die noch halbwegs erschwingliche Bedingungen zu bieten vermögen. So nun auch in Berlin: Die rasch zu Weltruhm gelangten Nachwende-Szeneviertel Mitte und Prenzlauer Berg, einstige Hochburgen der sprichwörtlichen Berliner Alternativen Kunstlandschaft, drohen nun in dem Maße langsam wieder auszutrocknen, wie die Ateliers und Szenegalerien von der hochpreisigen Schicki-Micki-Kultur allmählich verdrängt werden. Doch wohin? Zu den Ausweich-Bezirken gehören seit einigen Jahren auch Lichtenberg und Friedrichshain, sowie – wieder, muss man sagen – Kreuzberg. Die unzähligen Industriebrachen und aufgegebenen Ladenlokale sind vergleichsweise preiswerte Alternativen vor allem für junge, noch nicht „am Markt“ etablierte Künstler.

Was liegt näher, als in dieser Entwicklung auch eine Bereicherung der Lebenswelten der Ortsansässigen zu erblicken und sie für eine Bereicherung der Kietz-Kultur zu nutzen? Diesem Bestreben entsprang dann die Idee des Kulturrings, eine „Lange Nacht der Bilder“ ins Leben zu rufen. Ohne Zweifel inspiriert von solch erfolgreichen berlinweiten Events wie den „Langen Nächten“ der Museen oder der Wissenschaften, versprachen sich die Initiatoren ein großes Interesse an dem „Format“ auch in der dezentralen Kietz-Kultur. Der Erfolg der bisherigen Veranstaltungen gab ihnen Recht: Letztes Jahr beteiligten sich mehr als 110 Galerien, Ateliers und Kunstwerkstätten an der „Langen Nacht“. Mehr als 1185 Künstler präsentierten fast 5000 Kunstwerke oder gewährten den 14 000 Besuchern einen Blick über die Schulter. Ein abwechslungsreiches Begleitprogramm, wie Konzerte und Sommerfeste, ergänzten das Bildermarathon der acht Busshuttle-Touren.

Die diesjährige Ausgabe der „Langen Nacht der Bilder“ in Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg steht unter dem Motto „Lebenswelten“: Das Motto verweist auf die unstrittige Tatsache, dass eine lebendige und vielfarbige Kietz-Kunst-Szene die Lebenswelten der dort wohnenden Menschen bereichern und dazu beitragen kann, ein multikulturell geprägtes und von wechselseitiger Achtung und Respekt getragenes Zusammenleben der Bewohner zu befördern. Dem Regierenden Bürgermeister und den beiden Bezirksbürgermeistern wird daher wieder die Schirmherrschaft angetragen werden. In diesem Jahr ist geplant, das Programm mit Workshops, thematischen Mal-, Zeichen- und Fotowettbewerben, einer karitativen Kunstauktion, einem Kunstbasar sowie einem Begleitprogramm anzureichern, zu dem auch Filmvorführungen, Buchlesungen, Kirchenkonzerte, Theateraufführungen und ein spezielles Kinderprogramm gehören sollen. Die dezentrale Vielfalt der Kietzkultur und eine lebendige Alternativszene zu den Leuchttürmen der Hochkultur gehören zu den kulturellen Besonderheiten Berlins und machen einen nicht unwichtigen Teil der wachsenden touristischen Attraktivität der Stadt aus. Solche Aktionen wie „Die Lange Nacht der Bilder“ in Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg verstehen sich als treibende Kraft dieses Phänomens: Auch das ist Berlin.

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