Ein Hauch von fernöstlicher Ikonographie durchwehte die Galerie des Studios Bildende Kunst in der John-Sieg-Straße in Lichtenberg zur Vernissage am 7. Juni. Bis zum 19. Juli präsentiert dort die 1984 geborene südkoreanische Künstlerin Kyoung Eun Gu Zeichnungen, Druckgrafiken, Monotypien, kleine Installationen und Objekte. Zu sehen sind u.a. phantastische Traumgebilde, die in ihrer anarchisch anmutenden frei assoziierenden Komposition an den Surrealismus erinnern. Mit zarten, fast filigranen Federzeichnungen, Tusch- und Aquarellarbeiten sowie Monotypien und Collagen entführt die junge Künstlerin den Betrachter in die Welt ihrer Träume, Träume, die sich zumeist an der Grenze zu Albträumen bewegen, ohne allerdings exzessive Ohnmacht- oder gar Angstgefühle zu erzeugen. Der Reiz liegt gerade in einer gewissen Ambivalenz der Gefühlskontraste, einer Unbestimmbarkeit der assoziierten Befindlichkeiten.
So lässt eines der monochromen Phantasiegebilde an Kafkas „Verwandlung“ denken, aber mit einem kleinen Augenzwinkern. Es sind phantastische Gegenwelten zu einer wohlgeordneten, rationalen, bisweilen Angst machenden realen Welt. Die Träume sind hier allerdings nicht als Sehnsuchtsorte, sondern eher als chaotisch anmutende Projektionen einer oszillierenden Innenwelt voller Gefühlsamplituden zu verstehen. Die Bilder sind oft wie regelrechte Erzählungen, aber ohne erkennbares räumlich-zeitliches Koordinatensystem und ohne eine evidente logische Bildstruktur, wie das Träume eben so an sich haben. (Hier denkt man unwillkürlich an den „stream of consciousness“ in den Romanen von James Joyce.) Sie entziehen sich natürlich jeder monolinearen Deutung, sind eher phantasiebeladene Reflexe innerer Seelenkonflikte einer sensiblen, aber lebensfrohen jungen Frau, die sich damit auf ironisch-verfremdende Weise abwehrend ihren Ängsten stellt, sie auf diese Weise souverän-spielerisch bewältigend.Krankheit und Schmerz sind ein thematisches Grundmotiv der Arbeiten von Kyoung Eun Gu, geboren wohl aus schon eigener Erfahrung mit Krankheit und Leiden und inspiriert von Beobachtungen im Krankenhaus. Aber es ist kein resignativer oder gar mitleidheischender Umgang mit dem Schmerz, sondern ein durchaus humorvoller. „Humor und Schmerz“ lautet daher der Titel einer Reihe von Aquarellen und Farbstiftzeichnungen. Sie künden, bei aller Leidenserfahrung, mit ihrem Wechselspiel und dem Ausbalancieren von Weinen und Lachen von einer eher bejahenden Lebenshaltung der Künstlerin und sind wohl auch geeignet, dem Betrachter mit vergleichbarer Schmerzerfahrung und Seelenstimmung Zuversicht zu spenden.
Eine junge Künstlerin aus Süd-Korea, die hier in Deutschland ihr Handwerk erlernt, wird natürlich ohne Umschweife mit der Frage konfrontiert, wie es ihr gelingt, mit ihren Arbeiten die tradierten Einflüsse beider Kulturkreise miteinander zu verknüpfen. Auf den ersten Blick dominiert in der Ausstellungen ein fernöstlicher Farbton, oder zumindest, was sich der durchschnittlich kunstbewanderte Betrachter darunter vorstellen mag: filigrane Linienführung der Tusch- und Federzeichnungen und Kirschblüten-Stimmung in den pastell-zarten Aquarellen. Es stellt sich dann heraus, dass diese Arbeiten in der Tat in der Heimat der Künstlerin entstanden. Bei den in Deutschland entstandenen Werken dominiert hingegen auffallend das grafische Schwarz-Weiß. Diese interkulturelle Konfrontation gibt der Ausstellung einen besonderen Reiz.
Die Bild gewordenen Traumerzählungen von Kyoung Eun Gu sind ihre erste Personalausstellung überhaupt, seitdem sie 2005 zum Studium nach Deutschland kam. Nach Zwischenstationen in Köln, Frankfurt am Main und Mainz, wo sie u.a. Malerei bei Prof. Friedemann Hahn studierte, kehrte sie 2009 zurück an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Dort ist sie zur Zeit Meisterschülerin von Prof. Schimansky. Ihr Mentor war bei der Vernissage persönlich anwesend und bescheinigte seiner Schülerin, seinem Rat sehr kreativ gefolgt zu sein, sich der europäischen Kunsttradition zu öffnen und sie in ihr Schaffen einzubeziehen.