Großer Andrang im Rathaus Lichtenberg

Sonja Klöden

Scharenweise strömten die Besucher zur zweiten Führung in der Reihe „Stadttour“ am 25. Februar 2012 ins Rathaus Lichtenberg. Der am 11. November 1898 eingeweihte neogotische Klinkerverblendbau fand reges Interesse bei den Zuhörern. Zehn Jahre vor der Stadtwerdung Lichtenbergs wurde es errichtet – eine Besonderheit des Lichtenberger Rathauses im Vergleich zu anderen in jener Zeit erbauten Berliner Vorort-Rathäusern. Lichtenberg war 1898 mit 38 418 Einwohnern das größte Dorf um Berlin, der Rathausbau nahm die weitere selbstbewusste städtische Entwicklung des Ortes vorweg und war gewissermaßen Signal und Aufforderung, der Gemeinde endlich das Stadtrecht zu gewähren. Einzigartig ist das Haus auch in Grundriss und Architektur. Perfekt eingepasst in die Winkellage der Straßen, ähnelt dieses bedeutende Bauwerk der Backsteingotik einem Tortenstück mit abgeschnittener Spitze. Ein „herrlicher Monumentalbau, um den manche alte Stadt das aufstrebende Dorf Lichtenberg beneiden dürfte“, wie es Emil Unger, 1908 - 1915 zweiter Bürgermeister von Lichtenberg, kennzeichnete. Umso unverständlicher war den Besuchern der Führung, dass der Architekt des Rathauses nach derzeitiger Erkenntnis unbekannt sein soll. Leidenschaftlich forderten sie dazu auf, man solle doch noch mal weiter forschen, der Schöpfer dieses imposanten Gebäudes könne ja wohl nicht ein einfacher Beamter gewesen sein!

Die reichhaltige architektonische Ausstattung im Inneren des Rathauses wurde von den Besuchern bestaunt. Im Hochzeitszimmer schließlich kam bei manchem die Erinnerung an die eigene Eheschließung in diesem Raum…

An vielen Stellen im Haus findet sich das Lichtenberger Wappen als Schmuckelement, so in dem 1985 von Sabine Zacke gestalteten Glasfenster im Haupttreppenhaus. Erst 1914 erhielt Lichtenberg sein eigenes Stadtwappen. Erste Überlegungen dazu gab es bereits 1901, aber ein Dorf war nach Meinung des Heroldsamtes nicht wappenfähig. Nach der Stadtwerdung 1908 ging man das Wappenproblem erneut an, verschiedene Vorschläge für die Gestaltung des Wappens wurden diskutiert, profilierte Heraldiker wurden beauftragt, Entwürfe zu fertigen. Da hatte 1908 der Stadtverordnete Grauer die Idee, doch auch den Namen „Lichtenberg“ zu berücksichtigen, damit das neue Stadtwappen von der „Helligkeit der Lichtenberger“ künde. Weitere Debatten schlossen sich an, bis dann im Juni 1913 der Vorschlag des dreifeldrigen Wappens mit der Darstellung der Symbole von Landwirtschaft (Garbe) und Industrie (Kammrad) im oberen Bereich und im unteren Feld ein Berg, mit drei Bäumen und der aufgehenden roten Sonne die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung fand. Von einem „lustigen Zwischenspiel“ dabei berichtete das Lichtenberger Tageblatt vom 07. Januar 1938: „Nach dem Verhandlungsbericht erklärte Stadtverordneter Plathen: ‚In der Zeichnung ist die Perspektive wohl nicht ganz richtig getroffen, denn die im unteren Felde stehenden drei Bäume sind viel höher als der daneben gezeichnete Berg.’ Darauf erwiderte der Stadtverordnete Plonz: ‚Das trifft durchaus auf die Lichtenberger Berge zu!’ was schallende Heiterkeit erregte.“ - Nicht nur bei den Stadtverordneten 1913 sondern auch bei den Besuchern der Führung im Rathaus Lichtenberg fast hundert Jahre später.Die vollständigen „Lichtenberger Wappen-Geschichten“ bis zum heutigen Bezirkswappen werden am 16. April 2012, um 15.30 Uhr, im Studio Bildende Kunst von Prof. Jürgen Hofmann zu erfahren sein. In der Reihe „Geschichte(n) im Studio“ wird Prof. Hofmann in einer Bildpräsentation verschiedene Entwürfe des Lichtenberger Wappens und ihre Urheber vorstellen. Eingebettet in die jeweilige Zeit ist manch Interessantes über die Wappen der Vorgängerbezirke und Ortsteile des heutigen Lichtenberg zu erfahren.

Lichtenberger Orts- und Heimatgeschichte stößt bei den Besuchern der verschiedenen Veranstaltungen, die u.a. durch den Kulturring in Berlin e.V. angeboten werden, auf reges Interesse. Wie von Gästen zum Ausdruck gebracht wurde, ist es erstaunlich, dass man immer wieder unbekannte Details aus dem Umfeld im eigenen Kiez entdecken kann obwohl man bereits über viele Jahre hier lebt. Das Betrachten alter Fotos, Geschichten über noch vorhandene oder auch verschwundene historische Gebäude, verschafft so manchen Aha-Effekt. Man bekommt Lust auf mehr, so, dass viele Besucher der Veranstaltungen bereits zu Stammgästen wurden.

Diesem Bedürfnis soll auch bei weiteren Führungen der Reihe „Stadttour“ jeweils einmal im Monat entsprochen werden. Nachdem am Samstag, dem 24. März 2012, auf einem Spaziergang mit Rotraut Simons durch den auch Parkaue genannten Lichtenberger Stadtpark unter dem Thema „Kunstwerke im Stadtpark Lichtenberg“ bekannte und weniger bekannte Kunstwerke entdeckt werden konnten, geht es im April und Mai weiter mit Spaziergängen u.a. durch den Park des Evangelischen Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge. Am 21. April 2012 führen Pfarrer Winfried Böttler, Theologe in der Krankenhaus-Betriebsleitung im Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) und Joachim Schütz, Vorsitzender vom Förderverein Museum Kesselhaus, durch den Krankenhauspark und präsentieren mehr als 20 Gartenkunstwerke, das Museum Kesselhaus und die Kapelle des KEH. Als musikalischer Abschluss wird ein Stück auf der historischen Turley-Orgel (1826) präsentiert.

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