Medienpoint wieder da – wer waren die rettenden Engel?

Hartmut Gering

Ein kleines Sprichwort lautet: „Tot Geglaubte leben länger“. Dieser Slogan dürfte zumindest auf den Medienpoint des Kulturrings in der Steglitzer Deitmerstraße 8 zutreffen. Gelegen etwas abseits des Einkaufstrubels der Schlossstraße, entwickelte sich der für den Außenstehenden eher unauffällige kleine Laden seit seiner Eröffnung im Sommer 2008 zu einem gefragten und beliebten Treffpunkt für Menschen unterschiedlichster Herkunft.

So konnte hier Jedermann/-frau nicht nur Medien aller Art ausleihen oder kostenfrei erwerben, sondern auch über seine Sorgen und Probleme quatschen und – gerade für finanziell weniger Betuchte wichtig – zur regelmäßig stattfindenden musikalisch umrahmten „Literaturwerkstatt im Souterrain“ Kultur pur genießen.

Große Bestürzung und Wut dann, als Anfang 2011 der etwa „gleichaltrige“ Medienpoint in der Lichterfelder Lorenzstraße geschlossen wurden und der Einrichtung in der Deitmerstraße das gleiche Schicksal drohte. Denn das war keine „höhere“ Gewalt, sondern ein vorsätzlicher Gewaltakt der Politik – ein Angriff auf die von vielen Menschen geschaffenen kulturellen Angebote und Werte hier im Berliner Südwesten.

Aber da gab es acht total engagierte Leute aus beiden Einrichtungen, die nicht länger tatenlos zusehen wollten, wie ihre so erfolgreiche und anerkannte Arbeit platt gemacht wird, die sich sagten: „Nun erst recht! Wir machen weiter, hier im Herzen von Steglitz, und zwar ehrenamtlich.“ Am 1. Februar – nach nicht einmal einer Woche des hektischen Umräumens, in der keine Zeit zum Luftholen blieb – war es dann soweit: Der Steglitzer Medienpoint erwachte zu neuem Leben.

Wer hat ihm zu diesem Leben verholfen? Da wäre zunächst die Frau, die als enthusiastische Projektleiterin und Koordinatorin für den Projektbereich Süd alle Fäden zusammen hält: Aninka Ebert. Studierte Kommunikationswissenschaftlerin und 46 Jahre jung, betrieb sie schon viele Jahre Öffentlichkeitsarbeit, zunächst im „Haus am Kleistpark“, nach seiner Eröffnung dann im Medienpoint Crellestraße, bis zum heutigen Tag. Auf die Frage zu ihrem ehrenamtlichen Wirken in Steglitz sagt sie nur: „Ich muss das tolle Engagement der Akteure hier vor Ort einfach unterstützen“.

Für die erst 40jährige Regina Sommerfeld liegt der jetzige Arbeitsplatz quasi vor der Haustür, denn die „waschechte“ Berlinerin lebt in Steglitz, seit sie das Licht der Welt erblickte. Gleich nach ihrem Studium der Informationswissenschaft arbeitete sie für eine Hamburger Musikfirma. Auf eine freiberufliche Tätigkeit im Musikjournalismus folgte später die Mitarbeit in der Redaktion des „Südwestkompass“, einer monatlich erscheinenden Zeitschrift für MigrantInnen. Über ihren jetzigen Ladendienst in der Deitmerstraße spricht sie voller Begeisterung: „Das ist für mich kein Job, sondern Teil meines Lebens. Der Medienpoint ist mir so ans Herz gewachsen, dass ich mir vorstellen könnte, hier einmal meinen eigenen Arbeitsplatz zu schaffen.“

Die 42jährige Berlinerin Petra Richter, jetzt wohnhaft in Lankwitz, engagierte sich lange Zeit bei der Arbeiterwohlfahrt, wo sie gespendete Kleidung sortierte und an Bedürftige verteilte. Aber das reichte ihr nicht, und so arbeitete sie – nach einem dreiwöchigen Kurs – als Pförtnerin in einer Rezeption. Im Kulturring war Petra von der ersten Stunde bis zum bitteren Ende in der Lorenzstraße aktiv. „In dieser Zeit habe ich meine Liebe zu den Büchern entdeckt, und der Kontakt mit anderen Menschen macht mir Spaß und vertreibt die Langeweile, meint sie. Gern würde Petra in der Deitmerstraße bleiben, aber „sollte eines Tages ein richtig guter Job kommen, will ich mich da einmal ausprobieren“.

Der gebürtige Göttinger Hans Estermann, gerade 54, schnuppert seit 1985 Berliner Luft. Sieben Jahre hat er dann als Maschineneinrichter körperliche Schwerstarbeit geleistet, „bis zum Umfallen“. So zwangen ihn gesundheitliche Probleme, beruflich kürzer zu treten. Die jetzige Tätigkeit in Steglitz findet Hans „phantastisch“. „Das lässt sich wunderbar mit meinen Hobbys verbinden – ich bin eifriger Flohmarktgänger und liebe antiquarische Bücher“, sagt er von sich. Weiter pflegt er hier seine selbst angelegte antiquarische Datenbank. Hans hofft, wieder wie früher im Kulturring Fuß zu fassen, kann sich künftig aber auch eine Tätigkeit in der Datensicherung oder im Archivwesen vorstellen.

Obwohl seit 1984 in Berlin wohnhaft, merkt man der 51jährigen Jutta Thierfelder noch ihre Herkunft an – sie kommt aus dem sächsischen Döbeln. Die gelernte Einzelhandels-Kauffrau arbeitete nach der „Wende“ im Begleitdienst für ältere Menschen, war auch in der Schuldnerberatung tätig. 2009 landete sie schließlich in der Lorenzstraße. Sie betreute die Büchertische an den Ausgabestellen von „Laib & Seele“, so an der Dreifaltigkeitskirche Lankwitz und der Pauluskirche Zehlendorf. Heute steht sie am Büchertisch im Nachbarschaftszentrum Lichterfelde Süd ihre „Frau“. Jutta selbst bezeichnet sich als „Leseratte“, seit ihrer Jugend liebt sie Bücher. „Mir macht die sachkundige Beratung anderer Menschen großen Spaß“, so Jutta. In ihrer Freizeit pflegt sie ein Kontrastprogramm: Sport und Gartenarbeit.

Die 55jährige Lilli Baltek aus Russland studierte Maschinenbau, zog dann vor 16 Jahren nach Deutschland. Nach einer Umschulung zur Kauffrau arbeitete sie in Büros von Kirchengemeinden und Schulen, bevor sie im Mai 2008 in der Steglitzer Deitmerstraße ankam. Neben ihrer Tätigkeit im Laden betreut sie zu bestimmten Anlässen auch Info-Stände an verschiedenen Orten. Als echter „Bücherwurm“ – mit Interesse für klassische Konzerte und Opern – findet Lilli das Projekt der Medienpoints genial und würde es sehr bedauern, „wenn es stirbt“. Die weitere Zukunft sieht sie optimistisch und realistisch zugleich: „Ich hoffe, noch möglichst lange im Medienpoint Steglitz mitmischen zu können.“

Alle Mitwirkenden, auch die hier nicht genannten, sind sich einig: „Unser großes Dankeschön gilt Aninka Ebert. Sie sieht uns, unabhängig von der Vorgeschichte jedes Einzelnen, als vollwertige Mitarbeiter eines kleinen Unternehmens, eben des Medienpoints“. Das gibt allen ungeheuren Auftrieb, und jeder macht sich auf seine Weise Aninka Eberts Parole zu eigen, die da lautet: „Die Hoffnung niemals aufgeben!“

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