Niemals wieder!

Ingo Knechtel

Viele werden sich noch an den Augenblick erinnern, als der heutige Regierende Bürgermeister Berlins Klaus Wowereit 2001 offen vor aller Welt sein Schwulsein mit den Worten bekannte: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“ Die gesetzliche Gleichstellung für Homosexuelle ist zum Glück inzwischen weitgehend hergestellt, Diskriminierungen im Alltag bleiben, es kommt auch immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen. Dagegen aufzutreten, ist oft nicht einfach, läuft man doch in manchen Situationen Gefahr, sich gegen eine vermeintliche Mehrheit zu stellen.

Angesichts dessen ist ein Blick in die Vergangenheit angebracht. Zum einen zeigt er, dass inzwischen sehr viel Positives erreicht ist, dass Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Verbrechen gegen Homosexuelle für die meisten Menschen heute unakzeptabel und unvorstellbar sind. Zum anderen ist die Darstellung ihrer Schicksale eine späte, für viele leider zu späte Rehabilitierung für begangenes Unrecht. Eine Entschuldigung können sie nicht sein, die gibt es wie für alle anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht. Jedoch als Mahnung sind sie sehr wohl gedacht. Und als Aufforderung, den Blick auch auf die Verfolgungspraxis im Nachkriegsdeutschland zu lenken sowie auf die verbliebenen Barrieren im Alltag und in den Köpfen mancher Zeitgenossen.

Dieses Anliegen trieb den Kulturring schon seit den Neunzigerjahren, mit den verschiedensten Arbeitsgruppen und Initiativen die Verfolgung Homosexueller an Hand von Einzelschicksalen zu erforschen. Seit zwei Jahren beschäftigt sich nun eine Projektgruppe im Rahmen des Berliner Öffentlichen Beschäftigungssektors damit, Schicksalen im Berliner Bezirk Spandau nachzugehen. Geplant ist im Frühjahr dieses Jahres eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse im Spandauer Rathaus.

Der Kulturring will erinnern an den Schriftsteller WERNER-ALEXANDER GLUSZEWSKI, der – geboren am 20.1.1904 – einst in der Pfälzischen Straße 21 (in Untermiete bei Kunter) lebte. Als Bauarbeiter wurde er dienstverpflichtet auf dem Flugplatz Staaken.

Mehrere Anzeigen und Verurteilungen wegen seiner homosexuellen Neigungen brachten den seit 1927 in der Homosexuellenkartei geführten Gluszewski immer wieder ins Gefängnis. Ende August 1939 wurde er erneut festgenommen, nachdem er einen jungen Arbeiter im Hallenbad Neukölln kennen gelernt und berührt hatte. Der 20-Jährige galt damals als minderjährig. Am 15.11.1939 verurteilte ihn das Gericht zu zwei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust. Die Verbüßung seiner Strafe Ende November 1941 bedeutete für Werner-Alexander Gluszewski keine Freiheit. Wie andere Homosexuelle auch wurde er per Sammeltransport aus dem Zuchthaus Brandenburg ins Polizeigefängnis nach Berlin gebracht. Aufgrund einer Anweisung Himmlers, nach der – wer mehr als zwei Männer verführt hat – in ein KZ zu überführen ist, kam Gluszewski am 12.2.1942 nach Buchenwald, am 13.3.1942 nach Ravensbrück und schließlich am 21.5.1942 nach Sachsenhausen, wo er am 26.6.1942 bei der „Klinkerwerkmordaktion“ umgebracht wurde.

Wir gedenken dem Hilfsarbeiter HEINZ SCHULZE, geboren am 21.9.1911, der am Jungfernstieg 2, bei seiner Tante in Spandau-Siemensstadt wohnte.

Am 4.7.1941 wurde Heinz Schulze aus Plötzensee in das Strafgefängnis Spandau überführt, um eine einjährige Haftstrafe wegen des Verstoßes gegen §175 StGB anzutreten. Bei der Aufnahmeuntersuchung stellte der Arzt bei dem 1,47 Meter kleinen Schulze chronische Bronchitis fest. Er attestierte ihm trotzdem uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit, sogar „Moorfähigkeit“ für die Strafgefangenenlager im Emsland. Das Strafgefängnis war zugleich ein Dienstleistungsunternehmen, das seine Gefangenen als billige Arbeitskräfte gegen Gebühr (0,75 - 1,50 Reichsmark pro Tag und Kopf) an Wirtschaftsbetriebe inner- und außerhalb des Gefängnisses verlieh. Schulze wurde als Feldarbeiter verliehen. Vom wenigen Entgelt für die geleisteten Arbeiten blieb ihm nichts. Bei Haftentlassung ging es an die Gefangenenfürsorge.

In der Beurteilung des Strafgefängnisses auf die Führungsanfrage der Kriminalpolizei vom 22.1.1942 hieß es, Schulze habe seine Arbeiten stets fleißig und willig erledigt. Über seine Führung gab es keine Klagen. Verwaltungsoberinspektor August Lucke hielt ihn für besserungsfähig. Bereits bei seiner Gerichtsverhandlung hatte sich Schulze mit einer Entmannung einverstanden erklärt. Trotz verbüßter Strafe wurde er in Vorbeugehaft genommen, um anschließend nach Sachsenhausen deportiert zu werden, wo er am 7.8.1942 ermordet wurde.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass so etwas nie wieder geschieht!

(unter Verwendung der Rechercheergebnisse der Projektgruppe Spandau und der AG „Rosa Winkel“)

Archiv