Weit hinaus!

Steffen Wagner

Miteinander – Füreinander: Kinder und Jugendliche aus Reinickendorf messen sich im Papierflieger Weitwurf – und alle gewinnen

Marie Claire (9) hat ihre große Schwester Viktoria mitgebracht. Viktoria ist siebzehn und ein wenig traurig, weil ihr Freund mit ihr Schluss gemacht hat. Marie Claire möchte lieber nur Marie genannt werden. Normalerweise lernt sie im Fuchsbau Reinickendorf Lateinische Standardtänze. Doch heute sind die Schwestern zu den „Flugspielen“ gekommen, die der Kulturring organisiert hat.

Daniel Henning vom Kulturring hilft den Kindern dabei, Papierflieger zu falten. Angely, 9 Jahre, baut einen „Falken“. Sie findet es gut im Fuchsbau, der Wettbewerb der Papierflieger ist mal etwas ganz anderes. Marie glaubt, dass der Klassiker „Phantom“ weiter fliegt. Viktoria ist unschlüssig, sie schaut lieber erst mal, was ihre Schwester macht. Der blonde Nils (12) hat einen Flieger gebaut, der eher an eine Rakete erinnert. Er braucht keine Vorlage, Nils kennt sich aus.

Zwei Monate lang bereiteten die Mitarbeiter des Projektes Jugend und Kultur in Reinickendorf engagiert und mit viel Liebe zum Detail die „Flugspiele“ vor. Sie besorgten Bastelbücher und Papier, Schautafeln würdigen die Leistungen von Flugpionieren wie Otto Lilienthal. Belegte Brötchen und Cola sind da, die Bonbons besiegen den kleinen Hunger zwischendurch. Kostenlose Bücher aus dem Medienpoint in der Provinzstraße versorgen den Kopf mit Nahrung. Für die Preise konnten Sponsoren gewonnen werden, den Saal zieren bunte Papierschlangen und Luftballons.

Koordinatorin Astrid Lehmann ist stolz auf ihr Team. Erfreut begrüßt sie den Stadtrat für Gesundheit und Soziales, Andreas Höhne, der zwischen zwei Terminen mal vorbeischaut. Höhne besucht schon zum zweiten Mal eine Veranstaltung des Kulturrings. Besonders das Motto der Reihe „Miteinander – Füreinander“ hat es ihm angetan. Dieser Name ist für uns Programm, erläutert Lehmann.

Inzwischen sind die Papierflieger gefaltet, die Band „One Drop“ spielt Coverhits im Reggae-Stil: „What a wonderful world”. Marie freut sich auf den Wettkampf, Viktoria bleibt skeptisch, Nils vertraut auf seine Rakete. Moderator Augustino Paolo, ebenfalls Mitarbeiter im Projekt, kündigt die „Reinickendorfer Meisterschaften“ im Papierflieger-Weitwurf an. Die Spannung steigt bei jung und alt. Der jüngste Besucher heißt Jaden und ist erst fünfeinhalb Monate alt. Die Jury sitzt auf ihren Plätzen, Daniel Henning misst mit dem Zollstock die Weiten.

Endlich kann es losgehen. Angely beginnt, jeder Teilnehmer hat drei Versuche. Da fliegen sie nun, die selbstgebauten Flugobjekte schweben in die Einflugschneise. Die Fotografin lebt gefährlich, als ihr ein majestätischer „Kondor“ an den Kopf fliegt. Ungültiger Versuch - Yassir darf noch mal. Der Wettkampf beflügelt die jungen Sportsfreunde, eine Papiertaube fliegt 12 Meter, die nächste nur 2. Trotzdem, jeder Versuch erhält seinen verdienten Applaus, die Teilnehmer spornen sich gegenseitig an. Bei diesem Wettbewerb spielt es keine Rolle, aus welchem Land die Eltern stammen und wieviel Taschengeld die Kinder haben. Hier gewinnt jeder Teilnehmer: an Freude, an Fertigkeit, an Neugier, an Sportsgeist, an Fairness. Viktoria konnte ihre kleine Schwester Marie nicht übertreffen. Doch ihr letzter Versuch war schon nahe dran. Siegerprämien gab es sowieso für jeden.

Weiter als die Rakete von Nils flog übrigens kein Flugobjekt. Mit 35,12 Metern in drei Versuchen holte er den Sieg. Aber Yassir und Omar lagen nur Zentimeter zurück. Übrigens: Nils kann noch mehr – auch für Breakdance braucht er keine Anleitung. Wie gesagt: Nils kennt sich aus.

Zum Abschluss noch ein kleiner Dialog zwischen dem Moderator und den kleinen Flugpionieren:

„Wie geht es Euch eigentlich?“ – „Schlecht.“ - „Warum?“ – „Schule.“

„Warum?“ – „Macht keinen Spaß.“ – „Und hier?“ - „Hier ist gut.“

Also – weiter so! Vielleicht macht eines Tages auch die Schule wieder Spaß. Wie sagte es die Fotografin so schön? „Lasst uns Flügel wachsen!“

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