Manfred Bofinger – „Durch Lachen die Welt verändern“

Hartmut Gering

Trotz Ferien und schönstem Sommerwetter: Es herrschte Hochbetrieb vor und in der Villa Skupin. Stühle wurden nachgestellt, bis nichts mehr ging. Das Lichtenberger Studio Bildende Kunst lud Anfang August ein zur Vernissage einer Ausstellung mit Werken des vor fünf Jahren verstorbenen Berliner Karikaturisten, Grafikers und Buchillustrators Manfred Bofinger.

Den Abend eröffnete Joachim Probst mit einem Dixi-Medley auf seiner Klarinette. Nach der offiziellen Begrüßung ergriff Gabriele Bofinger, die Witwe des Künstlers und prominentester Gast, das bereits mit Spannung erwartete Wort zu Leben und Werk ihres Mannes. „Er war immer der Individualist im Kollektiv und ließ sich nie vereinnahmen. Seine ungewöhnlich schnelle Auffassungsgabe spiegelte sich auch in seiner Malweise wider“, so Gabriele Bofinger über den Künstler, den in der DDR wohl nahezu jeder kannte. „Manfred war auf Lebenszeit seiner Heimatstadt Berlin, vor allem dem Treptower Kiez, verbunden, wo er über 30 Jahre wohnte“. Dem Alltag in der Treptower Plesserstraße ist übrigens sein posthum zum 65. Geburtstag erschienenes Buch „Das Leben eben. Beobachtungen aus nächster Nähe“ gewidmet. Zeichnerisch vollendet von vielen KünstlerInnen als letzte Freundschaftsgabe, verlas der Autor Hans Hübner eine kleine Kostprobe aus diesen Kiezgeschichten.

Als Höhepunkt des Abends konnte das versammelte Publikum den Lesungen aus zwei Büchern lauschen, die wohl zu seinen bekanntesten zählen: „Ein dicker Hund“ (2003) und „Der krumme Löffel“ (1998). Mit diesen beiden Werken präsentierten die Filmredakteurin Carmen Baerwaldt und Hans Hübner Kindheitserinnerungen Manfred Bofingers aus dem Berlin der Nachkriegsjahre und seine Erlebnisse mit Kindern. Zwischen den kurzen, spannenden Geschichten war immer wieder abwechslungsreiche Unterhaltung angesagt, von „Wildkatzenblues“ über Klezmer bis zum Musical.

Während des Ausstellungsrundganges genossen die Besucher einen kleinen, aber breit gefächerten Querschnitt des außerordentlich umfangreichen Schaffens von Bofinger, und bei angeregten Gesprächen inklusive Snacks und Wein klang der Tag aus.

Bofinger, geboren 1941 mitten in Berlin, wuchs in einem einfachen Haushalt mit ausgesprochen musischem Klima auf. Vielleicht kam daher auch die Liebe zu Barock- und anspruchsvoller Unterhaltungsmusik. Das Zeichentalent hat er jedenfalls von seinem Vater geerbt – er war Plakatmaler. Während seiner Schulzeit im Grauen Kloster, dem ältesten Gymnasium Berlins mit humanistischer Fachrichtung, entstanden zunächst Holz- und Linolschnitte. Nach seiner Lehre als Schriftsetzer landete er durch einen Glücksfall beim Eulenspiegel-Verlag, wo er ab 1961 als Volontär anfing. Hier bekam er schnell einen tiefen Einblick in die Welt des Humors und der Satire, und so erwachte jetzt sein Interesse an Karikaturen. Karl Schrader, ebenfalls ein bekannter Zeichner beim „Eulenspiegel“ und Bofingers „heimlicher Mentor“, machte ihm außerdem Mut, selbst produktiv zu werden. „Du zeichnest klasse, und du machst jetzt mal was“, meinte er. Und so eignete sich Bofinger Schritt für Schritt autodidaktisch das notwendige handwerkliche Rüstzeug an. Die Aufträge für ihn – so zum Beispiel Buchgestaltungen – wurden immer größer und zahlreicher, so dass er sich 1968 vom Verlag verabschiedete und fortan freiberuflich tätig war. Weiter zeichnete er nicht nur für den „Eulenspiegel“, auch in der Kinderzeitschrift „Frösi“ war er mit Cartoons präsent.

In der DDR einer der beliebtesten Illustratoren, wurde er nach der „Wende“ dank „Graf Tüpo…“ – einem Spielbuch mit geometrischen Figuren in Rot, Schwarz oder Weiß und grafisch eingesetzter Schrift – schnell auch in den alten Bundesländern bekannt. Titel und Illustrationen vergegenwärtigen seine frühere Arbeit als Typograf.

Was für ein Mensch war nun Bofi, wie ihn alle seine Freunde liebevoll nannten? Unkompliziert, strahlte er immer Optimismus aus. Denn wie sein literarisches Vorbild Erich Kästner – neben Ringelnatz und Tucholsky – glaubte der „zeichnende Weltverbesserer“, dass die Welt durch Lachen zu verändern ist. Freundlichkeit und Ehrlichkeit zeichneten ihn aus, das erwartete er auch von seinen Mitmenschen. Und neugierig war Bofi, immer aufgeschlossen gegenüber Unbekanntem. Sein Humor war fast immer hintersinnig; mit schönem, klarem, schwingendem Strich enthüllte er sanft menschliche Schwächen und wollte so zum Nachdenken anregen. „Satire darf, muss übertreiben. Aber sie muss auch erkennen lassen, dass Fehler und Irrwege menschlich sind, Umkehr möglich ist …“, so sein Motto.

Bofis enorme Produktivität spiegelt sich in seinem vielseitigen Oeuvre wider. Es umfasst nicht nur Cartoons, Druckgrafiken, Karikaturenbände und Illustrationen von Büchern bekannter Autoren wie Uwe Kant, Renate Holland-Moritz und Jens Sparschuh, die ihn sehr inspirierten. Sondern er schrieb auch eigene Bücher – seit den 1990er Jahren insbesondere für Kinder – mit Markenzeichen wie Eierköpfen, Punktaugen und anderen kindlichen Formen. Seine Handschrift ist in insgesamt etwa 300 Büchern zu finden, 120 illustrierte er komplett. Damit nicht genug, er gestaltete Bastelbögen, Kalender, Postkartenbücher, Programmhefte, Spielkarten, Plakate und schrieb zuletzt heitere Reisebücher.

Das alles präsentierte Bofinger auf zahlreichen Ausstellungen, zwei seien an dieser Stelle genannt: „Grafik für Kinder“ (Magdeburg und Wurzen, 1988) und „Kunst für Kinder“ (Neubrandenburg, 1994). Schreiben für und Arbeiten mit Kindern, das wurde immer mehr zu Bofis Hauptbeschäftigung. Sehr beliebt: „Das Gänsehautbuch“ und „Das Menschenfresserbuch“, beide 1994 erschienen. Heiter und indirekt kritisierte er Konsumterror und Kapitalismus, ohne dabei zu moralisieren und zu belehren. Und in Kitas und Schulen ganz Deutschlands zeichnete, las und spielte er mit Kindern – er sah sie stets als gleichberechtigte Partner.

Bofis langjähriges Schaffen wurde mit vielen Auszeichnungen geehrt, vom „Kunstpreis der DDR“ (1981) bis zur „Rahel-Varnhagen-Medaille“ (2002) im vereinten Deutschland.

Wer ihm einen Besuch abstatten möchte: Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Stralau. Künstlerisch gestaltet ist es mit einer weißen Marmorfigur eines lesenden Kindes.

Seine Ausstellung im Studio Bildende Kunst ist noch bis zum 16.9. zu sehen.

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