Stefan Friedemann – Maler und Grafiker

Hartmut Gering

Es gibt wohl kaum einen Menschen, der die Sächsische Schweiz durchwandert hat und von ihren Felstürmen, Steilwänden und Tafelbergen nicht fasziniert gewesen wäre. Schon die Maler der Romantik wie Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus waren so beeindruckt von dieser Landschaft im stetigen Wechsel zwischen Dramatik und Idylle, dass sie – direkt vor Ort, „bewaffnet“ mit Stift und Block – diese künstlerisch verewigten.

Zumindest ähnlich erging es vor über fünfzehn Jahren auch dem 1963 in Pirna – dem „Eingangstor“ zur Sächsischen Schweiz – geborenen Maler und Grafiker Stefan Friedemann. Im Elternhaus eher musikalisch geprägt – mit fünf Jahren nahm er Klavierunterricht – vollzog er schon bald den Richtungswechsel zur Bildenden Kunst. „Damals konnte ich in der Musik für mich weniger an kreativem Spielraum entdecken, so sehr mich auch die romantische Klaviermusik von Schumann oder Chopin in ihren Bann zog, blieb es doch mehr das Interpretieren und weniger das Neuschöpfen, mit dem dieses Metier für mich besetzt war. Dabei sind Wahrnehmungsebenen aus dem Bereich der Musik immer wichtige Anregungen gewesen, geht es doch auch in der Bildenden Kunst um Harmonie, Komposition, Klangempfinden u.ä.“

Inzwischen 14jährig, belegte Friedemann einen ersten Zeichenkurs bei Prof. Goltzsche. Sieben Jahre später nahm er ein Studium der Malerei und Grafik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Prof. Goltzsche und Prof. Gantz auf. Gleich nach erfolgreichem Abschluss, im Jahr 1988, kandidierte er im Verband Bildender Künstler (VBK), dessen Mitglied er zwei Jahre später wurde. Prof. Noßky betreute ihn damals als Mentor. In diesem Zeitraum präsentierte er auch seine erste eigene Ausstellung im Studio Bildende Kunst - Werkstattgalerie in Berlin-Lichtenberg.

Einer der Höhepunkte seines bisherigen Schaffens ist zweifelsohne das Buchprojekt „Fels ohne Eile“, initiiert im Jahr 2003. Als Ergebnis entstanden Werke wie „Basteifelsen im Nebel“, „Blick vom Großen Winterberg“ und viele andere. Seit Ende 2003 können Besucher sie in zahlreichen Ausstellungen bewundern, u.a. in Pirna, Berlin, Reutlingen, im Museumshof Valluhn bei Hamburg sowie in Buchkirchen in Oberösterreich. Seine bisher letzte Ausstellung unter anderem zu diesem Thema bestritt er gemeinsam mit der Bildhauerin und Lebensgefährtin Petra Schneider im vergangenen Jahr in der Galerie „Mitte“ in der Berliner Auguststraße.

Was fasziniert ihn so an dieser – laienhaft ausgedrückt – „Ansammlung von Steinen“? Erst einmal fühlt sich Friedemann heute ganz als Großstädter, sein Wirken möchte er keineswegs (wie es bei den Künstlern der Romantik üblich war) als Flucht in die Vergangenheit oder in eine Natur belassene Idylle verstanden wissen. Und es ist nicht die Topografie, sondern vielmehr der Reiz der nahezu grenzenlosen Vielfalt an Formen und Strukturen der heimatlichen Landschaft, was ihn dazu drängt, sie zeichnerisch, malerisch oder druckgrafisch umzusetzen und dabei auch zu abstrahieren. „Malerei und Grafik bedeuten für mich – egal ob Landschaften oder weibliche Akte – eine tiefgründige künstlerische Auseinandersetzung mit der Realität. Es geht mir prinzipiell nicht darum, sie einfach abzupinseln oder zu imitieren, wie bei der Fotografie, sondern den wahrgenommenen Raum in der Fläche zu entwickeln“, ist sein Credo. „So hat jedes Felsgebilde und natürlich auch der menschliche Akt seine eigene Form und seine spezielle Struktur, und dieses Formerlebnis schöpfe ich bei meiner Arbeit voll aus“, meint Friedemann weiter. Auch in der Aktdarstellung ist daher für ihn das real vor ihm existierende Motiv ungeheuer wichtig.

In seinen neuen Arbeiten hat sich Stefan Friedemann, wie auf dem jüngst entstandenen Atelierfoto zu sehen ist, Marionettenbildern zugewandt. Durch längere Freundschaft mit Karin Tiefensee und Prof. Hartmut Lorenz von der Abteilung Puppenspiel der Schauspielschule Ernst Busch hatte er immer wieder Gelegenheit, im Fundus der renommierten Einrichtung Marionetten zu erleben. Dabei faszinierte ihn die magische Verschwiegenheit dieser abgestellten Gesellschaften mehr noch als der flüchtige Moment ihres Agierens. Die Lebendigkeit entstand für ihn aus dem Formenrhythmus ihres Zu– und Miteinanders, dem Wechsel der Farben, den abwesenden Blicken ihres Innehaltens. So konnten Momente des Erzählerischen in bildhafte Gestaltungsqualitäten einfließen, ohne ins plakativ Illustrative abzugleiten. Denn wie es schon in den Landschaften mehr um das Erlebnis einer Stimmung mit malerischen Mitteln und weniger um topographische Nachbildung ging, waren auch die Marionetten Anlass für einen kompositorischen Bildgedanken, in dem die Momente der Mimik, Gestik, das Groteske, Komische bis zum verborgenen Alter ego des Künstlers als stimmungsvolle Daseinsmetapher über die konkrete Vorlage hinausweisen.

Den Schwerpunkt seines Wirkens sieht Friedemann nach wie vor in der Malerei, auch wenn man angesichts der Vielfalt seiner druckgrafischen Arbeiten einen anderen Eindruck gewinnen könnte. In der Malerei praktiziert er Techniken wie Öl (auf Leinwand), in der Zeichnung verwendet er Tusche, Kohle und Kreide, während er im grafischen Bereich Radierungen bevorzugt, wie Aquatinta, Aussprengtechnik, Strich- und Weichgrundätzung. Und natürlich schmort er mit seinem Wissen nicht im eigenen Saft. So ist er im vom Kulturring 1994 übernommen Studio als Kursleiter tätig. Er betreut einen Kurs für Radierung, den Seniorenkurs Druckgrafik und das Aktzeichnen. Seine Kursteilnehmer schätzen ihn sehr, viele von ihnen sind inzwischen mit eigenen Ausstellungen in den Galerien präsent. Einige von den jüngeren haben sich erfolgreich an künstlerischen Hoch- und Fachschulen in Berlin, Halle, Leipzig und Dresden beworben. Im März dieses Jahres präsentierten sich die Kursteilnehmer im Rathaus Lichtenberg und im Sommer in einer Ausstellung des Studios. Das Wirken Friedemanns und seiner Schüler prägt seit vielen Jahren das Profil des Studios und wird vom Kulturring nach Kräften unterstützt.

Seit 1993 Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler (BBK), hat sich Friedemann mit vielen weiteren größeren und kleineren Projekten einen Namen gemacht. Seine Ausstellungen reichen mittlerweile über das gesamte Bundesgebiet. In seiner knapp bemessenen Freizeit liest er gern moderne Lyrik, so vom irischen Schriftsteller Samuel Beckett. Seine letzte Reise führte in die südwestfranzösische Dordogne. Hier sammelte er ganz andere spannende Eindrücke, die ihn – wie könnte es anders sein – zu neuen künstlerischen Inspirationen verführten.

Archiv