„Ach Kulturring! Ja, den kenne ich.“

Aninka Ebert

Sybill Klotz, Bezirksstadträtin in Tempelhof-Schöneberg für Gesundheit und Soziales, war sichtlich angetan von den Projektpräsentationen des Vereins. Als „mitzuständig“ für das Jobcenter des Bezirks war auch sie anwesend beim Tag der offenen Tür, an dem sich der Medienpoint Tempelhof-Schöneberg und das lokalhistorische Ausstellungsprojekt „Wir waren Nachbarn“ vorstellte. Mit acht weiteren Maßnahmebeispielen anderer Träger wurden die Verwaltungsflure des labyrinthischen Gebäudes bunter, lauter und vor allem mit freudigem Geplauder gefüllt. Da insbesondere Letzteres eher selten mit der Institution in Verbindung gebracht wird, war es Anlass genug für die Verantwortlichen, sich nun schon im zweiten Jahr als einziges Berliner Jobcenter für Besucher und Fragen zu öffnen und ihre Arbeit insgesamt transparenter zu machen. Entsprechend der modernen Vorgehensweise geschieht dies nicht brachial, sondern durchaus verführerisch. Die Mitarbeiter des Jobcenters verkauften ihren selbst gebackenen Kuchen zu Gunsten des Frauenhauses BIG und führten als Lotsen die Besucher persönlich an ihr Ziel.

Die präsentierten Projekte waren fast alle aus dem Kreativ- und Kulturbereich und konnten deshalb ihre Arbeitsergebnisse sehr anschaulich vorstellen. Im Musikinstrumentenbau fanden sogar Zahnräder von Fahrrädern Verwendung, die „Nähstube“ präsentierte Entwürfe für Kinder mit einer Modenschau, „Jobact“ verarbeitete mit jungen Menschen schauspielerisch Episoden um das Thema „Jobsuche“, und das Kreativhaus versteigerte Kunstwerke.

In einer als Podiumsdiskussion angekündigten Veranstaltung zum Thema Widerspruchsverfahren mit der Leiterin Ingrid Wagner und Friedhelm Kock von der Arbeitsagentur war zu erfahren, dass Zahlen relativ seien. 21.000 Klagen zu Hartz IV seien im Verhältnis zu allein 70.000 Erstbescheiden im selben Jahr zu sehen, all die Änderungsbescheide also nicht mitgerechnet. Problematisch für die Mitarbeiter seien vor allem auch die Ausführungsvorschriften des Senats, die jedoch nicht vom Bundesgesetzgeber geregelt sind. Die Folge ist ein oft wager Spagat zwischen den Vorgaben des Landes Berlin und den Urteilen der Bundesgerichte. Aus dem Publikum konnte Michael Kanert, Richter am Berliner Sozialgericht bestätigen, dass sich die Klageerfolge aus eben diesen unterschiedlichen Definitionen von sozialer Vertretbarkeit ergeben. Jeder zweite Widerspruch hat Erfolg, 16.000 sind zurzeit anhängig.

Während der übrigen Zeit gab es die Möglichkeit, sich auf Augenhöhe mit anderen Projekten auszutauschen, und Daniela Walkowiak, Koordinatorin des Jobcenters für Kulturprojekte, nutzte die Gelegenheit, Netzwerke anzuregen. Die Lesepaten werden deshalb in Zukunft ihre Spendenüberschüsse an Büchern direkt im Tempelhofer Medienpoint abgeben und diese ihrerseits dort nachgefragte Vorleseliteratur weiterleiten. Ein Historiker eines anderen Projekts soll jetzt vielleicht in das Ausstellungsteam von „Wir waren Nachbarn“ wechseln, da dies genau sein Interessensgebiet trifft.

Und Sybill Klotz wünscht sich einen Büchertisch des Medienpoints bei ihrem Arbeitsplatz im Rathaus Tempelhof, sobald der bestehende dort im Juni abgelöst werden kann. Sie hat sich auch überreden lassen, ein Buch mitzunehmen, „aber dann will ich auch welche spenden“. Ihr Besuch wird schon mit Freude erwartet.

Archiv