Ernst Engelberg zum 100.

Reno Döring

Am 5. April 2009 begeht das langjährige Mitglied unseres Vereins Prof. Dr. Ernst Engelberg seinen 100. Geburtstag. Als Sohn des Buchdruckers Wilhelm Engelberg und seiner Ehefrau Therese wurde Engelberg in eine Familie hineingeboren, in der die demokratischen und revolutionären Traditionen von 1848 noch wach waren. Unter dem Eindruck der Revolution hatte sein Großvater Julius Engelberg das adlige „von“ abgelegt und war Mitglied der Bürgerwehr geworden. Diese Familienprägungen und das Erlebnis einer Kindheit und Jugend, überschattet vom ersten Weltkrieg, der Nachkriegskrise und Inflationszeit, führten Engelberg zum Kommunistischen Jugendverband und in die KPD. Nach dem Studium der Geschichte, Nationalökonomie und Philosophie in Freiburg im Breisgau, München und Berlin, u.a. bei Gustav Mayer, schrieb er seine Dissertation über die deutsche Sozialdemokratie und die Bismarcksche Sozialpolitik.

Wenige Tage nach der Verteidigung, im Februar 1934, wurde Engelberg wegen Vorbereitung zum Hochverrat verhaftet und zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Anschließend flüchtete er in die Schweiz, wo er in Genf als Stipendiat am Institut universitaire de hautes études internationales und Mitglied am Institut für Sozialforschung sowie für die Bewegung Freies Deutschland tätig war. Es gelang es ihm, obwohl er die Einweisung ins Arbeitslager schon erhalten hatte, 1940 nach Istanbul zu emigrieren und dort als Deutschlehrer zu wirken. Durch die langen bürokratischen Verfahren gelang es ihm erst im Frühjahr 1948, nach Deutschland zurückzukehren. Er war Dozent für deutsche Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Potsdam. 1949 wurde er Professor an der Universität Leipzig, wo er u. a. zusammen mit Hans Mayer, Ernst Bloch, Werner Krauß, Wieland Herzfelde, Hermann Budzislawski und Walter Markov wirkte. Im Jahre 1951 als Direktor des dort neu gegründeten Instituts für deutsche Geschichte ernannt, setzte er Schwerpunkte auf die Erforschung der revolutionären Sozialdemokratie im 19. Jahrhundert. Die Deutsche Akademie der Wissenschaften der DDR berief ihn 1960 als Direktor an das Akademie-Institut für deutsche Geschichte; 1961 wurde er zum Ordentlichen Mitglied der Akademie gewählt. Von 1969 bis zu seiner Emeritierung 1974 leitete er die Forschungsstelle für Methodologie und Geschichte der Geschichtswissenschaft. In dieser Zeit entstanden seine Aufsätze zur Formationstheorie.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Engelberg durch seine zweibändige Bismarck-Biographie bekannt, die gleichzeitig in Ost (Akademie-Verlag) und West (Siedler) (1985 und 1990) erschien. Ich hatte die einzige Begegnung mit Ernst Engelberg 1990, als er im legendären Klub Johannes Resch in Johannisthal den soeben erschienen zweiten Band seiner Bismarck-Biographie vorstellte. Trotz seines hohen Alters wirkte Ernst Engelberg ausgesprochen frisch und beantwortete die vielen Fragen der Anwesenden rhetorisch gewandt und inhaltlich fundiert. Zu spüren war sein Stolz, dass eine so lange Forschungsarbeit in der breiten Öffentlichkeit auf eine derartige Resonanz gestoßen war, zumal sich die DDR-Geschichtsschreibung gerade in Bezug auf die Aufarbeitung der Geschichte Preußens und mit ihr der zentralen Figur Bismarcks sehr schwer tat.

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