„Sehr hilfreiche“ Vorurteile

Astrid Lehmann

Nicht erst mit der NS-Zeit trat die Homophobie auf. Vorurteile, Ausgrenzung, Ablehnung gegenüber Homosexuellen gehörten auch davor schon zum Alltag in Deutschland. So war es für das NS-Regime nicht schwer, auch die strafrechtliche Verfolgung mit Hilfe der Verschärfung der Paragrafen 175 und 175a wesentlich zu verstärken. Dabei seien die in der Bevölkerung verbreiteten Vorurteile „zumindest sehr hilfreich“ für das Vorgehen des NS-Staates gegen Homosexuelle gewesen, sagte der brandenburgische Landtagspräsident Gunter Fritsch zur Eröffnung der Ausstellung „Ausgrenzung aus der Volksgemeinschaft“ im Potsdamer Landtag. Nach 2006 im Paul-Löbe-Haus des Bundestages und in der Akademie der Künste, 2007 in Dortmund ist dies nun die 4. Präsentation der Ausstellung. Das große Interesse schon bei der Eröffnung zeigte, wie wichtig es ist, die Erinnerung an die Opfer wach zu halten und mit Hilfe der Darstellung einzelner Schicksale die Auswirkungen auf das tägliche Leben der Betroffenen zu verdeutlichen. Auf einigen Tafeln wird der Verfolgungsapparat der NS-Justiz dokumentiert, es gibt Auskünfte zu Richtern und Staatsanwälten, die maßgeblich an der Verfolgung Homosexueller beteiligt waren. Sind auch über 60 Jahre seit der „Hitlerei“ vergangen, so hat die Ausstellung nicht nur Erinnerung zum Ziel. Auch nach 1945 gab es keine Rehabilitation der zuvor wegen ihrer sexuellen Neigung Verfolgten. Sie konnten nicht einmal davon ausgehen, dass Urteile aufgehoben werden und sie für zu Unrecht erfahrenes Leid entschädigt werden - galten doch nach wie vor in beiden deutschen Staaten der Paragraf 175, wenn auch die Verschärfung wieder zurückgenommen wurde. Dr. Berndl, der Kurator der Ausstellung, verwies in seinen einführenden Worten darauf, dass Homosexuelle in der NS-Zeit als Staatsfeinde dauerhaft ausgegrenzt wurden. Eine endgültige Aufarbeitung dieses Geschehens ist bis heute nicht erfolgt, auch die Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Tiergarten in Berlin kann nicht darüber hinwegtäuschen. Oft entstehen die Vorbehalte und Vorurteile auch aus Unkenntnis, oft kann man es sich kaum vorstellen, welche Konsequenzen die Liebe zu einem gleichgeschlechtlichen Partner mit sich brachte. Bei ihren Forschungsprojekten berichten einige Mitarbeiter, wie sie selbst in der Gegenwart zumindest auf Vorurteile stoßen. In dieser Phase der Einarbeitung und Diskussionen befindet sich der Kulturring zur Zeit bei einem neuen Projekt, das sich mit Leben und Verfolgung Homosexueller in der NS-Zeit speziell in Spandau beschäftigt. Mit diesen, für zwei Jahre geplanten Arbeiten verfolgt der Verein das Ziel, die Ausstellung und die vorhandenen Datensammlungen zu erweitern und zugleich auch weitere Seiten der Verfolgungsgeschichte, die „Täter“ und die Rechtsanwälte der Opfer betreffend, zu erarbeiten. Für diese Schwerpunkte, wie überhaupt für die Arbeit in der AG Rosa Winkel sucht der Kulturring ständig neue Mitstreiter, die sich bei Astrid Lehmann unter 282 63 43 melden können.

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