Im November 2008 wurde Helga Stolzenburg im Roten Rathaus für ihre ehrenamtliche Arbeit für den Berliner Kulturring mit dem Europa-Pass, dem Berliner Freiwilligen Pass geehrt. Ich habe sie gern dorthin begleitet, nicht zuletzt aus Neugier. Nimmt sie diesen Ehrenpass freudig und erregt entgegen? Nein, ihr Gesicht erzählte von stiller Dankbarkeit für diese Anerkennung.
Eine Veranstaltung des Treptower Kulturbunds in der Ernststraße ohne Helga Stolzenburg ist nicht nur für mich undenkbar. Stets sitzt sie an der Tür zum Veranstaltungsraum. Sie begrüßt jeden eintreffenden Gast und bittet um den notwendigen Obolus. Ein kurzer, lächelnder Blick heißt, dieser kommt häufig oder gar regelmäßig; ein aufmerkendes Lächeln heißt soviel wie, diesen Besucher kenne ich nicht.
So lernte ich vor einigen Jahren Helga Stolzenburg kennen und weiß, sie ist nicht nur die Zuverlässige an der Kasse, sie sieht und packt mit an, wo Hilfe nötig ist. Bei Beginn der Veranstaltung wird sie die neugierige, aufmerksame Teilnehmerin, ohne ihren Platz zu verlassen, denn es könnte ja sein, dass verspätete Gäste eintreffen. Oft habe ich überlegt, wie alt mag die Frau sein, wer ist sie jenseits der Ernststraße, wie hat sie gelebt, wie lebt sie heute? Was sagen schon Attribute wie freundlich, engagiert, zuverlässig und die Überlegung, dass ihr Berufsleben schon längere Zeit hinter ihr liegt?
Ein Termin für unser Gespräch war nicht leicht zu finden. Betagte Frauen in ihrem Wohngebiet Berlin-Schöneweide bitten sie häufig um Hilfe und Begleitung. Wir fanden eine Terminlücke, und bei klirrender Kälte stand sie morgens um 9 Uhr vor meiner Tür. Schnell kamen wir in ein interessantes Gespräch. Helga Stolzenburg begeht am 3. Februar 2009 ihren 70. Geburtstag. Geboren wurde sie in der Baumschulenweger Kiefholzstraße. Diesen Ortsteil hat sie in ihrem Leben selten verlassen. Wenige Monate vertrieb der Krieg sie aus der Heimatstadt. 1945 war die Einschulung, und in Folge begann ein typischer Bildungs- und Entwicklungsweg in der späteren DDR, zumal mit dem Berufswunsch, Lehrer zu werden für Deutsch und Geschichte. Das Kind und die Jugendliche Helga lernten auf diesem Weg trotz mancher Nöte, stets ihr Bestes an jedem Lern- und Arbeitsort zu geben. Ich denke, es wurde ihr wichtigster Anspruch an sich selbst. Aus gesundheitlichen Gründen konnte sie ihren Traumberuf (mit Staatsexamen) nicht ausüben. Sie arbeitete statt dessen, ich glaube nicht mit dem größten Enthusiasmus, hauptberuflich in Verlagen. Sie suchte daher ein zusätzliches Betätigungsfeld, mit dem sie mit dem ganzen Herzen verbunden war: die Treptower Heimatkunde. 1969 wurde Helga Stolzenburg Mitglied des Kulturbundes. Der Kulturbund hatte von ihrer umfangreichen Kenntnis über die Treptower Geschichte, Fauna und Flora erfahren. Sie wurde gefragt, ob sie ehrenamtlich über dieses Wissensgebiet arbeiten möchte. So wurde sie Mitglied und Leiterin der Kommission für Natur und Heimat des Treptower Kulturbundes. – und begeht in diesem Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum als Mitglied des Kulturbundes. Sie erzählt, dass die Arbeit ein sehr inhaltsreiches Betätigungsfeld gewesen sei. Wichtig waren ihr als ausgebildete Lehrerin die Zusammenarbeit mit den Schulen und die langjährigen Foto-Dokumentationen über die Pflanzenwelt in Treptow und anderen Berliner Bezirken. Es waren für sie glückliche Jahre, bis die DDR implodierte. Im Herbst 1989 begann ihr Leben aus den Fugen zu geraten. Ihre berufliche und ehrenamtliche Arbeit fiel neuen Strukturen zum Opfer. Diese Zeit der Umbrüche sorgte für Unsicherheit und Krankheit. Aber, so sagt Helga Stolzenburg, sie wurde nicht einfach weg geschoben, ihre engagierte Arbeit im Kulturbund wurde nicht als gewesen vergessen – sie wurde gefragt, ob sie für den Treptower Kulturbund ehrenamtlich die Beitragskassierung übernehmen würde. „Ich behielt während aller Wendewirren ein Stück gewohnter Heimat.“ Frau Stolzenberg tut dies nun schon fast 20 Jahre, sie weiß, jeder Besucher ist wichtig, unterstützt den Berliner Kulturring. Sie schwärmt auch von den dort angebotenen Themen. Nie sei es langweilig, stets gehe sie mit neuen Eindrücken nach Hause. Zum Ende des Gespräches sagt sie, ein weiteres Ehrenamt sollte noch von mir unbedingt erwähnt werden: Weit über acht Jahre schon wirkt sie auf Vorschlag des Kulturbunds Treptow, als Seniorenvertreterin beim Sozialamt Treptow-Köpenick, um die Interessen und Nöte ihrer Generation mit zur Sprache zu bringen. Vielleicht sind gerade diese Offenheit und ihr Zugehen auf neue Begegnungen Gründe genug, dass Helga Stolzenburg Langeweile und Einsamkeit nicht kennt. Sie meint, die ehrenamtliche Arbeit helfe ihr auch, gesundheitliche Beschwerden „wegzustecken“. Herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag, viele gute Wünsche für ein langes, aktives Leben.