Ein Blick aus dem Fenster

Armin Hottmann

Der in Berlin vor wenigen Wochen pompös (und mit riesigem Polizeiaufgebot) gefeierte fünfzigste Jahrestag der römischen Verträge gab jedem erneut die Möglichkeit über das Für und Wider der Europäischen Union zu reflektieren. Für den Kulturring hat sich die Förderung aus Brüssel in den letzten 8 Jahren als Unterstützung seiner medienpädagogischen Vision bewiesen. Damit konnte er sich über die Jahre gemeinsam mit Kollegen aus Europa weiterentwickeln und innovative Bildungsinhalte produzieren. Auch die Neuauflage der europäischen Lehrerfortbildung im Kulturring-Domizil in der Ernststraße in der Osterwoche 2007 war nur durch die Unterstützung der EU möglich.

Zehn Lehrerinnen und Lehrer aus zehn europäischen Ländern machten sich auf den Weg nach Berlin, um dort während einer Woche mehr über die Wichtigkeit und Dimension der Medienpädagogik innerhalb des Schulcurriculums zu erfahren. Mit kurzen Inputs und vielen praktischen Aufgaben versuchten die Organisatoren dann, Perspektiven aufzuzeigen – wie in dieser mediengeprägten Welt Unterstützung für die jungen Menschen in der Schule vor allem mit medienpraktischen Elementen angeboten werden kann. Die inhaltlichen Bausteine stützten sich auf die Erfahrungen früherer EU-Projekte, vornehmlich dem Projekt „Media Education across the Curriculum“ (www.mediaeducation.net).

Der Baustein „Ein Blick aus dem Fenster“ war die Hausaufgabe, die alle Kursteilnehmer mit nach Berlin brachten. Jeder sollte ein Foto aus einem Fenster der eigenen Wohnung oder des eigenen Hauses aufnehmen und sich Gedanken über seinen Inhalt und seine Gestaltung machen. Die Präsentation der Fotos in der Vorstellungsrunde offenbarte die Bandbreite der persönlichen, kulturellen und landschaftlichen Hintergründe der Teilnehmer. Die gemeinsame Bildanalyse half, sich der Medienpädagogik zu nähern: Welchen Eindruck vermittelt das jeweilige Bild? Wie wurde es aufgenommen? Welche Wohnung verbirgt sich hinter der Kamera?

Ina Alm vom zentralen Pädagogikinstitut in Malmö übernahm den zweiten Kurstag und präsentierte mit dem „Digital-Storytelling“-Workshop eine Erzählmethode für die Schule. Dabei werden kurze persönliche Geschichten mit dem Mikrofon aufgenommen und anschließend entweder mit Fotografien oder kurzen Videosequenzen bebildert. „Mein erster Eindruck in Berlin“ war dann die praktische Anwendung, die jeweils zu zweit entworfen, aufgenommen, produziert und analysiert wurde. Dabei gab es zusätzliche Unterstützung für den digitalen Videoschnitt.

Alan Taylor, ein Absolvent der Londoner Filmschule, problematisierte in seinem Part die Inszenierung von kurzen Filmscripts mit Hilfe von Storyboards und Kameraplänen und motivierte alle, sich mehr Gedanken über die Bilderfolge in den Spielfilmen zu machen. Fünf Zweiergruppen verfilmten ein einseitiges Drehskript im Haus der Ernststraße und analysierten anschließend die unterschiedlichen Bildabfolgen – selten gab es während einer Fortbildung so viel zu lachen wie bei dieser Aufgabe.

Der Baustein „Geschichtsmomente in Berlin“ untersuchte, inwieweit Geschichte mit Medien vermittelt werden kann und welche alternativen Standpunkte durch kurze Videos gemeinsam mit Schülern produziert werden können. Ein Filmabend mit Beispielen verschiedener Medienprojekte lieferte weitere Ideen für den Unterrichtsalltag.

Das Interesse an den Erfahrungen mit der Videotechnik als medienpädagogischem Werkzeug ist weiterhin sehr groß. Auch wenn inzwischen viele Teilnehmer mit Technikerfahrungen die Fortbildung antreten, so gibt es doch viele spezifischen Fragen bezüglich der technischen Feinheiten, der Struktur von Medienprojekten mit wenig Technik und großen Klassen und der möglichen Vernetzung mit anderen Schulen und Projekten. Die Publikationen und DVDs des Kulturrings liefern hier inzwischen auch einen breiten Einstieg mit vielen Konzepten, Ideen und Beispielen.

Heute hat mich ein Email aus Estland mit der frohen Nachricht erreicht, dass in der dortigen Schule ab dem kommenden Schuljahr zusätzlich Zeit für Medienunterricht bereit gestellt wird. Dies motiviert, auch in Zukunft Medienpädagogikkurse anzubieten!

Zum Schluss noch ein Dank an das geduldige Team in der Ernststraße, die unter der Leitung von Marion Oehler vieles Unmögliche möglich gemacht haben und die Teilnehmer mit einer europäischen Küche vorzüglich verwöhnten.

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