Maria Borschewski: „Nein“ hört man selten von mir

Tinija Heinlein-Müller

In unserer Reihe „Eine/r von uns“ stellen wir verdiente Mitglieder und Mitarbeiter des Kulturring in Berlin e. V. vor. Heute: Maria Borschewski, geboren 1964 im Kaukasus. 1992 erhielt sie den deutschen Pass und arbeitete vom September 2004 bis März 2006 als Bürokraft in der Geschäftsstelle des Projektbereichs Ost.

Ich öffne die Bürotür zur Allee der Kosmonauten, und wie immer weht mir ein Hauch von „großer Bahnhof“ entgegen: Etwa ein Dutzend Mitarbeiter diskutieren in Grüppchen, entwerfen und verwerfen, schreiben oder telefonieren, die PC´s schnurren, der Kopierer rattert. Hier laufen die Fäden zusammen für die Veranstaltungen des Projektbereichs Ost, und das sind nicht wenige. Trotzdem spüre ich eher betriebsame Gelassenheit als Anspannung im Raum. Mein Anliegen wird – ebenfalls wie immer – schnell und mit einem freundlichen Lächeln erledigt, egal wie wichtig oder nichtig es daherkommt.

Das Lächeln scheint das Markenzeichen von Maria Borschewski zu sein, und es ist wohl auch ihr Zaubermittel, die Balance zu wahren. Denn oft hat sie wie ein Jongleur mehrere Bälle in der Luft zu halten: Die Aufträge vom Chef liegen auf dem Tisch, Besucher wollen rasch mal eine Auskunft, und das Telefon steht auch nicht still, weil die Plakate für X überfällig sind oder die Kostüme von A nach B geschafft werden müssen. Maria: „Ich kann schlecht sagen Nein, das passt mir jetzt nicht. Weil alles irgendwo wichtig ist, versuche ich das Nötige rasch zu organisieren und zu helfen, wo ich kann.“ Und mit einem Lächeln setzt sie hinzu: „Hier kommt eben keine Langeweile auf.“

Ich beneide sie laut um ihr sonniges Gemüt und frage, ob sie überhaupt etwas aus der Ruhe bringt. Sie überlegt nicht lange und meint, ohne die große Hilfsbereitschaft unter den Kollegen würde sie das kaum schaffen. Und einmal, ja einmal habe sie auch die Beherrschung verloren, gesteht sie leicht errötend. – Ein Kostüm für das Jolka-Fest in Hellersdorf wurde für den Auftritt gebraucht, doch ein Mitarbeiter in Marzahn meinte, sie habe ihm keine Anweisungen zu geben. Nach einigem Hin und Her habe sie einen deftigen Fluch ins Telefon gesprochen. Herr Wunder hätte erstaunt zum Hörer gegriffen und nachgefragt, wer geschafft habe, was bisher noch Keinem gelang. Hinterher habe sie sich geschämt wegen ihrer ungehaltenen Reaktion, sei aber doch froh gewesen, dass der Projektleiter in dieser Situation zu ihr hielt. ... Überhaupt sei das das Schöne am Kulturring: Jeder wird akzeptiert wie er ist, egal woher er kommt. Da sei eine große Toleranz und auch Lockerheit im Umgang zu spüren, und das gefalle ihr am meisten.

Beim Letztgenannten schwingt wohl ein wenig die besondere Situation als Aussiedlerin mit, die Maria Borschewski so beschreibt: „Als in Russland geborene Deutschstämmige habe ich seit mehr als einem Jahrzehnt den deutschen Pass, bin in dieses Land voll integriert mit Wohnung, Arbeit und Familie. Doch im Inneren bin ich halb und halb. Nicht mehr russisch und doch anders als die meisten Deutschen – von der Mentalität her und auch von den Ansichten. Unterschiede äußern sich auch darin, dass wir zu Hause eine bunte Mischung zwischen Russisch und Deutsch als Alltagssprache pflegen.“

Anfangs habe sie sich wegen ihres Dialekts geschämt und lieber geschwiegen als sich an Gesprächen zu beteiligen. Als sie neu in der Geschäftsstelle war, hätten ihr vor jedem Arbeitstag Schweißperlen auf der Stirn gestanden, aus Sorge, ob das Bezirksamt oder eine andere Behörde anruft, und sie dann auch korrekt Auskunft erteilen kann. Sie habe sich dann häufig mit einem Stichwortzettel auf solche Telefonate vorbereitet und sei nach und nach sicherer geworden. Heute kann sie lachend zu ihrem Dialekt stehen, weil er einfach zu ihr gehört. „Und kommunizieren habe ich hier beim Kulturring auch gelernt,“ fügt sie hinzu. Nicht nur, dass sie sich als Bindeglied fühlt für alle, die die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen. Durch den regen Besucherverkehr in der Geschäftsstelle sei sie auch immer bestens informiert über die Höhepunkte im Kulturring, als wäre sie selbst dabei gewesen. Doch eine „Spljetniza“, ein Tratschweib, das die mitunter recht persönlichen Dinge weiter trägt, sei sie nicht. Das verstehe sie nicht unter Kommunikation, und da gibt es auch Grenzen des Tolerierbaren, meint Maria Borschewski und beugt sich wieder über ihren Schreibtisch.

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