Pflicht oder Kür,

Ingo Knechtel

die Entscheidung fiele einem Eiskunstläufer nicht allzu schwer. Vorgeschriebene Elemente möglichst perfekt darzubieten, ist reines Pflichtprogramm. Erst in der Kür zeigt sich der Meister mit all seiner Individualität und Kreativität – sein ganzes Herzblut kommt mit reichlich Emotionen und Können zum Tragen. Wie ist es aber mit der Entscheidung für oder gegen eine Pflicht für alle zum Dienst für unser Land, worüber gerade intensiv diskutiert wird? Der Einsatz wird doch gebraucht, oder? Aber sollten wir uns nicht fragen, ob hier Zwang zu dem erhofften Ergebnis führen wird? Was hilft ein Dienstleistender, der sein Pflichtprogramm abwurzelt, ohne mit dem Herzen wirklich dabei zu sein? Und die Frage, was tust Du denn eigentlich für Deinen Staat, sollte die sich nicht umgekehrt stellen, wenn wir berücksichtigen, dass der Staat Dienstleister für die Bürger ist? Denn was versteckt sich hinter der Diskussion anderes, als das Versagen des Staats, oder wenn wir es weniger dramatisch ausdrücken wollen, dessen Versäumnisse in Bildung, Pflege, im Sozialen möglichst schnell auszugleichen, ohne das Übel wirklich bei den Wurzeln zu packen? Ohne den Einsatz von Freiwilligen geht in unserem Land nicht mehr sehr viel, das gestehen die meisten ein. Soll mit der Dienstpflicht nun zum Beispiel auch der Pflegenotstand behoben werden? Die Frage der leistungsgerechten Bezahlung stellt sich ja dabei nicht. Und der Druck von Trumps War Lords nach mehr Militär besonders in Deutschland wäre mit einer Rückkehr zur Wehrpflicht auch aus der Welt. Verkauft wird das Ganze als ein Segen für das Land, dem auch so mancher Geistliche gern zustimmen mag! Vielleicht wollte aber auch nur jemand in der Sommerzeit einen Versuchsballon starten. Aber so einfach abtun sollten wir die Diskussion nicht. Seit 2011 gibt es den Bundesfreiwilligendienst in diesem Land, der als Reaktion auf die Aussetzung der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes geschaffen wurde. Er ist seitdem eine Erfolgsgeschichte und heute eine wichtige Säule des breiten bürgerschaftlichen Engagements auf vielen Einsatzgebieten. Und er wird auch beim Kulturring rege genutzt. Die Kontingente sind oft nicht ausreichend. Wir sollten angesichts der Forderungen nach einer Dienstpflicht nicht damit nachlassen, auf die Stärkung und Ausweitung gerade des freiwilligen Dienstes zu drängen! Denn die Bereitschaft, für die Gemeinschaft Gutes zu tun, ist zum Glück weit verbreitet und für viele Menschen auch bis ins Rentenalter eine Kür, die manch einer sogar mehrmals mit Bravour und Leidenschaft absolvieren möchte.

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