Unterwegs mit Concerto Brandenburg

Wolfram Haack

Frederic Ogden Nash schrieb den Text zu einem Song für das Broadway-Musical „One Touch of Venus“ von Kurt Weil, das 1943 uraufgeführt worden ist. Der Song trägt den pragmatischen Titel „Speak Low“ und handelt davon, wie die Zeit für Liebende scheinbar schneller vergeht, als um sie herum. Für meine Arbeit im Orchesterbüro in der Friedrichstaße leihe ich mir immer gern das folgende Zitat aus dem Weill-Song:
I feel wherever I go that tomorrow is near, tomorrow is here and always too soon… Es gibt eine schöne Aufnahme im Internet, die Kurt Weill, sich selbst begleitend, singt.

Apropos Internet, besuchen Sie uns doch mal auf unserer Webseite www.concerto-brandenburg.de. Da gibt es alle Informationen über das Orchester und unseren Freundeskreis und noch mehr gute Musik – Alte Musik für moderne Ohren!

Das Jahr 2018 ist so unglaublich schnell vergangen für Concerto Brandenburg, und ich gestehe, dass ich in den Kalender schaue und staune: 2018 – Concerto Brandenburg wird 20.

Die Klänge von Richard Strauss’ Bläserserenade aus dem Silvesterkonzert 2017 noch im Ohr, begann das Jubiläumsjahr für Concerto Brandenburg im März in der Marktkirche Clausthal im Oberharz. Es lag noch meterhoch Schnee, und ich hatte die falschen Schuhe mit. Die Busfahrt war auf dem letzten Stück am Berg das reinste Abenteuer. Die blaue Holzkirche der alten Bergarbeiterstadt Clausthal, in der wir Heinrich Grauns Passionsoratorium „Der Tod Jesu“ aufführten, war eigentlich zu kalt zum Musizieren. Die Spielfreude von Concerto Brandenburg war allerdings um so heftiger, der Dank des Publikums mehr als herzerwärmend.

Ende März gab es J. S. Bachs Matthäus-Passion in Lüneburgs ehrwürdiger St. Johannis-Kirche. Mit Kirchenmusikdirektor Joachim Vogelsänger und dem Chor von St. Johannis verbinden uns eine langjährige Freundschaft und eine exzellente musikalische Zusammenarbeit. Doch der Bus blieb auf der Autobahn kurz vor Lüneburg stecken. Noch im Stau, erzählte mir ein Urgestein des Orchesters, dass ich mir keine Sorgen machen solle, bei der letzten Matthäus-Passion in Lüneburg sei das schon mal passiert. Dennoch war ich eher unentspannt. Die Probenzeit ist ohnehin knapp bemessen, und 14 Musiker kamen zu spät. Solisten mussten umbestellt, der Probenplan vom Dirigenten in letzter Sekunde angepasst werden. Dennoch blieben von den Violinen bis zur Pauke alle hochkonzentriert bei der Sache. Eine bewegende musikalische Klarheit breitete sich schon auf den Proben und später im Konzert aus. Man wurde das Gefühl nicht los, man könne Bach gerade ein wenig über die Schulter schauen. So muss es sein in der Alten Musik.

Nach dem Konzert ist vor dem Konzert; Anfang Mai gab es gleich zwei Konzerttermine in Berlin und Potsdam – Bach und Buxtehude zusammen mit einem großartigen Chor, den vocal concertisten. Auch mit ihnen und ihrem hochverdienten musikalischen Leiter Prof. Kristian Commichau arbeitet Concerto Brandenburg lange und fruchtbar zusammen. Mitte Juni schon folgte ein großes romantisches Opus: Mendelssohns Sinfoniekantate „Lobgesang“ sollte gleichzeitig das letzte große Konzert vor umfangreichen Restaurationsarbeiten in der alten Ratskirche von St. Nicolai zu Stralsund werden. „Alles was Odem hat“ schmetterten der Chor und unsere Posaunen - dann sprang beim Konzertpublikum der entscheidende Funke über! Der überwältigende Schlussapplaus setzte nach vier Sekunden absoluter Stille ein und wollte nicht enden. Ein sicheres Zeichen für die berührende Nähe, die ein großartiges Publikum und die Konzertierenden gemeinsam erleben konnten.

Planung ist die halbe Miete, und das sollte sich auszahlen: eine Premiere Ende Juni, Anfang Juli, Mecklenburgische Seenplatte, das erste Musikfestival BEI Wu, am weißen See in Wesenberg. Zwei Konzerte an zwei Tagen mit riesengroßem Orchester in einem riesengroßen Konzertzelt extra für uns. Anreise, Übernachtung, leibliches Wohl der Musiker waren zu bedenken, und nicht zuletzt ein Konzertprogramm, das begeistern sollte. Erlauben sie mir bitte den Ausdruck, das war ein logistischer Brocken für den künstlerischen Leiter, den Veranstalter und das Orchestermanagement! Nach einjähriger intensiver und teilweise aufreibender künstlerischer Vorarbeit dann das lang ersehnte und so hart erarbeitete Resultat: Ein Konzert der Superlative!

Mitten in der zauberhaftesten Natur der Mecklenburgischen Seenplatte, als ob sie für diesen Ort geschaffen wären, erklangen barocke und klassische Meisterwerke von Telemann, Händel, Mozart und Beethoven. Bei den Proben in Berlin elektrisierte unsere Musikerinnen und Musiker die Arbeit mit der australisch-britischen Komponistin Sadie Harrison an der Uraufführung ihrer neuen Komposition für Concerto Brandenburg. Ein weiter Ausflug in die zeitgenössische Musik. All das zusammen hinterließ schließlich einen beglückten Veranstalter, das enthusiasmierteste Konzertpublikum, das man sich vorstellen kann und viele durch die herzliche Gastfreundschaft auf dem Musikfestival BEI Wu beeindruckte Orchestermusiker. Kontakte wurden geknüpft und gefestigt, auch das Wetter spielte an beiden Tagen nur heitere Töne.

Und nun? Ist es wirklich schon soweit? Ja. Deshalb hier folgendes Telegramm an unser wertes Publikum und all die unermüdlichen Freunde und Helfer im Kulturring in Berlin. e.V., die Concerto Brandenburg seit 20 Jahren begleiten: Das Silvester-Festkonzert 2018 naht – Wir fühlen uns geehrt, zu annoncieren:
Die Solistin des diesjährigen Silvester-Festkonzerts von Concerto Brandenburg ist Mandy Fredrich. Sie sang unter anderem die „Königin der Nacht“ in Mozarts „Zauberflöte“ bei den Salzburger Festspielen unter Nikolaus Harnoncourt, tritt in Galakonzerten am Teatro alla Scala in Mailand auf und war „Marguerite“ in Frank Castorfs fulminanter Neuinszenierung der Oper „Faust“ von Charles Gounod - um nur ganz wenige Höhepunkte dieser außergewöhnlichen Karriere zu nennen. Sie ist Ensemblemitglied der Stuttgarter Staatsoper und unsere Solistin im Silvester-Festkonzert 2018 von Concerto Brandenburg. Mandy Fredrich stammt aus dem Brandenburgischen Bad Belzig und rockt die Opernbühne. Im Dezember können sie die außergewöhnliche Koloratursopranistin und ihre übrigens auch herausragenden musikdarstellerischen Fähigkeiten an der Staatsoper unter den Linden erleben. Dort wird Mandy Fredrich vor Berliner und internationalem Publikum die „Marzeline“ in Beethovens großer humanistischer Oper „Fidelio“ geben. Am Silvestertag in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche musiziert sie dann mit uns Mozart, und zwar die beiden Arien der „Fiordiligi“ aus der Oper „Cosi fan tutte“.

Ein weiterer Höhepunkt des diesjährigen Silvester-Festkonzerts von Concerto Brandenburg ist die Sinfonie Nr. 2, D-Dur, op. 36 von Ludwig van Beethoven. Unter der Leitung von Christian-Friedrich Dallmann interpretiert Concerto Brandenburg das Werk, mit dem der Komponist gegen seine beginnende Taubheit aufbegehrte. Außerdem auf dem Programm: Die Ouvertüre zur Oper „Lucio Silla“ und der langsame 2. Satz der Sinfonie Nr. 29 , KV 201, von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Zugabe ist auch große Oper und wird selbstverständlich an dieser Stelle noch nicht verraten!

Ich freue mich auf Sie und Ihre Lieben beim Silvester-Festkonzert 2018 und übermittle Ihnen die herzlichsten Grüße des Orchesters und die besten Wünsche für ein erfolgreiches neues Jahr!

Eintrittskarten: 28/erm. 18 € Einheitspreis auf allen Plätzen / freie Platzwahl - Vorverkauf: AURIS Musik Management oder in der Gedächtnis-Kirche, Online-Bestellformular auf www.auris-berlin.de, Tel. 030 / 61 28 04 61.

 

 

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