„Nicht soviel labern“,

Ingo Knechtel

hatte Dr. Beate Reisch als den für sich wegweisenden Arbeitsstil im Jahr 2006 benannt. Irgendwie stimmig für sie war dann auch ihr Schritt, ihr Rückzug Anfang September dieses Jahres. Für die KulturNews im Oktober war es nur eine kurze Meldung, zu überraschend war die Nachricht doch für viele. Dr. Beate Reisch war auf eigenen Wunsch, wie es hieß, als Vorstandsvorsitzende des Kulturring in Berlin e.V. zurückgetreten und damit aus dem Vorstand des Vereins ausgeschieden. Der kurz formulierte Satz des Danks seitens des Vorstands und der Geschäftsführung des Kulturrings für das Engagement der ehemaligen Vorsitzenden verdient es, an dieser Stelle in eine etwas ausführlichere Würdigung und einen Rückblick auf die vielen Jahre des Einsatzes von Beate Reisch zu münden.

Das „Labern“ war in der Tat nicht ihr Ding. Beate Reisch ist seit den 1970er Jahren Mitglied im Kulturbund, hat in all den Jahren viel Praktisches und Nachhaltiges geleistet. Das begann schon, als sie als wissenschaftliche Assistentin an der Akademie der Künste arbeitete und gemeinsam mit dem Kulturbund Ausstellungen zu Johannes R. Becher, Bertolt Brecht und Hanns Eisler vorbereiten half. Schon von Kindheit an auf der Suche nach geistiger Nahrung, wurde Beate Reisch mit unzähligen Büchern groß, sie waren immer ihre liebsten Begleiter. Als gelernte Verlegerin und langjährige Leiterin einer renommierten Buchhandlung in Potsdam-Babelsberg lernte sie Günter Reisch von der DEFA kennen, gemeinsam waren sie auch zum Kulturbund Treptow gekommen. „Nebenher“, so ihre Worte, absolvierte sie ein Philosophie-Studium an der Berliner Humboldt-Universität und ihre Promotion zu Jean-Paul Sartre. Blendet man einmal viele Jahre dazwischen aus, so sagt allein der Fakt, dass Beate Reisch am 1. Juli 1996 als ABM-Projektmanagerin im Forum Neue Kultur des Kulturrings zu arbeiten begann, viel aus über Lebensgeschichten zur Wendezeit in unserem Land. Der Kulturring wurde für Beate Reisch zur Heimat. Das führte von der Organisation diverser internationaler Projekte, wie eines Japan-Festes im Rathaus Köpenick, über eine Vielzahl von Lesungen und Prominentenabenden bis zur regelmäßigen Teilnahme an den Auftritten des Kulturrings auf den evangelischen Kirchentagen. Sie scheute die Verantwortung zu keiner Zeit, wurde dann auch 1999 Vorstandsmitglied des Vereins und ab 2003 stellvertretende Vorsitzende. Als der langjährige Vorsitzende Dr. Schewe 2015 ausschied, erhielt sie das Vertrauen der Mitglieder und wurde ohne Gegenstimme einhellig zur Vorsitzenden gewählt, eine Entscheidung, die die Mitglieder 2017 bekräftigten. Da hatte Dr. Reisch schon einige Stürme in der Vorstandsarbeit bewältigt.

Der engagierten Persönlichkeit Beate Reischs würde man nicht gerecht, wollte man nicht auch ihr Wirken in der Friedrich-Wolf-Gesellschaft erwähnen. Sie gehört zu ihren Gründungsmitgliedern und damit auch zu den Rettern des Friedrich-Wolf-Hauses in Lehnitz und seines Archivs.

Ein wichtiger Begleiter von Beate Reisch in all ihren Jahren im Kulturring war sein heutiger Ehrenvorsitzender Dr. Gerhard Schewe. Über seine Nachfolgerin im Vereinsvorsitz äußerte er sich gegenüber den KulturNews wie folgt: „Ich kannte und schätzte sie als Vorstandsmitglied, als meine Vertreterin und meine Nachfolgerin. Wir verstanden uns auf Augenhöhe, wie man heute so sagt. Frau Dr. Reisch war kommunikativ, zuverlässig, kompetent. Sie brachte - auch aus früherer Tätigkeit (u.a. für die Friedrich-Wolf-Gesellschaft) - einen gewaltigen Schatz kulturellen Wissens mit, das sie in unterschiedliche Kulturring-Projekte einfließen ließ.

Sie war sehr auf Harmonie bedacht, damit aber auch besonders verletzlich, was die Begründung für ihren Rücktritt ahnen lässt. Dieser Schritt, den wir zutiefst bedauern, war vielleicht übereilt, aber doch auch irgendwie symptomatisch. Die ‚alte Garde’ zieht sich zurück, weil sie nicht mehr imstande oder gewillt ist, sich den rauer gewordenen Stürmen unserer Zeit auszusetzen.

Jeder ist ersetzbar, wird oft etwas leichtfertig oder auch anmaßend geäußert. Das stimmt vielleicht, auf eine austauschbare Person bezogen, nicht aber auf eine unverwechselbare Persönlichkeit mit all ihren Erfahrungen, Überzeugungen, Traditionsbezügen usw. In der Hinsicht wird Beate Reisch uns fehlen.“

In ihrer Rückrittserklärung hatte Beate Reisch bekräftigt: „Meine Tätigkeit für unseren gemeinnützigen Verein war stets auf sein Wohl und seine weitere Entwicklung gerichtet.“

Von einer Journalistin vor 12 Jahren nach ihren Zielen befragt, sagte sie, sie wolle „diesen Verband nach Kräften stärken, der vielen so wie mir eine Heimat gibt.“ Sie hat dies unermüdlich mit ganzer Kraft in all den Jahren getan. Möge sie auch in Zukunft ihrem damals formulierten Credo treu bleiben: „Ich finde ganz beachtlich, wie der Kulturring mit unzähligen Veranstaltungen und Projekten in Ost und West unser Kulturerbe pflegt und damit Möglichkeiten bietet, die eigene Identität zu wahren. Dazu gehört das kritische Hinterfragen der Geschichte ebenso wie das Neugierig-Sein auf andere Kulturen und Lebensentwürfe. Und nicht zuletzt will ich mit meinem Engagement andere ermuntern, sich niemals dem vermeintlichen Schicksal zu ergeben. Das ist mein Credo.“

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