Homosexuelle Männer in Frauenkleidern, Transvestiten und Transgender waren von Anfang an Teil der 1997 begonnenen Forschungen im Projekt Rosa Winkel, ihre biografischen Daten sind in den Datenbanken des Kulturrings dokumentiert. In der Ausstellung „Ausgrenzung aus der Volksgemeinschaft – Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit“ und auf der Website rosawinkel.kulturring.berlin ist bis heute jedoch nur eine einzige Biografie, Rudolf Knoll genannt Ruth, zu diesem in der Öffentlichkeit wenig bekannten Thema der Verfolgung durch die Berliner Homosexuellendezernate bei Kripo und Gestapo veröffentlicht worden.
Dies sollte sich ändern, und so lasen Dr. Carola Gerlach, Vorsitzende der AG Rosa Winkel beim Kulturring, und der Autor dieses Beitrags im Juli 2018 mit großem Interesse eine Ausschreibung der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Ihr Ziel war die Förderung von Mikroprojekten, die der Erforschung, Erinnerung und Sichtbarmachung der Geschichte von LSBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intersexuelle Menschen) dienen. Antragsberechtigt waren ausschließlich öffentliche und private Institutionen, Vereine sowie fachspezifische Interessengemeinschaften mit Erfahrung und Kompetenz auf dem Gebiet der LSBTI-Forschung und -Erinnerungskultur.
Es war genau das richtige Thema für die AG Rosa Winkel, denn sie konnte nicht nur auf dem Forschungsgebiet der Verfolgung homosexueller Männer mit der fast 60 Tafeln umfassenden Ausstellung und den mehr als 10.000 Datensätzen in der Justizdatenbank erstklassige Referenzen vorweisen, auch die auf rosawinkel.kulturring.berlin publizierten Ergebnisse der Lesben-Forschung finden große Anerkennung.
Also hat sich der Kulturring bei der Senatsdienststelle um die Förderung des Mikroprojekts „Verfolgungsbiografien NS-Zeit erforschen“ mit dem Schwerpunkt Biografien von Transvestiten/Transgender und lesbischen Frauen beworben. Im Oktober fiel dann die Entscheidung – von 11 eingegangen Anträgen konnten lediglich zwei die strengen Anforderungen der Ausschreibung der Senatsstelle erfüllen. Das Team der AG Rosa Winkel vom Kulturring war eines, das den Zuschlag erhielt!
Nach dem viel zu frühen Ableben von Frau Dr. Gerlach, die am 30.09.2018, kurz vor Bekanntgabe der erfreulichen Senatsentscheidung verstarb, entschied sich die AG Rosa Winkel, das Mikroprojekt mit vereinten Kräften in ihrem Sinne zu realisieren. Alle Beteiligten sind sicher, es wäre ihr Herzenswusch gewesen. Dies betraf auch die Übernahme der Leitung der AG Rosa Winkel durch Andreas Pretzel in ihrer Nachfolge. Vor allem für die aktiven Mitglieder der AG Rosa Winkel bedeutete die Umsetzung der Projektvorgaben eine Menge zusätzlicher Arbeit in einem äußerst eng gefassten Zeitrahmen, denn eine Förderbedingung war, dass das Projekt noch im Jahr 2018 abgeschlossen werden musste. Dies betraf insbesondere auch die 15 neu zu recherchierenden und zu schreibenden Biografien von Transvestiten/Transgender und lesbischen Frauen im Nationalsozialismus. Bei der Realisierung der Biografien, recherchiert aus den Polizei- und Justizakten des Landesarchivs Berlin, wurde der Autor tatkräftig von den Projektmitarbeitern*innen Bernd Urbicht (Aktenerfassung und -auswertung), Kathrin Reh (Texterfassung) und Detlef Strunk (HS-Treffpunkte und Adressenrecherche) unterstützt.