Friedrichshain-Kreuzberg

Astrid Lehmann

Wenn ich über die Arbeit des Kulturring in Friedrichshain-Kreuzberg berichte, dann fallen mir zuallererst Projekte zu geschichtlichen Themen und die Arbeit mit Künstlern jeden Alters ein.

Heute noch kann man unter den Publikationen des Vereins das „Gedenkbuch für die Opfer des Holocaust“ finden, ebenso wie Informationen zur Geschichte des Jüdischen Kulturbundes. Zu unserem Portfolio gehören viele kleine Heftchen, in der Reihe die „Stadtwanderungen“, zum Beispiel entlang der Karl-Marx-Allee, der Frankfurter Allee oder der Warschauer Straße.

Als es darum ging, Schaufenster mit künstlerischen Arbeiten zu beleben, beteiligten sich viele Gewerbetreibende und Künstler, bei der 1. Kunstmeile 1998 zirka fünfzig.

Großes Interesse sowie das spannende Gebiet rund um das Frankfurter Tor führten uns zu der Idee, Kunst und Künstler in einem größeren, verbindenden Kontext zu präsentieren. Der Name „Kunstkreuz“ war geboren, und im Jahr 2000 fand das 1. Kunstkreuz, begleitet von der 3. Kunstmeile, statt, welche in den folgenden Jahren mehr und mehr integriert wurde.

Ein Highlight des ersten Kunstkreuzes war der Skulpturenpark an der Kreuzung um das Frankfurter Tor. Der drei Meter lange weiße Hase von Harald Müller gewann die Aufmerksamkeit der Passanten und machte das Projekt zum Thema in vielen Medien. Sponsoren stellten uns große Flächen in damals nicht genutzten Geschäften, u.a. in der Frankfurter Allee, zur Verfügung. So war vieles realisierbar, von kleinen Grafiken bis zu großen Bildhauerwerken. Ein breites Publikum interessierte sich auch für Lesungen, Filme, Diavorträge und Führungen zu historischen Themen und Podiumsgesprächen. Bei dem Film „Flüstern und Schreien“ von Roland K. Gernhard oder der Lesung mit Inge Heym aus ihrem Buch „Leute aus unserer Straße“ waren die Veranstaltungsräume überfüllt.

Da die Nachfrage von Künstlern stetig wuchs, war allen klar, das Kunstkreuz muss nun jährlich stattfinden. Der Wunsch nach einem inhaltlichen Schwerpunkt wurde lauter, der den Rahmen für alle Aktionen festlegen sollte. Vom vierten Kunstkreuz an schlug nun jedes Jahr eine Künstlergruppe ein Motto vor. Themen wie: „Für Frieden und Gerechtigkeit, Künstler engagieren sich“, „Grenzfälle, Grenzwerte“, „Zusammen Leben“, „Die Freiheit, die ich meine“ oder „Visionen“ machen deutlich, dass es im Kunstkreuz nicht nur um aktuelle politische Fragen ging. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg spielte stets auch das Miteinander verschiedener Kulturen eine große Rolle. Das Gestische Theater, ein international besetztes Pantomimentheater, trat in der Alten Feuerwache auf. Der Tänzer Hristo Botev organisierte einen Tanzwettbewerb und der Kunstverein Mal-Heure stellte die Arbeit seiner Mitglieder und Projekte mit jugendlichen Sprayern vor.

Eine enge Zusammenarbeit verband uns mit Schulen im Bezirk. Mitarbeiter waren unter anderem in der Ferdinand-Freiligrath-Schule, in sogenannten Arenen tätig. Dort beschäftigten sich die Schüler unter Anleitung auf Gebieten wie Fotografie, Tanz, Akrobatik oder Theater. Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden im Rahmen verschiedener Kunstkreuzaktionen, u.a. in der Fotogalerie Friedrichshain, gezeigt. Dort stellten auch Schüler der Bildhauerwerkstatt der Hector-Peterson-Schule ihr Können vor.

Der immer geringer werdende Leerstand rund um's Frankfurter Tor führte dazu, dass für das Kunstkreuz immer weniger Räumlichkeiten zur Verfügung standen.

Für das 10. Kunstkreuz, mit dem Thema „Visionen“ reichte der Platz an diesem Ort nicht mehr aus. Wir erhielten die Möglichkeit, die Arbeiten der Künstler im „Alten Urbankrankenhaus“ (Kreuzberg) zu präsentieren. Für das 11. Kunstkreuz lud uns der „Kunstraum Bethanien“ ein.

Viele Künstler, für die die Teilnahme an die besondere Lage des Frankfurter Tores geknüpft war, verloren das Interesse. Auch für die Besucher, besonders auch das „Laufpublikum“, war die Konzentration auf nur einen Ort offensichtlich nicht mehr so interessant. Der Aufwand für die Durchführung des Kunstkreuzes war für uns nicht mehr vertretbar. In der Folge nahm der Bezirk nun wieder mit Künstlern und Einrichtungen aus dem Umfeld der Warschauer Straße und des RAW-Geländes, noch einige Male an der „Langen Nacht der Bilder“ teil, die vom Bezirk Lichtenberg mit dem Kulturring ausgerichtet wurde.

Im Laufe der Jahre gab es viele Projekte in Friedrichshain-Kreuzberg, die eindrucksvoll darstellten, wie positiv sich migrantisches Leben auf uns alle auswirken kann. Die Kreuzberger Theaterszene wurde analysiert, ein Film über drei Generationen von türkischen Frauen erstellt, und es fanden Veranstaltungen statt, in denen wir die Vielfalt von Traditionen, Religion und Kultur der jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenlernen konnten. Ein Projekt möchte ich hier noch erwähnen, das in mehreren Berliner Bezirken durchgeführt wurde, die Tour-Tips. Beschäftigte dieser Projekte liefen systematisch Straßen ihres Bezirkes ab, sammelten Informationen über sehenswerte Architektur, Gedenkorte, Grünanlagen, fotografierten und schrieben dann erläuternde Texte. Die daraus entstandenen Flyer konnten selbst ausgedruckt und für eigene Rundgänge genutzt werden. Die langjährige Arbeit des Kulturring wurde zu unserer Freude von allen Bürgermeistern, die in der Zeit seit Gründung des Kulturring den zwei, später auch dem vereinigten Bezirk vorstanden mit Interesse begleitet und oft unterstützt. Ich denke, auch diese, unsere Projektarbeit hat dazu beigetragen, dass Friedrichshain-Kreuzberg ein Bezirk mit viel Kultur und sozialem Engagement geworden und geblieben ist.

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