Tour 30: Fotogalerie Friedrichshain und Medienpoint Friedrichshain

Udo Holländer

Das Ringprojekt TOUR 30 aus Anlass des 30-jährigen Bestehen des Vereins geht weiter. Nach den Interviews in der Galerie GISELA und mit dem Studio Bildende Kunst bin ich nun verabredet mit Felix Hawran, dem Leiter der Fotogalerie Friedrichshain und des Medienpoints.

Die Fotogalerie am Helsingforser Platz hat eine lange Geschichte. Wo anfangen? Zunächst einmal: es ist eine erfolgreiche Geschichte, die bis in die Zeit der DDR zurückreicht. Als erste und lange Zeit einzige kommunale Galerie für Fotografie in Berlin fanden hier seit ihrer Gründung 1985 immer wieder bemerkenswerte Ausstellungen statt. Ihr thematischer Schwerpunkt liegt bis heute auf engagierter sozialdokumentarischer Fotografie.

Zu Beginn meines Gesprächs mit Felix fielen als erstes die Stichwörter Sparen, Sparen, Sparen - und zwar bis es quietscht. So in etwa zitiert er die Worte des damaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (wie aktuell doch diese Debatte heute im Jahr 2024 wieder ist!). Als die Galerie im Jahr 2000 aus der kommunalen Förderung gestrichen werden sollte, bewarb sich der Kulturring daraufhin erfolgreich beim Bezirk als neuer Träger. Zunächst ging es nur um die personelle Sicherung, deren Finanzierung der Kulturring übernehmen konnte, die Miete zahlte vorerst weiterhin der Bezirk. Später konnte dieser die Miete nicht mehr aufbringen, und der Kulturring hat auch diesen Teil übernommen. Seitdem kann die Fotogalerie mit Hilfe der geförderten Projekte und der relativ günstigen Miete weiter bestehen. Damit war die Kontinuität der Kulturarbeit gesichert. Das hat sich bis heute nicht geändert. Die erste vom Kulturring organisierte Ausstellung war „Die Gegend des Autentismus“ von Stanislaw Kulawiak. In Erinnerung geblieben sind auch die erfolgreichen Fotopräsentationen u. a. von Harald Hauswald, Danila Tkachenko, Ann Christine Jansson, Eva Siao und Ludwig Rauch. Seit der ersten Veranstaltung des Europäischen Monats der Fotografie Berlin (EMOP) war die Fotogalerie bei jeder Ausgabe mit Ausstellungen vertreten. 30 Jahre erfolgreiches Bestehen in der Berliner Kunstszene wurden 2015 dann auch folgerichtig mit einer großen Retrospektive im Beisein des Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) gefeiert. Was sich durch die Jahrzehnte ebenfalls bewährt hat: Ein unabhängiger künstlerischer Beirat, dem die Kunsthistorikerin und Galeristin Dr. Gabriele Ivan, sowie Michael Nungesser (†) und Harald Hauswald, Mitbegründer der Bildagentur OSTKREUZ und wichtiger Dokumentarist der Berliner Fotogeschichte, angehörten und angehören. In dieser Zusammensetzung ist der Beirat Garant für eine kontinuierlich hohe Qualität und Ausgewogenheit der Ausstellungen. Projekträume wie die Fotogalerie gelten als wichtige Orte der städtischen Kunstszene. Belohnt wurde dieses Engagement 2018 mit einer Auszeichnung durch den Kultursenat: Die Fotogalerie wurde als einer der zwanzig „besten künstlerischen Projekträume“ geehrt.

Mittlerweile sind wir in unserem Gespräch in der Gegenwart angekommen. Ich frage Felix nach seinen derzeitigen Hauptbetätigkeitsfeldern. An erster Stelle nennt er natürlich, wen wundert´s, die Konzeption und Durchführung von Fotoausstellungen und Fotoworkshops. Als weitere ständige Aufgabe führt er seine Tätigkeit als Jobcoach für den Kulturring an. Ferner ist es ihm immer wichtig, die Präsenz der Galerie in den sozialen Medien und in der Hauptstadtkultur zu stärken. Darüber hinaus nennt er drei Projekte, die in den letzten Jahren einen größeren Raum in seiner Arbeit eingenommen haben und für den Kulturring insgesamt von Bedeutung sind: „SpurenWandler“, „beyond fifty five“ und „Kreuzberg.Mauer.Friedrichshain. 30 Jahre Wandel an der Spree“. Das erstgenannte Projekt richtet sich an ein jüngeres, digital affines Publikum, das spielerisch mit dem Handy an die jüngere Berliner Stadtgeschichte herangeführt wird. Die Förderung digitaler Kompetenz, also die Erweiterung der Medienkompetenz, steht auch im Mittelpunkt des zweiten Projekts. Es handelt sich dabei um eine schwedisch-deutsche EU-Kooperation, die sich ausschließlich mit Möglichkeiten visueller Kommunikation beschäftigt.

Im dritten Projekt sind mittlerweile fast 100 autobiografische Berlin-Texte entstanden, die den Zeitraum nach der Wende bis heute abdecken und auf der Website des Vereins veröffentlicht wurden (siehe dazu auch den Bericht „Texte des Wandels“ in der November/Dezember-Ausgabe 2023 von kultur.txt). Abgerundet wird das Programm durch Angebote des Medienpoints für die Nachbarschaft und das Laufpublikum. All dies wird derzeit von ungefähr 20 Mitarbeitern in der Galerie und dem Medienpoint umgesetzt. „Bei allem bisher Gesagten steht im Vordergrund, das Niveau der Ausstellungen konstant hoch zu halten und sie gut zu präsentieren. Gute Inhalte korrespondieren mit der Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit“. Das war die ebenso rasche Antwort von Felix auf meine nächste Frage nach den Stärken dieser Institution. Ich bin nun schon seit vier Jahren in der Fotogalerie/Medienpoint tätig und kann bestätigen: Sein Führungsstil zeichnet sich aus durch Geduld in der Vermittlung anstehender Inhalte, durch Lockerheit im Umgang miteinander sowie der Bereitschaft, Räume für selbstbestimmtes Arbeiten zu schaffen. Entsprechend hoch ist die Motivation in den jeweiligen Teams. Für ihn ist klar, dass die bereits genannten drei Projekte dafür die besten Aushängeschilder sind: Alle Beteiligten waren mit viel Spaß und Engagement dabei. Das gilt auch für mich.

Bei meiner vorletzten Frage nach den Nutzern und den wichtigsten Kontakten im Kiez sticht die einmal jährlich in diesen Räumen stattfindende Veranstaltung „Brot und Wein“ des Kulturring heraus. Es ist die einzige Veranstaltung, bei der fast alle Bereiche des Vereins zusammenfinden. Die Interviews, die ich im Rahmen von TOUR 30 führe, sollen dazu beitragen, den Leitgedanken dieser Veranstaltung zu stärken: mehr Kommunikation innerhalb der Vereinsstrukturen! Ansonsten finden hier natürlich Führungen statt, und immer wieder nutzen externe Bildungseinrichtungen und Künstler die Einrichtung auch für Arbeiten an eigenen Projekten. Und dann ist da noch die „Bewohnergenossenschaft Friedrichs­Heim eG“, in deren Räumen wir uns gerade aufhalten. Sie hält hier ihre Mitgliederversammlungen ab und ist mit der Gewährung des schon erwähnten günstigen Mietvertrages eine wertvolle Hilfe durch die Jahre. Ein Wort noch zum Medienpoint: Unbekannt ist, wieviele lesehungrige Nachbarn es wohl sind, die immer wieder mal reinschauen und dann gerne Bücher und andere Medien mitnehmen. Aber sicher ist eins: Für ein Schwätzchen ist in diesem offenen Haus immer Zeit. Wer kennt sie nicht, die langjährigen Mitarbeiter Rudi und Jindrich?

Auf meine letzte Frage nach den zukünftigen Aufgaben verweist Felix auf die Vorbereitungen zum 40-jährigen Jubiläum der Fotogalerie im August 2025. Vielleicht wird es da wieder eine Gesamtschau geben, sicher aber einen großen Bahnhof. Nicht weniger wichtig ist in diesem Jahr die Vorbereitung eines Neustarts für den Kulturstandort Baumschulenweg in Treptow. Eine große Gruppenausstellung, die Bezug nimmt auf das lokale Umfeld soll die Öffnung des Hauses in der Ernststraße einleiten. Nicht akademisch, nicht elitär, aber mit Anspruch wird auch hier weiterhin – das Credo des Kulturvereins bleiben.

Doch davon wird mehr die Rede sein, wenn im Herbst dieses Jahres die TOUR 30 mit einem Interview in der Treptower Geschäftsstelle endet.

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