Kunst in der Giselastraße 12 | Wie alles begann

Antje Mann

Erst Fleischerei, dann Galerie Münsterland, ab 1996 Galerie Ost-Art und seit 2019 GISELA – Freier Kunstraum Lichtenberg: die Giselastraße 12 kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken, an der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kulturring über die Jahre hinweg gehörigen Anteil hatten.

„Aus dem Filet wurde eine Galerie“, wurde Renate Weigt-Apitz, die erste Galerieleiterin der Ost-Art am 17. April 1996 im „Neuen Deutschland“ zitiert. Sie verwies auf den Fleischer, der hier mal Wurst und Steaks über die Ladentheke reichte, und nun würde man dort Kunst anbieten, eine eher ungewöhnliche Verwandlung eines Ortes.
In einer Festschrift zum ersten Jahr des Bestehens der Galerie Ost-Art (eröffnet am 8. Januar 1996) schreibt der damalige Bürgermeister von Lichtenberg, Dr. Wolfram Friedersdorff: „Ost-Art, eine Galerie, die sich Künstlern verpflichtet fühlt, die ihre Lebenserfahrungen in 40 Jahren eines anderen deutschen Staates sammelten. Die Reflexion dieser Erfahrungen in Werken hoher künstlerischer Qualität auch jungen Menschen zu vermitteln, dies ist das spezielle Anliegen der Galerie in der Giselastraße 12.“

Schon im ersten Jahr stellte man aus DDR-Zeiten bekannte Künstler wie Arno Mohr, Walter Womacka, Antje Fretwurst-Colberg, Jürgen Pansow und Werner Schinko aus. Es folgten bis 2018, also 23 Jahre lang, vier bis sieben Ausstellungen jährlich. Die Galerie hatte ihren Standort im „tiefen Osten“ in Berlin-Lichtenberg, da wo eher wenig Touristenbusse halten. Man wollte die Kunst dort zeigen, wo sie auch entstanden war. Gelegen in einem ruhigen Altbau-Wohngebiet im ­Weitlingkiez, schauten Passanten zunächst scheu durch die großen Schaufenster. Doch mit der Zeit und dank des beharrlichen Wirkens der Verantwortlichen vom Kulturring wurde die Ost-Art ein etablierter Kunstort, der sich zunehmend der bundesdeutschen und internationalen Kunstszene zuwandte.

Ich lernte die Ost-Art im Jahr 2005 kennen, als ich im Kulturring anfing zu arbeiten. Ich sollte nun auch für das Ausstellungsprogramm der Ost-Art zuständig sein und hatte so gar keine Ahnung von der Kunstszene. Zwar habe ich mich schon immer für die Bildende Kunst interessiert, aber als Expertin sah ich mich auf keinen Fall. Nun bekanntlich wächst man an seinen Aufgaben. Gemeinsam mit Lutz Wunder, damals Projektbereichsleiter, und engagierten Mitarbeitern im Studio Bildende Kunst konnte die Aufgabe gelingen. Im Jahr 2006 wurde das 10-jährige Bestehen der Galerie mit einem Brecht-­Lieder-Programm von Gina Pietsch mit dem Gitarristen Dietmar Ungerank begangen.

Bis 2018 war die Ost-Art auch Sitz des Kulturring-Geschäftsführers Ingo Knechtel. Mit seinem Eintritt in den wohlverdienten Ruhestand musste über den Ort neu nachgedacht werden. Armin Hottmann übernahm die Geschäftsführung, und sein Büro sollte in die Ernststraße nach Treptow verlegt werden. Was nun tun mit der Ost-Art, aufgeben, weiterführen, aber wie?

Da kam uns eine wunderbare Idee. Im Studio Bildende Kunst arbeitete damals ein engagiertes Kulturring-Team um Inge ­Gräber. Es ist seit 2018 bis heute mit der Organisation der „Langen Nacht der Bilder“ in Lichtenberg betraut, im Auftrag des Fachbereichs Kunst und Kultur des Bezirksamts Lichtenberg. Einmal im Jahr werden Orte der Bildenden Kunst des Bezirks, wie Galerien und Ateliers, eingeladen, einen ganzen Abend Kunstinteressierten ihre Türen zu öffnen und ihre Werke zu zeigen. Die Lange Nacht der Bilder wurde 2008 vom Kulturring aus der Taufe gehoben. 2023 fand die Veranstaltung bereits zum 16. Mal statt!

Nun, das Kulturring-Team aus Inge Gräber, Heinz-Hermann Jurczek und Gerhard Zaucker benötigte Platz und war bestens aufgestellt, um in der Giselastraße 12 das Organisations-Büro der Langen Nacht einzurichten. Alle drei sind bildende Künstler und kennen sich in der Kunstszene gut aus.

Aber mit nur einer, wenn auch großen Veranstaltung im Jahr kann man keinen Ort längerfristig betreiben. Eine Idee musste her. Wir trafen uns im September 2018 in der Ost-Art. Armin Hottmann und mir rauchten förmlich die Köpfe, da kam die glückliche Idee! Man hörte und las davon, dass in Berlin an verschiedenen Orten kreative Kunsträume aus dem Boden schossen, so zum Beispiel die „Neue Kunst Initiative Marzahn-Hellersdorf“ mit ihrem „Projektraum M“. Warum sollte so etwas nicht auch bei uns in der Ost-Art entstehen? Ein Kurzes Konzept „GISELA – Freier Kunstraum Lichtenberg“ war schnell entworfen und dem Fachbereich Kunst und Kultur vorgelegt. Denn eines war klar, einen Ort mit neuem Konzept zu bestücken war das eine, aber ohne öffentliche Förderung diesen zu betreiben, unmöglich. Und welche Überraschung: Frau Dr. Catrin Gocksch, die damalige Fachbereichsleiterin und heutige Stadträtin für Kultur, und Frau Almut Koch, ihre Mitarbeiterin und Verantwortliche für die Lange Nacht, stimmten zu. Sie kamen sogar, um sich die Räume anzusehen und ihre Expertise in die Entwicklung des Konzepts einzubringen. Damit verbunden war natürlich die Aufforderung an uns, einen qualifizierten Antrag zur finanziellen Unterstützung der laufenden Kosten des neuen Ortes beim Fachbereich einzureichen. Das gelang, und so konnte am 14. März 2019 der neue Kunstraum Eröffnung feiern. Mehr dazu lesen Sie auf den folgenden Seiten.

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