Tour 30: Studio Bildende Kunst

Antje Mann

Galerie und Werkstatt für künstlerische Graphik in der Villa Skupin in Lichtenberg

Kennengelernt habe ich die Villa schon vor meiner Zeit beim Kulturring. Wenn ich mich an meinen ersten Eindruck erinnere, so war ich nicht sehr begeistert von dem Haus: zu dunkel, zu alt, unsaniert, zu versteckt inmitten der Plattenbauten. Ich hätte mir nicht träumen lassen, hier einmal zu arbeiten. Aber so kam es, ich bewarb mich beim damaligen Kulturring-Chef Ingo Knechtel, und er willigte ein, dass ich bei der Betreuung der Arbeitsfördermaßnahmen in Lichtenberg half. 2005 war das Jahr, in dem die Ein-Euro-Jobs ins Leben gerufen wurden, und in Lichtenberg begann schon bald eine Maßnahme mit fünfzig Teilnehmern, der Wahnsinn! Aber wir packten an und fanden für alle eine interessante Einsatzstelle in Schulen, Kitas oder auch beim Kulturring-Projekt Pony Pedro, das im Tierpark eine Kunst-Werkstatt betrieb. Einige neue Mitarbeiter gewannen wir natürlich auch für das Studio Bildende Kunst, wo nun auch mein Schreibtisch stand. Das Haus wurde mir mit der Zeit zunehmend vertraut. Besonders abends zu den Ausstellungseröffnungen, wenn die Bilder angestrahlt wurden und die Gäste ins Haus kamen, verströmte es eine ganz eigene angenehme Atmosphäre.

Der Kulturring war erst ein Jahr zuvor, im Frühsommer 2004, in die Villa gezogen. Es gab eine Interessenbekundung im Bezirk, an der er sich beteiligte und den Zuschlag erhielt. Die Druckgrafik-Galerie sollte aus kommunaler in freie Trägerschaft wechseln. Wenn sich kein Träger gefunden hätte, wäre das Haus wohl geschlossen worden, in den Bestand des Immobilienfonds des Landes Berlin gewechselt und hätte damit zum Verkauf gestanden. Das Studio Bildende Kunst gäbe es dann vermutlich heute nicht mehr, was wirklich schade wäre, denn es blickt auf eine reiche Tradition und Geschichte zurück.

Zur spannenden Historie des Hauses empfehle ich, die Webseite des Studios www.sbk.kulturring.berlin zu ­besuchen. Nur so viel: Der Fleischermeister (wie bei der GISELA, aus „Fleisch wird Kunst“!) Paul Skupin erwarb etwa 1924 das Grundstück und ließ eine Fleischwaren- & Konservenfabrik errichten. Auch ein repräsentatives Wohnhaus wurde 1926 für die Familie gebaut – die ­Villa Skupin. Beide Gebäude blieben im Krieg unversehrt. Die Fabrik wurde ab November 1945 als Großküche für Schülerspeisung und Schweinemästerei weitergeführt. Ab Oktober 1958 gelangten Fabrik und Grundstück in den Besitz des VEB Fleisch- und Fettverarbeitung Berlin-Weißensee. Ab Anfang der 1970er Jahre wurde der Kiez um die Villa komplett umgestaltet. Neubauten wurden hochgezogen und vieles wurde dafür abgerissen. Ein kleines Wunder, die Villa blieb stehen.

Anlässlich des Jubiläums 85 Jahre Villa Skupin lud das Kulturring-Team am 9. Oktober 2010 zum Tag der offenen Tür ein. Da wurde neben kulturellen Highlights Wissenswertes aus der Geschichte des Hauses geboten. Die Gäste erhielten aus berufenem Munde, durch Nachkommen des Bauherrn der Villa Paul Skupin, Auskünfte zur Geschichte des Hauses. Die Enkelin von Herrn Skupin erklärte den Gästen die frühere Nutzung der heutigen Galerie-Räume als Schlaf-, Kinderzimmer und Salon und erzählte auch, dass die Schweine im Stall ab und zu durch ihr Quieken die Andacht in der nahestehenden Kirche St. Mauritius störten. Die Familie freute sich sehr, das Elternhaus wiederzusehen und bedankte sich dafür, dass wir die Geschichte der Villa in Ehren halten und das Haus als kulturellen Ort weiterführen.

1976 zog das Studio Bildende Kunst, eine kommunale Galerie, mit seinen künstlerischen Zirkeln in das Haus, wo bisher unter anderem ein Ernst-Thälmann-Kabinett und ein Jugendtourist-Reisebüro residierten. Das Studio Bildende Kunst ging aus dem Lichtenberger Kulturbund hervor mit dem Ziel, die Graphik-Kunst zu fördern. Kulturelle Bildung und kunsthandwerkliche Fertigkeiten zu grafischen und Druck-Techniken zu vermitteln, sind der Anspruch, dem bis heute gefolgt wird. Es gab Mal-, Zeichen- und Aktzirkel sowie Zirkel für Druckgrafiken und Keramik/Töpferei. 1985 berichtete die Berliner Zeitung von siebzehn bestehenden Zirkeln. Ausstellungen, Lesungen, Vorträge, Musikveranstaltungen und Feste ergänzten das Angebot. Eine gute Tradition wuchs durch Ausstellungen der künstlerischen Graphik, die in ihrer Qualität und Breitenwirkung legendär waren. Arno Mohr, Christine Perthen, Klaus Rähm, Werner Schinko, die Liste der im Haus vorgestellten Meister ihres Fachs ist lang. Weitere Eckdaten sind 1990 die Gründung des Vereins Berliner Grafik­freunde INVENTOR e.V. mit dem Schwerpunkt künstlerischer Druckgraphik. Seit 2006 kooperieren wir mit der Griffelkunst Vereinigung Hamburg e. V. Hervorgegangen aus langjährigen künstlerischen Kursen im Haus, gründete sich 2015 das im Studio ansässige Graphik-Collegium Berlin e. V. (https://graphik-collegium-berlin.de), das einmal im Jahr eine Graphik-Ausstellung ihrer Mitglieder und Freunde hier präsentiert, sowie Werke von Berliner Kunststudenten ausstellt.

Nun ist das Studio Bildende Kunst schon 48 Jahre in der Villa Skupin beheimatet, gegründet wurde es aber schon 1974. Wir schauen also auf ein halbes Jahrhundert seiner einzigartigen Form der Kunstvermittlung zurück! Bewahrt hat sich über die Zeit die Kontinuität und Qualität der Kurse und Workshops, unter anderem im Malen, Zeichnen und der Radierung. Sowohl langjährig Geübte als auch Anfänger finden hier ihr Refugium. Neben den regelmäßigen Ausstellungen gibt es Vorträge und Gesprächsrunden zu verschiedenen Themen der Bildenden Kunst. So werden beim monatlich stattfindenden „Galeriefrühstück“ Werke bekannter bildender Künstler, wie die der Alten Meister oder der Moderne, aber auch von zeitgenössischen Künstlern vorgestellt. Das Kunst-Café bringt in unterhaltsamer Atmosphäre Künstler bzw. eine Kunstrichtung dem interessierten Publikum im Rahmen einer „Kaffee-Plauderei“ näher. Es werden Bilder betrachtet, Hintergründe ihrer Entstehung besprochen, unterschiedliche Kunstauffassungen diskutiert sowie Fragen beantwortet und Meinungen ausgetauscht. Die Lesereihe „FrauMachtKunst“ stellt bedeutende starke Künstlerinnen-Persönlichkeiten vor, die trotz widriger Umstände, familiärer Zwänge oder damals geltender gesellschaftlicher Konventionen ihren eigenen Weg in der Kunst bestritten haben. Außerdem gibt es spannende Lesungen für Erwachsene, aber auch Märchenlesungen mit Musik für die ganze Familie.

Und dann sind da noch jährliche Veranstaltungshöhepunkte, wie die Lange Nacht der Bilder, der Tag des offenen Denkmals oder auch der Tag der Druckkunst, Familien-Kunstfeste und so weiter. Nicht immer war dieses Angebot für das verantwortliche Team vom Kulturring leicht zu stemmen. Es gab für das Studio Bildende Kunst schon ab und an finanzielle Herausforderungen zu meistern. Mit viel Einsatz engagierter Mitarbeiter und Vereinsmitglieder ging es jedoch immer weiter. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Lichtenberg, Fachbereich Kunst und Kultur, sorgt inzwischen für Stabilität und eröffnete uns gute Entwicklungschancen.

So bietet das Haus seit 2023 im Rahmen der Förderung „Netzwerk der Wärme“ verstärkt, neben den ständigen Kursen im Malen, Zeichnen und in der Radierung, eine Vielzahl gut besuchter Workshops an. Auf diese Weise können Kunstinteressierte von Jung bis Alt mit und ohne Vorkenntnisse hier Modellieren lernen, an der Staffelei die Anfänge im Malen und Zeichnen üben, Cartoons oder Mangas zeichnen, die PopUp-Technik erlernen, Textilcollagen gestalten oder Makramee kennenlernen. Dank einer guten Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Lichtenberg finden an Wochenenden Workshops zu flora­ler Kunst, zur Herstellung von Leporellos, eines Skizzenbuch oder chinesischer Stickerei statt.
Neben der Weiterführung der Traditionen gilt das Augenmerk heute immer wieder der Suche nach neuen Ansätzen und dem kreativen Wandel. Das Studio-Team freut sich über gute Ideen und Anregungen für die künftige Arbeit!

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