Vom Salon zur Musikbühne

Antje Mann

der Kulturring lädt seit achtzehn Jahren in Karlshorst zu musikalischen Länderabenden ein

Im April 2006, ich war gerade ein gutes Jahr beim Kulturring beschäftigt, kam eine Pressemitteilung mit ­folgendem Wortlaut heraus: „Unter dem Motto ‚Die Zehn Inkarnationen‘ startet der Kulturring in Berlin eine neue Veranstaltungsreihe mit Musik, Literatur, Bildender Kunst und internationaler Küche in Berlin-Karlshorst im Portland-Cement-Haus, Dönhoffstraße 38. Am Freitag, dem 21. April 2006, findet der erste Abend der literarisch-musikalischen Salon-Veranstaltungsreihe statt. Im Mittelpunkt des ‚Carlshorster Salons‘, durch den Alina Martirosjan-Pätzold führt, steht die geheimnisvoll-faszinierende Kultur des Indischen Subkontinents.“

Das gut eingeführte Veranstaltungsformat, das bereits seit 1999 im Kulturforum Hellersdorf als „Heller Salon“ und im Saal der Wohnungsbaugenossenschaft Humboldt-Uni­ver­­­sität in Hohenschönhausen seit 2004 als „Hoher Salon“ lief, sollte einen dritten Ableger bekommen.

Über zehn Jahre organisierte und moderierte unsere hoch geschätzte Salonière ­Alina Pätzold den Carlshorster Salon. Sie hatte mit ihrem unverwechselbaren Charme und Elan ein großes Stammpublikum herangezogen, das sie persönlich mit viel Herzblut ­pflegte. Zu den Abenden begrüßte sie die Gäste schon am Eingang oft mit Handschlag und ein paar persönlichen Worten. Sie unterhielt ein großes Netzwerk zu internationalen Musikern in Berlin, die sie zu Auftritten einlud. Nicht selten waren bei den Salons mehr als einhundert Gäste anwesend. Der große Zuspruch war vor allem ihrem rührigen Engagement zu verdanken, aber auch den vielen fleißigen Helfern aus den Kulturring-Teams hinter den Kulissen, die sich um das Wohl der Gäste kümmerten. Auch dank der Unterstützung vieler ausländischer Botschaften in Berlin bekamen die Salons über die Jahre viel öffentliche Aufmerksamkeit.

Ein  Höhepunkt war auf jeden Fall der „Best of 10 Jahre Carlshorster Salon“ am 1. Juli 2016, im Kulturhaus Karlshorst, wohin die Veranstaltungreihe mittlerweile gewechselt war. Zu diesem Jubiläum traten wiederum zahlreiche internationale Künstler auf. Zu ihnen gehörten die spanische Flamencotänzerin Laura la Risa mit dem Sänger und Gitarristen Carlos el Canario, der chilenische Sänger, Liedermacher und Multiinstru­mentalist Alejandro Soto Lacoste sowie die ­griechischen Musiker Aris Meliadis und Leftheris Stampouloglou.
Doch dann geschah etwas völlig Unerwartetes und Unfassbares. Im Sommer 2017 erkrankte Alina Pätzold schwer und verstarb noch im Dezember desselben Jahres. Dieser Verlust war für ihre Familie, aber auch für alle Kolleginnen und Kollegen im Kulturring sehr schmerzlich. Damit war die Ära der erfolgreichen Salon-Reihen zunächst  beendet. Niemand  aus den Reihen des Kulturrings war in der Lage, ­Alina auch nur annähernd zu ersetzen.

Im Sommer 2018 begann dennoch eine Art Wiedergeburt  für den Carlshorster Salon. In Kooperation mit Frau Dr. Catrin Gocksch, damals Fachbereichsleiterin Kunst und Kultur und heute Kulturstadträtin von Lichtenberg, gab es einen Neustart. In Anlehnung an die Salons von Alina sollte das neue Angebot Altbewährtes fortführen und neue Akzente setzen. Wieder würde Musik aus anderen Regionen der Welt eine große Rolle spielen, ebenso die Geschichte und Kultur der ­Region sowie das Kulinarische. Frau Dr. Gocksch regte an, das Format leicht zu ändern und als neue Veranstaltungsreihe im Kulturhaus Karlshorst zu etablieren. Die Carlshorster Musikbühne (CMB) war geboren und als Untertitel erhielt sie den Zusatz: „Kultur und Kulinarik aus anderen Regionen zu Gast in Karlshorst“. Schon in der ersten Veranstaltung Ende August 2018 kam mit Sinti- und Roma-Musik „Das lebendige Lebensgefühl der Freiheit“ mit der Akkordeon­istin Carmen Hey und der ­Gypsy-Swing-Gitarristin Silke Fell auf die Bühne. Sie brachten mit ihrem mitreißenden Sound den Saal förmlich zum Kochen. Die Moderation übernahm freundlicherweise Frau Dr. Gocksch mit ihrer charmanten und versierten Art.

Seit 2018 findet die CMB bis heute fünf bis sechs Mal im Jahr für jeweils sechzig bis achtzig Gäste statt. Immer ist ein Kulturring-Team mit einem Speisen- und Getränkegebot vor Ort, ein großer logistischer Aufwand, da alles an- und abtransportiert werden muss. Da dem Kulturring-Team mit der Schließung des Kulturforum Hellersdorf Anfang 2018 keine Küche mehr zur Vorbereitung der Speisen zur Verfügung stand, wird seitdem zu jeder Veranstaltung ein Catering-Unternehmen beauftragt, die Speisen zu liefern.

Nach wie vor ist das Veranstaltungsformat in der Kombination von leiblichen und musikalischen Genüssen beim Publikum beliebt und erfolgreich. Das Kulturhaus Karlshorst gehört nicht zu den Kulturring-Häusern, es ist eine bezirkliche Einrichtung, die wir nur zeitweise für Veranstaltungen nutzen. Es wird sich zeigen, inwieweit wir es in naher Zukunft schaffen werden, das Angebot dort personell abzusichern.  Derzeit ist abzusehen, dass es ab 2025 schwieriger wird, wenn nicht ein Wunder geschieht und der Kulturring bis dahin neues Personal gewinnen kann.

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