Über den Zufall in der Kunst

Markus Feiler

Warum gibt es das Wort Zufall? Was meinen wir damit? Wenn die Regeln und kausalen Zusammenhänge von Abläufen und Ereignissen verborgen bleiben, sprechen wir häufig von Zufall. Dieses Unerklärliche, das Überraschende, übt auf uns Menschen eine magische Anziehungskraft aus. Verschiedene Disziplinen der Geistes- und Naturwissenschaften widmen sich folglich dem Zufall. Auch in der Kunst steht das Thema immer wieder im Zentrum künstlerischer Fragen und Arbeiten. Eine grundlegende Frage in Verbindung mit der Kunst ist der Ablauf von kreativen Prozessen. Wie generiert sich ein künstlerischer Impuls und wie entsteht das Neue? Welchen Anteil hat der Künstler daran und inwieweit fördert der Zufall künstlerische Objektivität?

In nahezu allen Kunstgattungen setzten sich Künstler mit diesen Themen auseinander. So griff John Cage bei der Komposition des Concerto for Prepared Piano and Chamber Orchestra (1951) unter anderem auf den Münzwurf zurück. Stéphane Mallarmé spürte dem Zufall in Inhalt und Darstellung in seinem Gedicht Un coup de dés jamais n'abolira le hasard (1897) nach. Im Improvisationstheater und in zahlreichen Performances ist Zufälligkeit explizites Merkmal. Im Bereich der bildenden Kunst ist unter anderem Max Ernst zu nennen. Er nutzte aleatorische Verfahren (Zufallstechniken) wie Décalcomanie oder Drip-Painting für die Erstellung seiner Gemälde. Spannend bleibt die Frage, wie man der Zufälligkeit im Werkprozess Tragweite verleihen kann. Viele sehen in diesem Zusammenhang intuitive Aspekte als kennzeichnend an. In einem Interview mit Hans Obrist im Jahr 2007 verwies Gerhard Richter darauf, dass Zufälle nur hilfreich seien, wenn man sie bearbeite und in eine Form bringe. Wie auch immer die künstlerische Herangehensweise ausgestaltet ist, so ist der Zufall in der Kunst ein Ausdruck des spielerischen Erkundens und der Bewusstwerdung. Es ist das Nicht-Zusammenhängende, das in uns die Frage nach dem Zusammenhängenden provoziert. Im Zuge dieses Prozesses haben sich die Grenzen dessen, was wir als Zufall bezeichnen, immer wieder verschoben. Die Kunst leistet dazu bis heute einen wichtigen Beitrag.

Die Ausstellung RANDOMISED setzt sich mit dem Zufall auseinander und ist vom 15. Dezember bis 19. Januar 2024 in ­GISELA Freier Kunstraum  Lichtenberg zu sehen. Markus Feiler, geboren 1977 in Rotenburg a. d. Fulda, ist ein deutscher Konzeptkünstler. Mit seinen Arbeiten hinterfragt er Routinen und öffnet ästhetische Räume, die zum Denken, Wahrnehmen und zur eigenen Positionsbestimmung einladen. Seine Werke umfassen vor allem Objektkunst/Installationen, Fotografie und Malerei. Feilers Arbeiten sind in zahlreichen privaten Sammlungen vertreten und werden in Ausstellungen in Deutschland und im europäischen Ausland gezeigt. Er lebt und arbeitet in Berlin.

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