Schnippeln, Brutzeln und Löffel schwingen | Kultur des Essens – International

Karl Forster

Ein gutes Essen sei wie eine kleine Flucht in eine Erholungswelt voll Genuss, sagte der Fernsehkoch Christian Rach kürzlich in einem Gespräch im Deutschlandfunk und ergänzte das kulturelle Verständnis von Essen sei leider in Deutschland noch sehr jungfräulich.

Dabei ist Kochen und Essen ein wichtiger Bestandteil der Kultur eines Landes. Kein Wunder, dass auch die Redaktion vom Kulturkalender Marzahn-Hellersdorf aufmerksam wurde, als im MAXIE-Treff der WG Wuhletal, betrieben von Kulturring, im vergangenen Frühjahr eine neue Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Gemeinsam den Kochlöffel schwingen“ an den Start ging.

Die Koch-Workshops werden vom gemeinnützigen Verein Deutsch-Polnisches Hilfswerk e.V. organisiert. Und das nicht erst seit diesem Jahr. Ursprünglich hatte sich der Verein im Rahmen eines Projektes des Qualitätsmanagement Hellersdorfer Promenade beworben und organisierte den Koch-Treff an verschiedenen Orten, länger auch im Jugendclub U5. Doch jetzt hat man in den schönen Räumen des MAXIE-Treffs eine neue Heimat gefunden.

Es ist kein Koch-Kurs, erläutert Initiator Ulrich Droske. Es geht darum, dass sich Menschen treffen, um gemeinsam zu kochen und dann auch gemeinsam zu essen. Und tatsächlich treffen sich bei den monatlichen Terminen jeweils rund 15 Frauen und Männer (ja, es sind immer auch etliche Männer dabei) in unterschiedlicher Zusammensetzung. Droske: „Manche kommen einmal im Vierteljahr, andere noch seltener, wie sie es gerade einrichten können“. Eine Anmeldung ist dabei schon nötig, denn sehr viel mehr haben dann in der kleinen Küche und dem daneben liegenden Veranstaltungsraum keinen Platz. Die Teilnahme ist übrigens kostenfrei!

 Aber auch wenn es kein Kochkurs ist, man lernt etwas dabei. Zum Beispiel, dass mit frischen Zutaten kochen, Spaß macht, und schmeckt.  Und meist auch nicht aufwendiger ist. Vor allem in der Gruppe.

Und dann lernt man die unterschiedlichen Gerichte kennen. Droske hat jedes Mal eine Überraschung vorbereitet. Die meisten Küchen Europas waren schon auf dem Speiseplan, aber es geht auch darüber hinaus. Beim Besuch des Autors im Oktober stand die Küche Australiens auf dem Programm. Nein, nicht Krokodil oder Strauß standen auf dem Speiseplan. Vielmehr ein Meat-Pie (Fleisch-Kuchen), Corn-Dogs (Würstchen im Mais-Teig-Mantel) oder Mulligatawny-Suppe. Sie ist vor allem in Großbritannien bekannt, entstammt der indischen Küche und ist in allen britischen Kolonien, so auch Australien, bekannt geworden. In Deutschland kennt man sie in der Regel nur dem Namen nach aus der beliebten Sylvester-Fernsehsendung „Der 90. Geburtstag“, auch „Dinner for one“ genannt: Die Suppe der Miss Sophie.

Die Teilnehmenden erhalten Rezepte der einzelnen Gerichte. Dann bilden sich die „Schnippler“-Gruppen oder die „Brutzel“-Gruppen. Ein wichtiger Bestandteil während der gemeinsamen Arbeit ist das Gespräch. Und alle bestätigen, dass das auch ein wichtiger Aspekt für die Teilnahme sei, nicht allein zu Hause in der Küche stehen, sondern sich hier über alles, also nicht vorwiegend über die Rezepte, zu unterhalten.

Den Autor dieses Beitrages verwunderte zuerst, dass ein deutsch-polnischer Verein aus Berlin-Reinickendorf dieses Programm durchführt. Tatsächlich entstand der Verein aus einer Privatinitiative die Spenden sammelte, um Heimkinder in polnischen Kinderheimen Weihnachtspäckchen zu schicken. Erst später gab es weitere Aktivitäten. Bastelnachmittage und Plätzchenbacken, Lesepatenschaften und Näh- und Strickkurse gehören ebenso dazu, wie ein deutsch-polnischer Jugendaustausch. Dabei arbeitet der Verein mit Schulen, Kitas oder Familienzentren zusammen. Als das Quartiersmanagement Hellersdorfer Promenade für neue Projekte Partner über eine Ausschreibung suchte, bewarb sich der Verein und erhielt den Zuschlag. Seither ist er auch im Bezirk Marzahn-Hellersdorf aktiv.

Ach, eines soll nicht vergessen werden: Es war nicht nur ein interessantes und fröhliches Treffen, sondern auch ein wirklich schmackhaftes Essen.

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