Vereinsmeierei oder was?

Lutz Wunder

Bei Wikipedia ist zu diesem negativ besetzten Schlagwort folgendes zu lesen: „Als Vereinsmeier werden pejorativ Menschen bezeichnet, denen die Mitgliedschaft und Mitarbeit in einem oder mehreren Vereinen außerordentlich wichtig ist. Abgeleitet hiervon bezeichnet Vereinsmeierei eine Haltung, in der der Betätigung in einem Verein und dem Wirken von Vereinen übertriebener Wert beigemessen wird.“ Nun legen wir gegenwärtige Vorstandsmitglieder in unserem Engagement großen Wert auf den Ausbau und die weitere Entwicklung des Vereinslebens im Kulturring. Betreiben wir nun Vereinsmeierei, oder hat dieses Engagement nicht noch eine andere Bedeutungsebene, wie ich kurz an meinem persönlichen Beispiel darstellen möchte.

Meine berufliche Laufbahn im kulturellen Bereich begann 1974 im damaligen Kulturzentrum Biesdorf, heute Schloss Biesdorf genannt. Hier lernte ich das Wesentliche von Stadtteil- bzw. Kiezkultur kennen: Menschen im Wohnumfeld mit kulturellen und künstlerischen Angeboten zu erreichen, ihnen kreative Betätigung zu bieten, ihnen gemeinsam mit Gleichgesinnten angenehme Stunden zu ermöglichen und damit auch ein Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln. In der Einrichtung gab es damals einen größeren Besucherstammkreis, dessen Mitglieder unterschiedliche Angebote wahrnahmen, die sich auch mit Wünschen und Ideen zu Wort meldeten und mit Engagement das Klubleben mitgestalteten. Später wurde ich verantwortlich im Kreiskulturhaus Lichtenberg auch für den Klubbereich. Da gab es den Wohngebietsklub Passage, es gab die damals sogenannten Klubs der Werktätigen, und das waren beileibe nicht nur politische Einrichtungen der Nationalen Front, wie es heute gern dargestellt wird. So hatten beispielsweise junge Leute in der Pfarrstraße im Lichtenberger Victoria-Viertel einen leerstehenden Laden besetzt, eine Klubgemeinschaft gegründet und diesen Klub auch noch „Napf“ (Neues Arbeitszentrum Pfarrstraße) benannt, was nach Meinung der SED-Kreisleitung ein Unding war. Sinn und Zweck dieser Klubs war es, dass Bürger aus dem Wohngebiet einen Ort fanden, wo sie sich zwanglos treffen konnten, gesellige Stunden miteinander verbrachten, ihre Ideen für die Freizeitgestaltung entwickelten, Angebote annahmen und sich einfach wohlfühlten. Nach meinem heutigen Verständnis war es eigentlich so etwas wie Vereinsarbeit, nur dass sich das so nicht nennen durfte.

Die Erfahrungen aus jener Zeit haben mich für diese kulturelle Betätigung aufgeschlossen und mir deren Sinn verdeutlicht – so hatte ich nach der politischen Wende keine Berührungsängste mit dem Vereinswesen. Mein Engagement für diese Inhalte von Vereinsarbeit im Kulturring beinhaltet natürlich, dass wir keine „Bekehrer“ sein sollten und auch nicht wollen, dass wir eine breite Form von Mitwirkungsmöglichkeiten schaffen und die unterschiedlichsten Ansichten zulassen im Vereinsleben, auf das Miteinander und das gemeinschaftsfördernde Gedankengut großen Wert legen. In einem so großen Verein wie dem Kulturring ist die Umsetzung der Ideen nicht so einfach, und oft geschieht vieles davon in seinen Gruppen und Einrichtungen, was im großen Rahmen noch zu sporadisch vorkommt. Aber um zum Ausgangspunkt zurückzukehren, ich denke, es wird in der Betrachtung deutlich, dass bei uns bei der sogenannten Vereinsmeierei, so sie uns vorgeworfen werden sollte, eine positive ­Seite hervorscheint, auf die wir auch etwas stolz sein können.

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