Die Denkmal-Detektive

Uwe Lauterkorn

Das Projekt „Kunst im öffentlichen Raum in Tempelhof-Schöneberg“ geht nun ins zweite Jahr seiner Förderung. Sein Auftrag ist das Katalogisieren aller Kunstwerke im öffentlichen Raum des Stadtbezirks, das Erfassen ihres Zustandes und notwendig gewordener Reparatur- und Pflegemaßnahmen. Nach einem Jahr akribischer Recherchen, fotografischer Dokumentation und detailliertem Erfassen enthält die zukünftig öffentliche Datenbank bereits über einhundert Objekte. Aber es gibt noch viel zu tun.

Inzwischen bemerkte das Schöneberg Museum, dass unser Team von fünf Mitarbeitern nicht nur fleißig katalogisiert und fotografiert, sondern auch wertvolle aktuelle Informationen liefern kann. Im März hatte sich eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Lille (Frankreich) mit einer Anfrage beim Museum gemeldet. Sie recherchierte zum Thema Denkmäler des Ersten Weltkrieges in Berlin. Besonders interessierte sie, was heute aus den Denkmälern geworden ist und ob sie im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger eine Rolle spielen. Die Leiterin des Archives Tempelhof-Schöneberg Veronika Liebau fragte uns, ob wir weitergehende Informationen zur Verfügung stellen könnten, denn mehr als eine Liste der Standorte von Denkmälern zum Ersten Weltkrieg konnte sie der Forscherin nicht vorlegen, dazu fehlten einfach die Ressourcen. Wir sagten gerne zu und machten uns an die Arbeit. Die Denkmäler, die zum Teil ein verstecktes Dasein fristen, wurden alle aufgesucht. Wir fotografierten sie und befragten Anwohnerinnen und Anwohner bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen, auf deren Grundstücken sie sich befanden, zum Thema. Das zusammengetragene Material stellten wir Frau Julien in Lille per Internet (ein Hoch auf die Dropbox!) zur Verfügung und erhielten die Antwort prompt per E-Mail: „Vielen Dank für Ihre Nachricht und den Link. Ich bin nun wieder in Frankreich, aber dieses reichhaltige Material wird mir sicher von Nutzen sein!“. Damit hatten wir nicht nur der Wissenschaft einen kleinen Dienst erwiesen, wir hatten auch dem Schöneberg Museum geholfen. Und wir hatten wieder einiges gelernt: In den Gesprächen mit LehrerInnen und SchülerInnen, mit Hausmeistern und Vereinsmitgliedern bekamen wir ein Bild von der Bedeutung, die die Denkmäler für die Opfer des Ersten Weltkrieges in unserem Bezirk haben, nämlich fast gar keine. An vielen Orten war den Menschen gar nicht bewusst, dass sie täglich an einem Denkmal vorbeigehen, sie „sahen“ es zum ersten Mal. An Schulen wird nicht darüber gesprochen, geschweige denn der Opfer gedacht. Der Zweite Weltkrieg und die Nazi-Verbrechen scheinen die anderen historischen Themen aus dem Bewusstsein verdrängt zu haben, man beschäftigt sich nicht damit. Bei unseren Recherchen fiel nur ein Verein (Kyffhäuser) auf, der die Erinnerung aktiv wachhält und jeweils am Volkstrauertag zu Gedenkveranstaltungen im Bezirk einlädt.Manche Denkmäler befinden sich allerdings in schlechtem Zustand. Besonders fiel hier das Mahnmal für die Gefallenen des BFC Victoria 89 auf dem Gelände des Friedrich-Ebert-Stadions in Tempelhof auf. An ihm ist eine schäbig aussehende Kunststoffplatte als „Tafel“ angebracht, die nicht mehr zu entziffern ist. Die steinerne Texttafel auf dem Fundament ist schon lange zerstört und das Denkmal beschmiert. Nach unseren bisherigen Recherchen weiß man nicht einmal, wer zuständig ist. Jedoch sind die meisten der Denkmäler, so zum Beispiel auf dem Perelsplatz, gepflegt. Dort wurde sogar ein Graffiti, das wir im vorigen Jahr noch erfasst hatten, entfernt.

Zurück in die Gegenwart. Es gibt auch anderes Erfreuliches zu berichten. Uns fiel auf, dass der „Bogen von 124,5°“, die Großplastik auf dem Mittelstreifen vor der Urania, gereinigt wurde. Dieses prominente Kunstwerk von Bernar Venet, das ein Geschenk Frankreichs an Berlin zur 750-Jahr-Feier war und lange von Graffitis und Tags verunstaltet wurde, sieht wieder einigermaßen frisch aus. Es erfreut nun wieder die Flaneure, die einen Sinn für moderne Kunst im öffentlichen Raum haben. Wer hat‘s gereinigt? Wir stellten im April eine informelle Anfrage an die zuständige Stadträtin Christiane Heiß (Grüne), um zu erfahren, ob und wie sich der Bezirk um die Kunst im öffentlichen Raum kümmert, wie er Informationen zu den Kunstwerken erhält und ob er Reinigungen und Restaurierungsarbeiten vornimmt oder beauftragt. Unter anderem erwähnten wir auch den „Bogen“. Leider erhielten wir keine Antwort. Es stellte sich aber heraus, dass die Reinigung des Bogens nicht dem Bezirksamt zu verdanken ist. Es war eine private Initiative, die sich um das Kunstwerk kümmerte. Auf der Website der Urania findet man Informationen hierzu: „Diese Maßnahme ist Teil der ‚MACH BERLIN‘-Aktion von ‚wirBerlin e.V.‘. Urania-Vorsitzende Gabriele Thöne, StS. a. D., sagt über die Putz-Aktion: ‚Der Urania liegt das Stadtbild und die Kunst Berlins am Herzen. Gerne haben Kollegen und Vorstand tatkräftig angepackt, damit auch das Umfeld der Urania glänzt. Schöneberg ist schön - und das soll auch so bleiben.‘ Unterstützt wurde der traditionsreiche Kultur- und Bildungsverein von seinen Nachbarn, dem Ivbergs Hotel, Conrad Electronic und dem Catering Service

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