Der Kulturring in Berlin hat sich als einer der wenigen Freien Träger nach dem Fall der Berliner Mauer mit der politischen Wende auseinandergesetzt und diese in unterschiedlichen Formaten dokumentiert. Das fand nicht allein in seinem Projektbereich Nord, in Berlin-Pankow, statt. Dieser Bezirk war jedoch prädestiniert, sich mit seiner regionalen DDR-Vergangenheit zu beschäftigen. War er doch nach 1949 Sitz der DDR-Regierung. Ihr Ende 1989/90 wurde ebenfalls dort besiegelt: am Zentralen Runden Tisch und während der Verhandlungen der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges mit den beiden deutschen Staaten („Zwei-plus-vier-Verhandlungen“).
Um daran zu erinnern, initiierte eine Arbeitsgruppe des Kulturrings die Aufstellung eines Denkzeichens vor dem „Haus Berlin“ der Bundesakadamie für Sicherheitspolitik auf dem Pankower Schlossgelände, das 2004 enthüllt wurde. Während einer Konferenz mit 90 Jugendlichen aus europäischen Ländern und den USA unter dem Titel „Do it – Democracy“, die 2009 anlässlich „20 Jahre Mauerfall“ in Berlin und Danzig stattfand, wurde vor allem über Möglichkeiten diskutiert, sich aktiv an demokratischer Mitbestimmung zu beteiligen. Inhaltlich hatten Gymnasiasten aus Berlin und Gdansk die Konferenz vorbereitet. Die Organisation erfolgte durch den Mitarbeiter des Kulturrings, Haiko Hübner, gemeinsam mit der Gesellschaft für Europabildung und dem Europäischen Zentrum für Solidarität in Gdansk. Höhepunkte waren unter anderem das Zusammentreffen von Jugendlichen mit dem damaligen Protagonisten der Solidarność-Bewegung, Lech Wałęsa, sowie Gespräche mit Politikern im Gdansker Stadtparlament und Berliner Abgeordnetenhaus.
Neben Publikationen, die sich besonders mit der Arbeit der regionalen Runden Tische Pankows beschäftigten, initiierte die Fotografin Franziska Vu in Hohenschönhausen die Ausstellung „Inhaftiert – Fotografien und Berichte aus der Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit“, zu der auch ein gleichnamiges Buch erschien. Die Ausstellung war zwischen 2006 und 2010 auch in Leipzig, Frankfurt/Oder und Kiew (Ukraine) zu sehen. Es gab die Theaterinszenierung „Akte R“ des Autors Mirko Böttcher in Kooperation mit dem Theater Strahl, das speziell jungen Leuten den Verfolgungsapparat des DDR-Regimes schicksalhaft nahebrachte. Es wurde mit dem Jugendmedienpreis der SPD Berlin „Das rote Tuch“ ausgezeichnet. Und ein mehrere Jahre laufendes Projekt von Ylva Queisser und Lidia Tirri umfasste die Exposition „Leben hinter der Zuckerbäckerfassade“ (Karl-Marx-Allee) und „Einblicke und Ausblicke aus der Platte“ (Allee der Kosmonauten), gegenübergestellt und ergänzt mit dem „Wohnlabor Hansaviertel“. Die erste Ausstellung zur früheren Stalinallee wurde von 2002 bis 2005 mehrfach mit großem Erfolg im In- und Ausland gezeigt, so in Hamburg, Bonn, Leipzig, Eisenhüttenstadt, Dresden, Neapel und Messina (Italien), Nancy (Frankreich), Norrköping (Schweden), Shanghai und Peking (China), Kopenhagen (Dänemark) sowie Bukarest und Iasi (Rumänien). Nicht vergessen werden soll auch die viel beachtete Ausstellung der Fotografin Ruth E. Westerwelle „Nicht von Dauer war die Mauer“, die im November 2006 im Kreuzberger Rathaus in der Yorckstraße zu sehen war.
Wenn also der Kulturring in diesem 30. Jahr des Mauerfalls wieder Vielfältiges organisiert hat, setzt er eine gute Tradition fort. Und wieder konzentriert er sich darauf, Jugendliche über die Ereignisse aus der jüngeren deutschen Vergangenheit zu informieren, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und sie für ein demokratisches Miteinander zu sensibilisieren. Das für den sogenannten Themenmonat des Kulturring in Berlin, für den Oktober/November, zusammengestellte Programm – es liegt dieser Ausgabe der KulturNews bei – umfasst Mauerspaziergänge, Ausstellungen, Gesprächsrunden, einen Konzertabend in der „Wabe“ (Prenzlauer Berg) und eine Filmreihe, die im Kino „Brotfabrik“ in Weißensee stattfindet. Ebenso gibt es wieder viele Partner, die gewonnen werden konnten, um die Veranstaltungen erfolgreich durchzuführen. Genannt seien hier besonders die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, das Pankower Bezirksamt mit der Musikschule „Bela Bartok“, der Lettische Kinder- und Kulturverein, der Musik- und Theaterverein Oberkrämer, das Elisabeth-Stift, der „Glashaus e. V.“ mit dem Kino in der Brotfabrik, der Freundeskreis der Chronik Pankow e. V. wie auch die „Schule am Falkplatz“ in Prenzlauer Berg und die „Schule am Hollerbusch“ in Hellersdorf. Mit Schülern dieser Schulen startete das Programm bereits im Juni und August 2019. Die Kinder begaben sich in Begleitung ihrer Lehrer und Mitglieder des Kulturrings auf „Mauerspuren“ entlang des Mauerparks und durch die Bernauer Straße. Was für die Kids aus Prenzlauer Berg fast ein Heimspiel war, gestaltete sich für die Hellersdorfer zu einem Abenteuer. So weit hatte sie noch kein Wandertag geführt. Als Belohnung für ihre Reiseanstrengung durften sie sich zum Abschluss der Tour auf dem Kinderbauernhof und dem Spielplatz auf dem ehemaligen Mauerstreifen an der Gleimstraße austoben. Mit beiden Klassen gemeinsam wird es im November eine Abschlussveranstaltung im Elisabethstift geben, während der unter anderem aus Pappkartons, die sie zuvor bunt gestalten, eine Mauer symbolisch aufgebaut und gemeinsam wieder eingerissen wird. Alle sind schon tüchtig auf das Treffen am 6. November gespannt. Sie, liebe Kulturring-Mitglieder und News-Leser, sind zu allen Veranstaltungen besonders eingeladen und herzlich gebeten, das Programm weiterzuempfehlen.