Zwischen Quellenforschung und Außendarstellung

Bernd Grünheid und Bernhard Korte

Ich bin so! So bin ich! - die persönliche Identität eines Menschen ist für den Betrachter nur selten auf den ersten Blick erkennbar und lässt die unterschiedlichsten Interpretationen zu. Viele Fragen müssen unbeantwortet bleiben, wenn der/die Betroffene nicht mehr selbst Auskunft geben kann.

Dies galt auch für die vom 22. August bis zum 06. September in der Fotogalerie Friedrichshain gezeigte Ausstellung zur Verfolgung von Trans* und Lesben in der Zeit des Nationalsozialismus, die sich weitgehend auf Dokumente der im Landesarchiv ­Berlin vorliegenden Justiz- und Polizeiakten stützte. Es sind verstörende Quellen, von Tätern, denen jedes Mittel recht war, den Wunsch sogenannter „Andersartiger“ nach einem selbstbestimmten Leben mit all ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unter­binden.

Die zweiwöchige Präsentation von 17 neuen, bislang unbekannten Verfolgungsschicksalen stieß nicht nur am Eröffnungstag mit rund neunzig Besucher*innen auf große Beachtung, bot sie doch vielfältigen Raum zur Diskussion und zu Fragen nach der sexuellen und geschlechtlichen Identität der dargestellten Personen.

Für große Resonanz bei den insgesamt über 350 Ausstellungsbesucher*innen sorgte besonders die Deutlichkeit der Quellen. Um den Verfolgungswahn und die Willkür der Täter sichtbar zu machen, versuchte die Ausstellung, auch einen Einblick in die Mentalität und die Sprache der Täter aus Revieren der Ortspolizei, den Homosexuellendezernaten von Kripo und Gestapo und bei den Gerichten zu geben. Diese Quellennähe warf Fragen auf: Wieviel Raum darf eine Ausstellung dem verächtlichen Blick der Täter geben? Wie wirkt die Darstellung von historischen Verfolgungsschicksalen auf Trans*Männer und Trans*Frauen aus heutiger Sicht? Welche Interpretationen sind zulässig, ohne die Inhalte historischer Quellen zu verfälschen?

Diese und andere Fragen erörterten Andreas Pretzel, Leiter der AG Rosa Winkel, Bernd Grünheid, Projektleiter und Armin Hottmann, der Geschäftsführer des Kulturring in Berlin e.V., bei einem sehr konstruktiven Treffen mit Faustin Vierrath von der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) am Freitag, dem 14.09.2019 im Haus des Kulturbundes Treptow in der Ernststraße.  Vierrath zeigte sich beeindruckt von der erfolgreichen Arbeit der AG und den  akkribisch recherchierten Forschungsergebnissen des Projekts in enger Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv Berlin. Die AG Rosa Winkel möchte die anregende Diskussion zum neuen Forschungsthema „Trans*“ nutzen, um zukünftig mehr mit der Community in Kontakt zu kommen. Eine Einladung der AG zu einem gegenseitigen Meinungsaustausch ging bereits an Interessensvertretungen und Initiativen.

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