Hommage an Victor Bruns (1904-1996)

André Nerz

Der Kulturring in Berlin e.V., die WBG „Treptow Nord“ e.G., Bläsersolisten des Rundfunksinfonieorchesters Berlin, das Berstockquartett (Musiker der Staatskapelle Berlin, des Rundfunksinfonieorchesters Berlin und der Königlichen Oper Stockholm) gedenken mit einem Kammermusik-Konzert des international bekannten Komponisten Victor Bruns, der 50 Jahre am Rodelbergweg in Baumschulenweg lebte. Bruns, dessen Todestag sich am 6. Dezember zum 20. Male jährte, hinterließ ein umfangreiches kompositorisches Werk. Musik für mehr als 20 Konzerte, eine noch größere Zahl Kammermusik-Stücke für Bläser und Streicher, Orchesterwerke wie die Sinfonien Nr. 1 (1943) bis Nr. 6 (1980) und Ballettmusik, u.a. die Neue Odyssee (Gastspiele der Berliner Staatsoper in München und Prag) gehören dazu.

Geboren wurde Bruns am 15. August 1904 im damals zum Russischen Reich gehörenden finnischen Ort Ollila. Seine Vorfahren waren nach Russland eingewanderte Deutsche. Die in Sankt Petersburg wohnende Familie liebte es, zu Hause zu musizieren: der Vater sang, die Mutter spielte Klavier, die Brüder Geige, Cello und Klavier. Eine erste musikalische Ausbildung am Klavier erfuhr Victor an einer deutschen Schule. Sein ältester Bruder studierte an der Technischen Hochschule und spielte dort Geige im Studentenorchester. Man suchte noch dringend einen Fagottisten, und der ältere Bruder wandte sich diesbezüglich an den jüngeren – so nahm Victor Privatunterricht beim ersten Fagottisten der Leningrader Staatsoper und wurde bald als Fagott-Spieler ins Orchester aufgenommen.

Nach der Schulzeit nahm er zunächst ein naturwissenschaftliches Studium auf, doch nach kurzer Zeit siegte seine Begeisterung für die Musik, und er wechselte 1924 zum Rimski-Korsakow-Konservatorium. Alexander Wassilliew, Solo-Fagottist der Lenin¬grader Phil-harmonie, unterrichtete ihn dort bis 1927 – so erfolgreich, dass sich Bruns im selben Jahr die zweite Stelle am Staatlichen Leningrader Theater für Oper und Ballett erspielen konnte. Als Sergej Prokofjew Mitte der 1920er Jahre zu einem Konzert das Leningrader Konservatorium besuchte, wurde er mit seinem Fagott-Quartett op.12 Nr. 9 empfangen – gespielt von Victor Bruns und drei Mitstudenten. Die Begegnung mit dem vom Publikum enthusiastisch gefeierten Prokofjew beeindruckte Victor sehr, der berühmte Komponist wurde für ihn ein großes Vorbild. Bruns’ Interesse am Komponieren wuchs, und so nahm er ab 1927 ein Kompositionsstudium auf, das er 1931 mit dem 1. Fagottkonzert, op.5 abschloss. Die Leningrader Philharmoniker brachten das Stück 1933 zu seiner Uraufführung – Bruns wirkte als Solist mit. In den folgenden Jahren schuf Bruns verschiedene Werke, wobei ihn seine Frau Maria (sie hatten 1929 geheiratet) tatkräftig unterstützte.Die Weichen schienen gestellt für eine erfolgreiche Künstlerkarriere, doch die fürchterliche Willkür unter Stalins Herrschaft, die in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre ihren Höhepunkt erreichte, verschonte auch Familie Bruns nicht. Verbannung, Lagerhaft und Tod trafen enge Verwandte. Zu den üblichen, konstruierten Vorwürfen (konterrevolutionäre Tätigkeit, trotzkistische Verschwörung, Sabotage etc.), mit denen tausende Familien ins Unglück gestürzt wurden, kam bei den in der Sowjetunion lebenden Deutschen noch der pauschale Spionageverdacht hinzu. Victor Bruns und seine beiden Brüder, die monatelang inhaftiert gewesen waren, kamen mit der Ausweisung aus der Sowjetunion 1937/38 noch vergleichsweise glimpflich davon.

Auch nach der Ankunft in Deutschland komponierte Bruns weiter und fand eine Anstellung als zweiter Fagottist an der Volksoper Berlin, die 1944 nach Schlesien verlegt wurde. Noch in der Endphase des Krieges einberufen, kam Bruns nach kurzer Gefangenschaft Ende 1945 zurück nach Berlin.

Die Zeit vom Kriegsende bis in die 1990er Jahre war für Victor Bruns die fruchtbarste Schaffensperiode, in der die meisten seiner Kompositionen entstanden. Er war zudem über 20 Jahre Fagottist der Staatskapelle Berlin, wurde deren Ehrenmitglied, erhielt den Kunstpreis der DDR und wurde von der International Double Reed Society (Interessenverband der Musiker/Instrumentenbauer von Oboe und Fagott) zum Honorary Member ernannt. Die musikalische Hommage für Victor Bruns findet am 8. März, 19.00 Uhr, im Mitgliedertreff der WBG Treptow-Nord statt. Im Anschluss ist das Publikum eingeladen, mit den Musikern und dem Neffen Victor Bruns‘ zu sprechen.

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