Historische Persönlichkeiten in Lichtenberg

Jörg Bock

Wenn man sich mit der Geschichte seines Heimatortes beschäftigt, setzt man sich ganz selbstverständlich mit den dort lebenden Menschen auseinander und trifft ganz automatisch auf diejenigen, die diese Geschichte gestalten oder gestaltet haben. An einige von ihnen erinnert man sich, weil Straßen, Gebäude oder Einrichtungen ihren Namen tragen.

Stellvertretend sei hier der Name Oskar Ziethen genannt, der 1896 als Amts- und Gemein-devorsteher nach Lichtenberg kam. Seinem Wirken und seiner Förderung verdankt der Ort eine umfangreiche Bautätigkeit, die entscheidend für das schnelle Wachstum war. Das Straßen- und Kanalisationsnetz wurden ausgebaut, Lichtenberg erhielt ein Rathaus, ein Gymnasium, ein Amtsgerichtsgebäude und ein Städtisches Krankenhaus. Der Name „Oskar-Ziethen-Krankenhaus“ ist jedem Lichtenberger gut bekannt, den Namen trägt diese Einrichtung zu seinen Ehren seit dem 20. Januar 1933. Von Erfolg gekrönt war auch der jahrelange Kampf, für Lichtenberg das Stadtrecht zu bekommen. Am 31. Januar 1908 wurde Oskar Ziethen zum ersten Bürgermeister der Stadt Lichtenberg gewählt und ab dem 3. Juli des Jahres 1911, es war der Tag der Grundsteinlegung des Städtischen Krankenhauses, durfte er den Titel eines Oberbürgermeisters führen.

Von anderen Menschen gibt es nur noch schwache Erinnerungen, viele wurden aber einfach vergessen, weil sie in unserer heutigen, so schnelllebigen Zeit einfach keine Rolle mehr spielen. Stellvertretend für diese Gruppe soll der Arzt Dr. Victor Aronstein stehen. Er wurde 1896 in Margonin, einem kleinen Ort im heutigen Polen, geboren. Nach dem Medizinstudium an der Berliner Universität und einigen Jahren Arbeit in verschiedenen Krankenhäusern kam er Anfang 1933 nach Hohenschönhausen, um sich hier als praktischer Arzt niederzulassen. Die erste Praxis in Hohenschönhausen befand sich in der Bahnhofstraße 1. Im Jahre 1935 zog er um, in die Berliner Straße 126. Patienten, Einwohner und andere Zeitzeugen beschreiben ihn als ei-nen außergewöhnlichen Arzt und Menschen, der Tag und Nacht für seine Patienten da war. Dr. Aronstein hatte sehr bald die größte Praxis in Hohenschönhausen. Die Machtübernahme der Nazis und die damit verbundenen zunehmenden Restriktionen gegen jüdische Ärzte bekam auch Dr. Aronstein zu spüren. Seine Wohnung nebst Praxis wurde ihm zum 31.12.1936 gekündigt. Mit sehr viel Mühe und der Unterstützung von ehemaligen Patienten konnte er Anfang 1937 in der Werneuchener Straße 3 eine neue Wohnung finden, in der er auch eine Praxis eröffnete. An dieser letzten Wirkungsstätte in Hohenschönhausen erinnert heute eine Gedenktafel an ihn. Mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 25. Juli 1938 wurde allen jüdischen Ärzten die Approbation entzogen. So musste er die Praxis wieder aufgeben und durfte nur noch „Krankenbehandler“ sein. Dr. Aronstein wurde 1941 in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert und starb im Januar 1945 in Auschwitz.

(Biographische Angaben aus: Victor Aronstein : Gedenkschrift zu seinem 100. Geburtstag am 1. November 1996 / [Thomas Friedrich ; Daniela Fuchs ; Christa Hübner unter Mitarb. von Regina Rahmlow. Hrsg. vom Verein „Biographische Forschungen und Sozialgeschichte e.V.“]. - 1. Aufl. - Berlin : Biographische Forschungen und Sozialgeschichte e.V., 1996. - 96 S. : Ill.)So wäre noch eine Vielzahl von Personen zu nennen. Damit ihre Namen nicht in Vergessenheit geraten, wurde im Zusammenhang mit dem 725. Jahrestag der Ersterwähnung Lichtenbergs eine Auswahl von Persönlichkeiten zusammengestellt, die in der einen oder anderen Weise mit dem Ortsteil im Zusammenhang stehen. Sei es, weil sie zeitweise oder ständig dort wohnten, oder als Wissenschaftler, Ärzte, Erfinder, Fabrikbesitzer oder Politiker ihre Spuren hinterließen. Hier nur eine ganz kleine Auswahl:

Willy Abel (1875-1951), Ingenieur und Erfinder, gründete in Lichtenberg eine Fabrik für Haushaltsgeräte;

Elfriede Brüning (1910-2014), Schriftstellerin, wohnte in Karlshorst;

Prof. Heinrich Dathe (1910-1991), Gründungsdirektor des Tierparks Berlin-Friedrichsfelde;

Agnes Kraus (1911-1995), Volksschauspielerin, wohnte in Friedrichsfelde;

Paul Mendelssohn Bartholdy der Ältere (1841-1880), Gründer der Agfa;

Adolph Schlicht (1840-1910), Amts- und Gemeindevorsteher von Boxhagen-Rummelsburg;

Heinrich Zille (1858-1929), Grafiker und Fotograf des Berliner Milieus, wohnte fast zwei Jahrzehnte in Rummelsburg.

Natürlich kann diese Liste, die inzwischen 120 Namen umfasst, nicht vollständig sein. Man kann immer sagen, dieser oder jener gehörte doch auch dazu. Gewiss ist das so, und ebenso gewiss werden in der Zukunft auch noch weitere Namen dazukommen.

Das neue Projekt „Historische Persönlichkeiten in Lichtenberg“, eine Gemeinschaftsarbeit von Museum Lichtenberg und Kulturring in Berlin e.V., hat sich das Ziel gestellt, alle diejenigen, die auf dieser Liste stehen, uns allen näher zu bringen. Ihre Biographien sollen zeigen, wer diese Menschen waren, worin ihre Lebensleistungen bestanden und warum sie auf diese Liste gehören. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen dann auf der Webseite des Museums Lichtenberg allen zugänglich gemacht werden.

Mehr zu diesem Projekt erfahren alle Interessenten in der Veranstaltungsreihe „Geschichten im Studio“ im Monat März. Eine Reihe Persönlichkeiten aus Lichtenberg werden vorgestellt und erste Ergebnisse der Recherchen präsentiert.

Geschichten im Studio

Montag, 16.03.2015, 15.30 Uhr

Im Studio Bildende Kunst

„Historische Persönlichkeiten in Lichtenberg“

Mit Einführenden Worten von Dr. Thomas Thiele, Leiter Museum Lichtenberg und Jörg Bock, Kulturring in Berlin e.V.

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