OSTKREUZ CROSSROADS – People Of(f) FhainXberg

Günther Schaefer / Christine Balbach

The District‘s History of Tomorrow

Ein neues Kapitel im photographischen Berlin-Zyklus von Günther Schaefer ist mit den vorliegenden Arbeiten aufgeschlagen. In der zurückliegenden 25-jährigen Schaffensperiode hatte er sich mittels Schwarzweiß-Photographie überwiegend der sogenannten Wende- und Nachwendezeit, den Menschen der Stadt und den Spuren, die sie hinterließen sowie den Kuriositäten und Phänomenen, die der melting pot Berlin produzierte, zugewandt. In diesem Jahr, dem fünfundzwanzigsten Jubiläumsjahr des Berliner Mauerfalls, erfolgen nun die Erstpräsentationen des neuen photographischen Konzepts, das sich hauptsächlich der dieser Metropole widmet. Künstler aller Genres stehen stellvertretend für die diversen Kunstszenen dieser Stadt aus dem Kreativ-Dreieck Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln Modell. Diese neue Avantgarde Kunstschaffender verlangt photographisch geradezu nach Farbe. Um diesem Aspekt gerecht zu werden, schloss Günther Schaefer als leidenschaftlicher Schwarzweiß-Photograph nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder „Frieden“ mit dem Medium Farbe.

Ein weiterer, inhaltlich wichtiger Bestandteil des neuen Konzepts von Günther Schaefer behandelt die zunehmende Gentrifizierung, die unübersehbar auch von diesen Stadtteilen Besitz ergreift. Die Beispiele der Nachwendezeit im Bezirk Mitte sowie im Prenzlauer Berg mögen als Exempel dienen, wie die rapide Gentrifizierung junge Kreativschaffende, die das Flair und das Straßenbild dieser Bezirke maßgeblich geprägt haben, gesellschaftlich an den Rand gedrängt und letztendlich aus diesen Bezirken verdrängt hat. Seit geraumer Zeit lässt sich diese Entwicklung tendenziell auch in den erwähnten drei Stadtteilen erkennen. Die photographischen Kulissen Günther Schaefers im öffentlichen Raum wurden nachdrücklich von der Generation, die seit dem Mauerfall heranwuchs, künstlerisch gestaltet und sind ein fester Bestandteil der heutigen Identität dieser Bezirke - ebenso in der Wahrnehmung eines Besucherstroms internationaler Gäste, die auch unter diesen Aspekten Berlin erkunden, sich inspirieren lassen und das Erlebte global verbreiten.Günther Schaefer: „Diese aktuelle Form von street art wird ebenso der fortschreitenden Gentrifizierung zum Opfer fallen, wie es zuvor an anderen Stellen geschah. Ergo behandelt mein neues photographisches Thema bereits heute einen gewichtigen Teil der Kunstgeschichte Berlins von morgen. Die locations, ein faszinierendes Kaleidoskop aus Trash, Edel-Trash, Graffiti, morbider Architektur, letzten Rudimenten einer DDR-Vergangenheit, sowie die schrill-attraktiven Individualisten werden auch hier schon sehr bald der Vergangenheit angehören. Alles wird glatt, sauber aufgeräumt und für den jungen Kreativen kaum noch bezahlbar sein. All dies wird einhergehen mit dem Verlust eines extraordinären Zaubers, den diese Stadtteile bei Tag und vor allem während eines pulsierenden Nachtlebens verströmen.“

Nach Schaefers Ausstellungskonzept entstehen zum Zweiten Aufnahmen im Studio; Bilder, die die Persönlichkeit des Models pur und in klassisch photographischer Technik würdigen und zum Ausdruck bringen. ... Konzeptionell werde auch in künftigen Präsentationen diesen Aspekten in Form von „dynamischen Ausstellungen“ Rechnung getragen. Die Exposition in der Fotogalerie Friedrichshain sieht somit mehrere Events vor, die über eine pure Präsentation von Photographie hinausgehen. Der Grundgedanke Schaefers ist nicht nur die Präsentation möglichst vieler Kreativgenres, sondern deren Verschmelzung. Literatur, Film, Musik und Performance-Art nehmen dabei einen breiten Raum ein und zeugen in Live-Darbietungen vom kreativen Spektrum der Kulturmetropole Berlin. Überwiegend kommen bei diesen Events Künstler zum Zuge, die auch als Model in den Ausstellungsexponaten vertreten sind und im Porträt vorgestellt werden. Im weiteren Sinne verschaffe dies der Exposition eine spezifische Form von „Dreidimensionalität“: das Photo werde sozusagen mittels Live-Act und Publikumsdialog „hör- und erlebbar“- im Gegensatz zum aktuellen „Digitalen-3D-Hype“ dieser Tage in einer natürlichen Fasslichkeit für die Besucher. Ein weiterer Anker in Schaefers Konzept der „dynamischen Ausstellung“ ist „die kontinuierliche Ergänzung der jeweils laufenden Exposition mit aktuellem brandfrischen Photomaterial; das heißt, keine Präsentation endet mit der gleichen Bild-Dramaturgie wie sie während der Vernissage anfänglich zu sehen war. Bei allen beteiligten Akteuren und Rezipienten wird somit ein zusätzliches Spannungsmoment erzeugt und visuelle Abnutzungserscheinungen seitens des Publikums können vermieden werden. ... Berlin, seit Generationen eine stetige Inspiration und unerschöpfliches Elixier für alle Sinne. Denkend sehen – sehend denken“.

Archiv