Mit der BKJ auf Kaffeefahrt

Balthasar Spring

Solch ein Bildungsangebot der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) für alle Freiwilligen ist neu. Das anspruchsvolle Pilotprojekt einer Kultur-Kaffeefahrt umfasste ein zusammenhängendes Drei-Tage-Programm. Auch das gab es noch nie. Organisation, Planung und Betreuung erfolgte durch das engagierte BKJ-Damentrio: Maud, Anja und Charlotte.

Montag, 24. September, 08.30 Uhr, Treffpunkt Bus-Parkplatz am Berliner Hauptbahnhof. Obwohl aus den unterschiedlichsten Bundesländern, zwischen Hamburg und München, angereist, gefehlt hat niemand. Im Bus, auf unserer Reiseroute Berlin-Wörlitz-Gräfenhainichen-Dessau, wurden alle Reiseteilnehmer auf das herzlichste begrüßt und bekamen ... Kennenlern-Kärtchen zugeteilt. Sie kam… sah… und ich „Och, nee“! (Schreck lass nach) ... Meine Geschichtslehrerin aus der 4. Schulklasse, hätte ihre Zwillingsschwester sein können. Jedenfalls wurde die sprudelnde Fröhlichkeit des Kennenlernens an diesem Tag durch nichts übertroffen.

Die Ausstellung „Zwischen Himmel und Erde“ im Bibelturm der schönen St.-Petri-Kirche in Wörlitz zeigte uns Weisheiten und Geschichten der Bibel. Der Spaziergang durch das UNESCO-Weltkulturerbe Wörlitzer Park war wohltuend entspannt. Mittags in der Stadt aus Eisen angekommen, erfolgte die Führung durch Ferropolis. Die Braunkohleförderung hatte in Mitteldeutschland eine große Tradition. Der Tagebau erreichte gewaltige Ausmaße. Von 60.000 Bergleuten wurden jährlich 100 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Heute ist FERROPOLIS ein Industriedenkmal, Veranstaltungsort und Themenpark. Alles wird beherrscht von den riesigen Großgeräten, wie Schaufelradbaggern, Schwenkbaggern und Absetzern, die aussehen wie Dinosaurier aus vergangenen Zeiten. Später in Dessau beeindruckte uns die Bauhausarchitektur mit ihrer lebedigen Geschichte. Der gemeinsame Tagesausklang brachte unsere Stimmung auf einen ausgelassenen Höhepunkt.

Donnerstag, 25. September, Halberstadt steht auf dem Programm. Seit mehr als 1200 Jahren ist der Dom der geistliche Mittelpunkt der Stadt und der gesamten Region. Höhepunkt eines jeden Rundganges ist die Schatzkammer. Der Domschatz ist einer der kostbarsten Kirchenschätze der Welt. Dann eine Führung durch das JOHN-CAGE-ORGEL-Kunstprojekt: Wir hörten die Töne aus einer kleinen Orgel, wie langsam ist „so langsam wie möglich“? Inzwischen ein Projekt, das weltweites Aufsehen erregt. Ein witziges Erlebnis von besonderer Art war die Stadtführung durch den Stadtpfeifer zu Quedlinburg. In historischer Gewandung (die Figur geht auf das Jahr 1498 zurück) führte er uns durch enge, verwinkelte Gassen. Die Zeit zur freien Verfügung kam keineswegs zu kurz, und so traf man sich ohne Verabredung, im UNESCO-historischen Brauhaus, um bei Braunbier und Schweinshaxe die Seele baumeln zu lassen.Freitag, 26. September, Halle Freiimfelde, Stadt als Leinwand, Freiraum Galerie mit anschließendem Workshop, Landsberger Straße Schlachthofkiez. Mein erster Eindruck: Ich werde von diesem Graffiti-Gewirr erschlagen. Die mir auffälligen Graffiti-Bilder im Berliner Stadtbild sind oft als Schmiererei, selten als präsentierende Kunst erkennbar. Zweiter Eindruck: Nach intensiver Betrachtung wirkte ein Bild lustig, das andere schräg, dann spektakulär und vor allem, alles bunt. Die Landsberger Straße weist innerhalb des Stadtgebiets den höchsten Leerstand auf, nahezu die Hälfte der Häuser im Schlachthofkiez ist verlassen. Die Idee ist, den Leerstand zur öffentlichen Leinwand zu transformieren - ein gelungenes und farbenfrohes Experimentierfeld an Kunst und Kultur für die Stadtentwicklung in Halle. In den ersten beiden Septemberwochen findet in der Freiraumgalerie ein Kunstfestival statt. Hier gestalten die verschiedensten Künstler aus aller Welt Fassaden und Flächen zu ihren Meisterwerken. Darunter befindet sich auch die größte gesprayte Wand mit einer 500 Quadratmeter großen Gestaltung. Nach einer kurzen Sprayanleitung durften auch wir uns mit künstlerischem Drang an der Wandfassade verewigen - ein absolutes Highlight.

Am Nachmittag reisen die ersten Teilnehmenden mit dem Zug ab. Aus dem anfänglichen „Och, nee“ wurde ein herzlicher Abschied. Auf die Frage des Betreuerteams, was wir von der Reise mitnähmen, hätte ich, ohne groß zu überlegen, mehr als nur eine Antwort parat. …Es hat nicht so geendet, wie es anfing …

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