Text und Interview: Martina Pfeiffer

Der antike Sänger und Dichter Orpheus, dessen Attribut die Lyra ist, vermochte der Legende nach sogar das Reich der Verstorbenen und die unbelebte Materie mit seinem Gesang zu rühren. Das Ineinander von Dichtkunst und Musik:  Rilkes "Sonette an Orpheus" (1922) verdeutlichen die spezifische Verwandtschaft beider Gattungen eindrucksvoll. Die klangsinnliche Fülle der Lyrik ist dabei nur eines der Merkmale, welche die Nähe zur Musik annoncieren.  Mit den Mitteln von Reimbildung, Rhythmus, Alliteration, Klangwiederholung, Lautmalerei u.v.m. gelingt es der Wortkunst das Gemüt zu bewegen, ähnlich wie Musik. Dies gilt auch für Gedichte nach dem Ende der Reimversherrschaft.  Vorgetragene Lyrik und Musik sind durch das Hörerlebnis, durch dynamische Modulation und den zeitlichen Ablauf benachbart. Wer über "Wortmusik" redet, hört aus Sprache und Sprechen den Verbalklang heraus. Umgekehrt ist die "Tonsprache" in der Musik oftmals ein Synonym für die "musikalische Sprache" mit ihren Ausdrucksmöglichkeiten. Und natürlich gibt es im Assoziationsbereich Sprache-Musik bekanntermaßen die "Sinfonische Dichtung" für Orchester, die mit musikalischen Mitteln Außermusikalisches wie Gestalten, Szenerien und Gemälde vergegenwärtigt oder auf einer literarischen Vorlage gründet.

Es waren u.a. Klopstock, Herder und Schiller, die beklagten, dass durch den Buchdruck und das "stille" Lesen nur noch eine blasse Vorstellung vom Wort als Klangkörper und dem wirkungsmächtigen Gedicht vermittelt würde. Sie waren überzeugt, dass Dichtkunst erst durch den Vortrag zur vollen Entfaltung komme. Angestrebt wurde eine Wiederbelebung von musiko-poetischen Aufführungstraditionen. Das Gedicht soll klingen dürfen. Und tatsächlich sind ja z.B Romanze und Ballade, Ode und Sonett nicht nur rezitationsfähige, sondern auch sangbare Genres. Die romantische Dichtung weist in Teilen Strukturmuster auf, denen aus der Instrumentalmusik übernommene Kompositionsprinzipien zugrunde liegen. "Musik", "Lied", "Sänger" und "Gesang" stellen wiederkehrende Leitmotive dar.  Mit der Romantik, man denke an Ludwig Tieck, Achim von Arnim und Heinrich Heine, werden Versuche unternommen, die Musik für die Poesie fruchtbar zu machen. In der Geschichte von Musik und Dichtkunst boten beide Disziplinen wechselseitig schöpferische Anreize für  Komponisten und Dichter. Der Schriftsteller Victor Hugo bezeichnet in seiner Lyriksammlung "Les Feuilles d'Automne" Poesie und Musik als Schwestern. In "Capriccio", seinem "Konversationsstück für Musik", bekräftigt der Komponist Richard Strauss, dass Ton und Wort wie "Bruder und Schwester" gleichgewichtig auf einer Stufe stehen. 

Der Symbolist Stéphane Mallarmé, Jahrgang 1842, will vermittels seiner rauschhaften "Poésie pure" mit Nachdruck hin zum Klang der Verse, weckt durch musikalisierte Sprache seelische Stimmungen. Die Bedeutung des Wortes erscheint ihm nachrangig. Angeregt von Stéphane Mallarmés Gedichten setzt der Komponist Claude Debussy im ausgehenden 19. Jahrhundert Mallarmés  "L'après-midi d'un faune" in ein Gewebe von Klangfarben um. Der Tänzer und Choreograph Nijinski macht ein Ballett daraus. Vielversprechende Entwicklungen, denen durch die Geschichte, speziell die deutsche, Einhalt geboten wurde. Einem sprachlichen Pathos, das man mit dem Dritten Reich verband, sollte in der Nachkriegszeit entgegenwirkt werden. Gedichtdeklamationen wurden misstrauisch beäugt, es galt das Monotoniegebot. Etliche Lyriker wandten sich fortan von Gedichtvortrag und –aufführung ab. Man vertrat den Standpunkt, die Zeit der Rhapsoden und Minnesänger sei endgültig vorbei und dabei lasse man es bewenden.  Gottfried Benn spricht der Rezitation von Gedichten jeglichen Wert ab. Er macht sich für ein regelrechtes Vortragsverbot stark, setzt auf die "stumme" Lyrik, die jeder nur für sich lesend erschließen sollte.

Anfangs folgte der Lyriker Ernst Jandl noch den Vorgaben Gottfried Benns. Das änderte sich 1957 schlagartig mit Jandls Sprechgedichten. Von da an begeistert er sich für den Gedichtvortrag: plastisch würden Gedichte erst, wenn sie laut werden dürften, verkündet Jandl, und er geht neue Wege.  Der Österreicher tritt auf, lädt ein, setzt auf Multiplikatoren. Legendär seine Performance in der Royal Albert Hall 1965.  Dabei knüpft er an die Vormoderne und an Dada an. Bereits Hugo Ball war 1916 im Züricher Cabaret Voltaire mit seinen Lautgedichten aufgetreten. Wie Jandl befindet, brauchen Gedichte einen Hallraum und einen  Schauraum. Für seine Texte  entwickelt er sogar eine experimentelle Notenschrift, die an Notationsformen der Neuen Musik erinnert. Auf die Möglichkeiten des Rundfunks setzend, schreibt er gemeinsam mit Friederike Mayröcker mehrere Hörspiele und nimmt Gedichte auf Tonträger auf. Der Jazz, der sich mit Jack Kerouac und der Beat-Generation in der Literatur und Lyrik geltend macht,  auch er findet in Jandls Gedichte Eingang. 

Eine ganze Reihe von Kunstschaffenden fühlte sich von Musik angezogen, so dass sie auch komponierten. Annette von Droste-Hülshoff zum Beispiel war neben Dichterin auch Komponistin. Sie bearbeitet Volkslieder, vertont drei ihrer eigenen Gedichte und die von weiteren Künstlern, hinterlässt vier unvollendete Opern. Zwar steht bei der Gattung Oper die Musik im Vordergrund, doch verdankt sie ihre Wirkung in einem nicht unbeträchtlichen Maße dem Libretto, also der Sprache. Nachempfunden wird Musik in unserer Gegenwart in den Zeilen der zeitgenössischen "Popliteratur". Musikorientierter Sprachgebrauch und kompositorische Strukturprinzipien finden sich beispielsweise bei Benjamin von Stuckrad-Barre.

Der Komponist Pierre Boulez formuliert, sein Denken habe sich mehr in Auseinandersetzung mit der Literatur als mit der Musik geformt; seit den 60ern wird Poesie immer häufiger zum Stimulans seiner Kompositionen. Um dem Chaos der Welt zu entsprechen, erfolgt in der modernen Musik wie in der Dichtung gleichermaßen eine Formzertrümmerung und Klangaufsplitterung. Komponisten und Dichter sträuben sich gegen Harmonien. Der Aufschrei: "Das ist keine Musik mehr!" ist ebenso vernehmbar in Bezug auf die Lyrik: "Das hat doch nichts mehr mit Dichtung zu tun!" Ist bei manchen aus dem Publikum die Schmerzgrenze erreicht, eröffnet moderne Dichtung doch den Zugang zu einer Welt,  in der Fesseln abgeworfen werden, wo es Transparenz und Freiheit gibt. Eines der Anliegen der  neuen modernen Dichtung ist es, die traditionelle Spartentrennung von Musik und Wort aufzubrechen und die Korrespondenzen herauszuarbeiten. 

Sämtliche Annäherungen und Verschwisterungen von Gedicht und Musik, insbesondere die zahlreichen Gedichtvertonungen, verdienen eine gesonderte Betrachtung. 

In den Gedichten "Duett" (Nina-Sophie Raach), "Einladung zu einer bunten grauen Welt" (Mikyoung Lee),  und "Eine Klarinette in meinen Händen"  (Johanna Losacker) bilden die Wortkunst und die Musik eine Allianz, die einesteils begriffliche Motive der Tonkunst in die Dichtung einschleust, zum anderen auf die Wirkung von Wortklang und Musik setzt. Alle drei Gedichte sind als Podcast zu hören. Das Interview erfolgt mit Mikyoung Lee und Nina-Sophie Raach.

Mikyoung und Nina-Sophie: Gedichte und Musik – Ist die Nachbarschaft der beiden Künste für Sie eher gefühlt oder konkret?
M.L.: Diese Frage finde ich sehr interessant. Musik wird oft als etwas empfunden, während man bei der Poesie die Struktur „sehen“ kann, was sie konkret erscheinen lässt. Trotzdem denke ich die Beziehung zwischen diesen beiden Künsten sowohl konkret als auch sinnlich.
Die Verbindung zwischen beiden Künsten manifestiert sich in der Art und Weise, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Manchmal fühle ich, dass ein Gedicht durch die Musik an Bedeutung gewinnt, während andere Male die Musik für sich allein steht. Diese dynamische Wechselwirkung macht die Beziehung zwischen Gedichten und Musik faszinierend.
Die Art und Weise, wie die Struktur eines Gedichts musikalischen Rhythmus erzeugt – also wie ein Gedicht zur Musik werden kann – ist für mich konkret. Wenn ich Musik zu einem Gedicht schreibe, beginne ich damit, die Struktur zu analysieren und daraufhin eine musikalische Struktur zu schaffen. Man könnte es mit dem Skizzieren vergleichen. In diesem Prozess sind diese beiden Künste sehr greifbar. 
Aber ich weiß, dass die Welt, in der man dies erlebt, eine ganz andere Dimension ist, selbst wenn man Poesie und Musik konkret analysiert und versteht. Manchmal werde ich von intensiven Emotionen überwältigt und bin tief berührt. Deshalb berücksichtige ich immer beide Aspekte. Wenn ich Zuschauer bin, empfinde ich es als gefühlt. Wenn ich Gedichte oder Musik schreibe, betrachte ich es als konkret.

N.S.R.: Ich denke, dass sich Musik und Lyrik oft gegenseitig bedingen und inspirieren und diese Beziehung wahrscheinlich auch bei mir unterbewusst einen großen Einfluss hat, indem ich zum Beispiel durch ein Lied Zugang zu einem Gefühl finde, das ich danach wiederum in Worte packen kann. Andersrum funktioniert das sicher auch, sprengt allerdings meine musikalischen Kompetenzen. Ich denke, dass die Nachbarschaft sehr konkret ist. Und ich würde auch fast schon von Wohngemeinschaft statt Nachbarschaft sprechen. 

Haben Sie sich mit Traditionen beschäftigt, die Dichtkunst in die Sphäre der Musik rücken?
N.S.R: Nein, zumindest nicht in Form von bewusster Recherche. Was mir trotzdem als erstes in den Sinn kommt sind Songlyrics. Ich finde, dass sehr viele Bands/Künstler*innen/Sänger*innen Texte mit vielen starken poetischen Bildern produzieren, die manchmal aufgrund von sehr minimalistischen instrumentalen Anteilen auch das Markanteste an einem Song sind. Ein Künstler der mich dahingehend besonders beeindruckt, ist „Lord Folter“, der leider schon sehr früh verstorben ist. Er war nicht nur Rapper sondern auch Lyriker und bildender Künstler, was in seinen Alben auf jeden Fall spürbar ist. 

M.L.: Da ich großes Interesse an der Beziehung zwischen diesen beiden Künsten habe, habe ich darüber nachgedacht und verschiedene Ansätze erforscht, wie man sie ausdrücken kann. Poesie steht immer in enger Verbindung mit Musik. Manche Gedichte sind bereits als eigenständige Werke vollständig, ohne in Musik überführt zu werden. Doch das, worüber ich momentan nachdenke, ist nicht, wie ein Gedicht zu Musik wird, sondern der Grenzbereich dazwischen. Mein Gedicht "Einladung zur bunten grauen Welt" ist das Ergebnis dieser Überlegungen. 
Traditionell mag ich Schumanns Lieder sehr und habe einmal den Liederzyklus "Dichterliebe" analysiert. Darin gibt es das erste Lied "Im wunderschönen Monat Mai". Ich kenne die musikalische Struktur, die Verwendung und Funktion der Harmonie und weiß, welche Noten mit welchen Textzeilen verbunden sind. Ich lebe seit über fünf Jahren in Deutschland und kann Deutsch lesen und schreiben. Doch als ich dieses Lied im Mai dieses Jahres erneut hörte, erlebte ich es mit völlig anderen Gefühlen, insbesondere bei der ersten Zeile "Im wunderschönen Monat Mai". An diesem Tag, als der lange Winter zu Ende ging und alles im Mai wieder zum Leben erwachte, wurde mir klar, dass ich zwar Deutsch „verstanden“ hatte, aber nicht wirklich das Gedicht. Erst in diesem Moment begriff ich, wie wunderschön der Mai ist, und seitdem klingt dieses Lied für mich völlig anders. Seitdem habe ich beim Lesen und Hören verschiedener Werke immer wieder entdeckt, dass man bei jeder neuen Betrachtung etwas Neues sieht und hört.

Was ist es, was Sie als ausgebildete Komponistin und Musikerin in die Nähe der Dichtkunst zieht, Mikyoung? Sind es die Grenzen des Sagbaren?
M.L.: Es scheint, dass die Ironie des Lebens mich zur Poesie führt. Ich fühle mich als Fremde und genieße das Leben in Deutschland, während ich gleichzeitig Einsamkeit empfinde. Wenn ich in meine Heimat Korea zurückkehre, liebe ich zwar die Vertrautheit, möchte aber auch von dort weg. Zudem bringen mich all meine Sinneseindrücke und Ereignisse dazu, dass ich „schreiben muss“.
Ich habe Musik studiert, insbesondere Komposition, und überlege, welche Klänge ich hören möchte und welche ich anderen vermitteln möchte. Gleichzeitig strebe ich danach, mit der Sprache, die ich beherrsche, neue Welten zu schaffen. Wenn ich das Bedürfnis habe, aus der Welt der Sprache zu fliehen, gehe ich in die Welt der Musik. Und wenn ich dort wieder eine Sprache brauche, um mich auszudrücken, wende ich mich der Poesie zu.

Vermissen Sie etwas, wenn Sie Gedichte ohne musikalische Begleitung hören? 
M.L.: Diese Antwort kann ich ganz klar geben – überhaupt nicht. Übertrieben gesagt, denke ich, dass Musik Gedichte manchmal sogar ruinieren kann. Für mich ist Sprache wie das Rohmaterial der Natur. Sie kann für sich allein schon genug Geschmack entfalten. Ich mag es, Gedichte zu lesen. Jeder Vortragende bringt unterschiedliche Ergebnisse hervor, und ich höre sehr gerne, wie sie gelesen werden. Ich glaube nicht, dass jedes Gedicht in Musik verwandelt werden sollte, und ich persönlich bevorzuge das auch.

Das Schreiben von Gedichten, begleitet von Instrumenten – Wie verlief beim Gedicht "Duett" die Zuammenarbeit zwischen Ihnen und den Musikern, Nina-Sophie? 
N.S.R: Zuerst hatte ich den Text geschrieben und trotz seiner offensichtlichen Verweise auf die Musik habe ich zu Beginn noch gar nicht an eine musikalische Umsetzung des Textes gedacht. Umso spannender war es dann von Sebastian, Michel und Tom erste Entwürfe zu hören, da das ein Feedback für einen Text ist, das man sonst als schreibende Person eher selten bekommt. Der Prozess lief auch aufgrund der örtlichen Distanz eher autonom von mir ab, was mir aber sehr gefallen hat, da es so ein Gesamtwerk ist und keine bloße Ergänzung meines Textes. 

In "Duett" finden sich viele Begriffe aus der Musik: Das "lyrische Ich" ist identisch mit dem "Klangkörper". Die Stimme und das Hören sind leitmotivisch präsent. Weitere Entlehnungen aus der Sprache der Musik in Ihrem Gedicht sind z.B.:  "Notenschlüssel", "Tonleiter", "zweistimmige Partitur", "verstimmt", "krumme Töne", "aus dem Takt bringen". Und auch Begriffe, die den Sprachklang betreffen: "Nasale", "Konsonanten". Ist "Duett" allein schon über den Wortschatz ein poetischer Ausflug ins Reich der Musik?
N.S.R: Ja und Nein. Einerseits habe ich mir in dem Text bewusst nur poetische Bilder gesucht, die aus dem Vokabular der Musik stammen, weil ich finde, dass da ein hohes metaphorisches Potenzial besteht und ich mir das allgemeine Verständnis, das Menschen meistens von Musik haben zu nutze machen konnte, um meinen Inhalt zu transportieren. Andererseits geht es in meinem Text ja nicht um Musik, das war lediglich der sprachliche Rahmen, den ich mir gesetzt habe. Ich finde solche Prozesse immer sehr spannend und es macht mir Spaß meine Themen in Kontexte zu setzen, in denen sie eigentlich nicht zu finden sind und zum Beispiel etwas klar Konnotiertes wie „einen Notenschlüssel zeichnen“ auf seine Doppel- oder Mehrdeutigkeit zu untersuchen.

Durch die kommentierende, teils dissonante Musikbegleitung tut sich eine zusätzliche Bedeutungsebene auf, so dass man am Ende des Pas de deux im Gedicht "Duett" ahnend schmunzeln kann. Beabsichtigt? 
N.S.R.: Ich glaube, dass das stark von den jeweiligen Hörer*innen des Textes abhängt. Ich denke auch, dass die musikalische Interpretation durch die bewusste Dissonanz zusätzliche Bedeutungsebenen öffnet, allerdings eher welche, die den zwischenmenschlichen Konflikt schon früher erahnen lassen als es der Text preisgibt. Ich finde das ziemlich gelungen, weil es sehr gut dazu passt wie man oft unterbewusst schon eine Vorahnung hat, bevor es zu einer Erkenntnis kommt. 

Ist es auch bei Ihnen so, dass sich durch die Musikbegleitung zu "Einladung zu einer bunten grauen Welt" eine zusätzliche Bedeutungsebene entfaltet, Mikyoung? Wenn ja, haben Sie Beispiele hierfür?
M.L.: Ja, das ist beispielsweise auch der Fall bei meinem Gedicht "Einladung zur bunten grauen Welt". Dieses Stück verwendet improvisatorische Techniken. Ich habe den Musikern Anleitungen gegeben, wie sie spielen sollten, aber man kann nicht genau sagen, welches Ergebnis dabei herauskommt, weil es jedes Mal anders sein soll. Dennoch genieße ich den Prozess, in dem ich experimentiere, welche Atmosphären und zusätzlichen Bedeutungen dadurch entstehen. In diesem Stück könnte man sagen, dass es zur Hälfte beabsichtigt und zur Hälfte unbeabsichtigt ist. Bei den Proben habe ich mit den Musikern darüber gesprochen, was unser musikalisches Ziel ist, und wir haben uns gegenseitig vertraut.

Der Titel Ihres Gedichts annonciert eine Einladung. Was bieten Sie dichterisch und musikalisch innerhalb des Wortkunstwerks zusammen mit der musikalischen Komposition auf, damit die Hörerschaft gerne Ihrer Einladung folgt?
M.L.: Wenn jemand dieses Gedicht liest oder hört, könnte er es für absurd halten – die Tausendfüßler schwimmen mit Rettungswesten und die Eulen machen ein Nickerchen. Ich denke, dass die Zuhörer in diesem Werk auf natürliche Weise aufmerksam werden. Zunächst einmal hoffe ich, dass sie die Inhalte des Gedichts, die musikalischen Gesten und die neuen Erfahrungen, die sie in einer Welt machen, in der wir oft Selbstverständliches hinterfragen, wahrnehmen. Es gibt nicht nur eine einzige Möglichkeit, dieses Gedicht und die Musik zu verstehen. Es muss nicht dasselbe sein, was ich beim Schreiben dieses Gedichts und der Musik empfunden habe – das kann es gar nicht sein! Genießen Sie die Zeit, die durch die Kombination von alltäglicher Sprache und neuen Klängen entsteht.