Der „Amerikanische Traum“: Sehnsucht nach Wohlstand, Ruhm und Erfolg, nach sozialen wie moralischen Tugenden? Ein Erfolgsmythos, welcher der Nation ihre Identität verleiht? Rechtfertigung für das amerikanische Expansionsstreben? Etikett fürs Big Business und für chauvinistische Großtuerei? Inhalte des Fiktionslieferanten „Hollywood“? Oder das, was man  auf der Madison Avenue gerade trägt?

Die Wurzeln des „American Dream“

Als Taufpate des Begriffes fungiert der Historiker James Truslow Adams, der in seinem Buch „The Epic of America“ (1931) eine strenge Arbeitsmoral, ungehinderten Individualismus und sittliches Verhalten als die amerikanischen Grundtugenden postuliert. Die kulturgeschichtliche Dimension des Terminus geht indes weiter zurück, auf die Zeit weit vor der Staatengründung, auf die Besiedelung des Kontinents „der unbegrenzten Möglichkeiten“ durch die Einwanderer, die nach dem Aufbruch von Europa ihre Hoffnung in jene Trias legten, die in der Formulierung „Life, Liberty and the Pursuit of Happiness“ im Jahre 1776 in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung Eingang fand. Hinzu kommt am Beginn der Besiedelung das puritanische Konzept der Pilgerväter als „God’s chosen people“, die gemäß ihrer Bestimmung und mit göttlichem Auftrag („Manifest Destiny“) das Gelobte Land in Besitz nehmen, um an den unerforschten Küsten das neue Zion zu bauen: die Avantgarde des Reiches Gottes auf Erden. Die Quintessenz dieses Glaubens ist, in einem von Gott privilegierten Land, „God’s own country“, zu leben. Der Einbruch des „Pioneer“, der die „Frontier“ immer weiter nach Westen verschiebt, erhält mithin eine religiöse Rechtfertigung, da der Sendbote der Zivilisation sein Tun als Faktum göttlicher Kausalität zu deuten weiß. Das Leben als Neubeginn unter Aufhebung der in der ehemaligen Heimat herrschenden Standesunterschiede soll im Rahmen von Freiheit, Demokratie und Toleranz nun jedem Einzelnen, unabhängig von Bildung, Ausbildung und Herkunft,  die Möglichkeit verleihen, sich durch Ehrgeiz und Tatkraft ein Höchstmaß an Erfolg und Selbstverwirklichung zu sichern. Freie Bahn dem Tüchtigen. 

Vater der amerikanischen Success Story ist Benjamin Franklin, der in seiner Autobiographie 1818 den kommenden Generationen die den Aufstieg sichernden Tugenden zur Nachahmung anempfiehlt: Fleiß, Sparsamkeit, Klugheit, Durchhaltevermögen; darüber hinaus Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Mut. Der Selfmademan, der die erlernten Fähigkeiten zu seinem Nutzen einsetzt und sich selbst die Weichen seines Werdegangs stellt, wird im 19. Jahrhundert zu einer Norm- und Leitfigur im amerikanischen Bewusstsein; der Aufstieg „from rags to riches“ - 1868 von Horatio Alger in seinem Roman Ragged Dick auf diese Formel gebracht - avanciert zum nationalen Mythos, der im Schuhputzer oder Tellerwäscher den Millionär in spe verkörpert sieht und somit die geschlossene geographische „Grenze“ in ihr vertikal-soziales Pendant, der „open frontier of opportunity“, überführt. Einer der berühmtesten Selfmademen ist wohl der Stahlmagnat Andrew Carnegie. In seiner Erfolgsphilosophie rät er mit „niederen“ Jobs zu beginnen und sich dann zielstrebig hochzuarbeiten. Der Sohn eines armen schottischen Webers brachte es zum Gründer der  Carnegie Steel Corporation 1892. 

Auch Henry Ford, der das Fließband in die Produktion einführte,  wuchs in kleinen Verhältnissen auf und war zunächst Maschinist in Detroit. Er experimentierte zuhause autodidaktisch, machte Karriere und wurde Chefingenieur.  1903 gründete der Automobilpionier die Ford Motor Company und gehörte fortan zu den „Oberen Zehntausend“. 

Ein Weiterer mit atemberaubendem Aufstieg war der Ölindustrielle John D. Rockefeller, der Sohn eines umherziehenden „Kräuterdoktors“ und Hausierers. Er schaffte es vom einfachen Buchhalter zum superreichen Ölmagnaten mit entsprechendem Imperium. 1870 gründete er die Standard Oil Company. 1916 war Rockefeller der offiziell erste Dollar-Milliardär der Weltgeschichte. 

Mit eigener Hände Arbeit die Karriereleiter erklimmen, des eigenen Glückes Schmied sein, und allem voran die heilbringende Wirkung des Geschäftsdenkens - dies kennzeichnet den Amerikanischen Traum. Die Auserwähltheit des Einzelnen, so der Gedanke, ersehe man an  seinem Reichtum. Ein Traum, der  - sofern ohne ethisch-moralische Grundsätze - die Prämissen seiner Pervertierung bereits in sich trägt. Die Aufhäufung materieller Güter und Macht als höchstes Ziel und Erkennungsmerkmal der Bevorzugten Gottes. Daher das Sendungsbewusstsein, auch alle anderen auf der weiten Erde zum amerikanischen „Way of Life“ - dem Amerikanischen Traum als Glaubensbekenntnis in seiner säkularisierten Form -  zu bekehren. 

Die Kontinuität des „Amerikanischen Traums“

Die Ideale Thomas Jeffersons und Benjamin Franklins sind nur allzu bald zum reinen Gewinnstreben verkommen. Im Gilded Age vergrößert sich die Kluft zwischen Arm und Reich zusehends. Einzelnen ist es vorbehalten, ihren Traum zu verwirklichen. Sie zeigen, wohin rigoroser Individualismus führt. Durch Spekulation und Korruption gelangen sie zu immensem Reichtum, treiben andere massenhaft mittels rücksichtsloser Geschäftsmethoden in Armut. Materieller Wohlstand war für große Teile der Bevölkerung niemals erreichbar. Und doch hielt sich der Erfolgsmythos hartnäckig. Der Amerikanische Traum war in der Geschichte der USA jedoch nicht durchweg sakrosankt. Er wurde  infrage gestellt, parodiert, als Trugbild entlarvt und hält sich doch bis heute. Calvin Coolidge legte sich als Präsident in den 20er Jahren fest: „The business of America is Business“. Richard Nixon gab zu bedenken: „The American Dream does not come to those who fall asleep“. Jimmy Carter prophezeite: „The American Dream endures“ und Ronald Reagan verbindet den Nationalmythos mit einem Bibelzitat: „a dream of an America that would be ‚a shining city on a hill‘“. Barack Obamas Buch The Audacity of Hope trägt den Untertitel: Thoughts on Reclaiming the American Dream. In seiner Rede am 28. August 2008 geht er näher auf sein persönliches Verständnis des American Dream ein: die Freiheit des Individuums, sein Leben nach eigenen Maßgaben zu gestalten, in enger Verbindung mit der Verpflichtung, seinen Mitmenschen Respekt zu zollen und deren Würde zu achten. 

Zweifel am „Amerikanischen Traum“

William James legt in seinem Brief an H.G. Wells vom 11. September 1906 den Finger in die Wunde. Wie er beklagt, sei die ausschließliche Huldigung der zwielichtigen Göttin „Erfolg“ das allergrößte Übel der amerikanischen Nation. „The exclusive worship of the bitch-goddess success … is our national disease“. James Truslow Adams, Vater der Wortprägung des American Dream,  verdient es noch einmal näher betrachtet zu werden. In  „The Epic of America“ (1931) beschreibt er „jenen Traum von einem Land, in dem das Leben für alle besser, reichhaltiger und erfüllter sein soll, mit Chancen für jeden nach seinen Fähigkeiten und Leistungen“. Er fährt fort, es sei nicht bloß ein Traum von hohen Löhnen und prestigeträchtigem Besitz, sondern von einer gerechten sozialen Ordnung , zum Wohle jedes Einzelnen, freier Entfaltung und Respekt, ungeachtet von Herkunft und Status. Konkret attackiert er die rein utilitaristische Denkweise und die Vorstellung, Geschäft und Geld an sich würden schon ausreichen für den Amerikanischen Traum. Die Frage nach den wahren Werten des Lebens müsse im Vordergrund stehen, ansonsten verhalte man sich wie jemand, der die Scheune abbrenne, um den Penny im Heuhaufen zu finden. 

Den Verlust des Traumes beklagt der Schriftsteller William Faulkner in einem Essay von 1955. Von den festen Stimmen der gemeinsamen Hoffnung und des gemeinsamen Willens dieses Traumes sei nur noch eine Kakophonie übrig, „laute, leere Wörter, die wir selber bis zur Bedeutungslosigkeit entstellt haben -  Freiheit, Demokratie, Vaterlandsliebe; zuletzt doch erwacht, sagen wir sie her im verzweifelten Versuch, den Verlust vor uns selber zu verheimlichen.“

Bereits bei James Fenimore Cooper wird tiefer Zweifel an der Herabwürdigung  und vorsätzlichen Dezimierung der Native Americans und die Inbesitznahme der Natur durch die ersten Siedler thematisiert. 

Die „anti-success-story“

Die „anti-success-story“ nimmt ihren Anfang mit Mark Twains „Story of the Bad Little Boy“ (1865), welche die Formel Tugendhaftigkeit = Erfolg als Trugbild kenntlich macht.  Bei Mark Twain bleibt der Junge auch als Erwachsener gemein und korrupt, er sichert sich gerade durch diese Eigenschaften den Erfolg – ganz anders als in den Sunday School-Texten mit ihrer schematischen Kontrastierung von „guten“ erfolgreichen und „bösen“ erfolglosen Kindern. 1870 schreibt dieser Autor seine  „Story of the Good Little Boy Who Did Not Prosper“. Der Junge richtet sein Leben an den Idolen aus den Sunday School Books  aus, doch er scheitert und stirbt einen frühen Tod.

Von der Zeit des Bürgerkriegs bis in die späten 1980er Jahre werden auch weitere Schriftsteller den amerikanischen Traum einer kritischen Prüfung unterziehen und sogar demontieren. Sie mokieren sich über Horatio Alger mit seiner Erfolgsformel „from rags to riches“ und zeigen auf, wie Macht und Geld korrumpieren.  Oft sind es gerade die Trickreichen und Skrupellosen, die Karriere machen (William Dean Howells, A Hazard of New Fortunes). Erfolgreiche Aufsteiger mögen bewundernswert sein, doch sie verfolgen ihre Laufbahn nicht selten auf die bereits erwähnte unbeugsame Weise. Der Traum funktioniert für den Einen, der ihn dann für hunderte oder tausende Anderer platzen lässt. Für die Meisten bleibt der Traum unerreichbar (Theodore Dreiser, The Financier). Kruder Materialismus und Verantwortungslosigkeit bis zur Brutalität sind die Ursachen dafür, dass der Amerikanische Traum in der Realität scheitern muss (Scott Fitzgerald, The Great Gatsby). Die amerikanische Gesellschaft der Nachkriegszeit lebt nicht nach moralischen Werten, sie kennt keine sozialen Aufgaben, sondern huldigt allein dem Profit. Vergebliche Arbeitssuche trotz Bemühungen kann die Betroffenen in Alkoholismus und Selbstmord treiben. In der Gesellschaft werden von Aufstiegsaspiranten vielfach Abstiegsgeschichten geschrieben (John Dos Passos, Manhattan Transfer). Menschen, die als Muster an Vorbildlichkeit gelten, können sich nicht durchsetzen und unterliegen im Daseins- und Konkurrenzkampf. Der Talmi-Glanz Hollywoods kann nicht über die harte Realität hinwegtäuschen, zeigt die schillernde Hohlheit der Porträtierten, die für den Traum stehen  (Nathanael West, A Cool Million; The Day of the Locust). Ein zunehmend wichtiges Thema in der Literatur werden die existenzbedrohenden Ängste des Individuums im Massenzeitalter amerikanischer Prägung.

Der Gegen-Mythos in Form von „anti-success stories“ wird u.a. von Kurt Vonnegut fortgeführt, von  Jerzy Kosinski, Joseph Heller und von John Updike in seiner Rabbit-Romantetralogie, die eine persistente Parodie des American Dream in der zeitlichen Phase von der Eisenhower-Ära bis zur Präsidentschaft George Bushs darstellt.

Der Fall Willy Loman in Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“

Arthur Millers Theaterstück „Death of a Salesman“ (1949) nimmt sich den Amerikanischen Traum ebenso eingehend wie publikumswirksam vor. Für den alternden Handlungsreisenden Willy Loman „brennt“, wie er sagt, „der Wald lichterloh“. 36 Jahre war er für seine Firma mit den Musterkoffern in Neu-England auf Reisen. Zum Schluss in einem alten Wagen, dessen Scheiben sich nicht mehr herunterkurbeln lassen und der ständig nach einer Seite zieht. Dem 63-Jährigen wird vom Jung-Chef Howard der Lohn gestrichen, er soll nur noch auf Provisionsbasis arbeiten. Als Willy seinen Boss dann in einem persönlichen Gespräch darum bittet, in Wohnortnähe eingesetzt zu werden und an dessen Verantwortung für einen Altgedienten appelliert, kassiert er zynischerweise die Kündigung; er sei „erschöpft“ und brauche dringend Erholung. 

Das Streben nach Macht und materiellen Gütern ohne eine moralisch-ethische Dimension (verkörpert in Howard) mündet in die ultimative Korrumpierung des Erfolgsmythos. Der Geschäftsmann, wie er in der Person des Firmenchefs auftritt, verweist auf die Vertreter des Big Business, die sich von den Idealen der Gründerväter losgesagt haben und die darwinistische Lehre vom „survival of the fittest“ als Rechtfertigung skrupelloser Geschäftsmethoden nutzen. Und Salesman Willy ist nun mal nicht mehr „fit“, weder körperlich noch geistig. Die rapide sinkenden Verkaufszahlen sprechen eine deutliche Sprache. 

Erschütternd, dass Willy bis zum Schluss der Lebenslüge nachhängt und die  Pervertierung seines Traums in den selbstauferlegten Zwängen nicht erkennt. Im Disput mit seinem Chef lässt Willy erkennen, dass er auf die alten Werte im Kontakt mit Arbeitgeber und Kunden baut. Er verzweifelt daran, dass diese Ideale nicht mehr vorhanden sind:  „In jenen Tagen gab es noch Hochachtung, Freundschaft und Dankbarkeit beim Geschäft“, sagt er. Heute sei das anders, Freundschaft und Charakter zählten nichts mehr. „Du kannst die Zitrone nicht auspressen und dann die Schale wegwerfen – ein Mensch ist doch kein Abfall.“ Sein verzweifelter Appell stößt bei Howard auf taube Ohren. Alles, worauf Willy gesetzt hatte, löst sich in ein Nichts auf. Er dachte, er sei unersetzlich. Er hatte geglaubt, er sei bekannt und beliebt. 

Willys Vorbilder: Dave Singleman und Onkel Ben

Im weiteren Handlungsverlauf erfahren wir, dass Willys role model der Handlungsreisende Dave Singleman ist. Der war mit 84 Jahren immer noch eine Verkaufskanone am Telefon und zu seinem Begräbnis strömten unzählige Kunden und Geschäftspartner. Von Onkel Ben, der mit 17 loszog und mit 21 als „gemachter Mann“ zurückkehrte,  sagt Willy, er ging fort mit nichts als einem Hemd am Leib, und zum Schluss besaß er Diamantenfelder. In diesem Geiste wolle er, Willy,  seine Söhne erziehen.  Onkel Ben setzt alles daran, in unerschlossene  Gebiete vorzudringen und dort zu Reichtum zu gelangen, sowohl den Mythos der Frontier als auch den Selfemademan verkörpernd. Sinnigerweise sind Willys eigene Verkaufsreisen durch Neu-England eine ironische Version der Besiedlung des amerikanischen Westens und des Pioniergeists. 

Ben gegenüber spricht Willy wehmütig von den alten Zeiten mit ihrem „Glanz“ und der „Kameradschaft“: „Wie können wir zu den guten Zeiten zurück?“.  Was Willy Loman nicht gelingt,  ist das Mitgehen mit der Veränderung. Immer wieder ist es Ben, der in Willys Visionen auftritt und ihn in die Vergangenheit zieht. Arthur Millers Titelfigur verkörpert einen unreflektierten Optimismus, wenn er die Augen vor der harten Realität verschließt. Sein Hang, jedwede Form von Kritik als Unterminierung zu sehen, macht es nicht nur hinsichtlich seiner Arbeit, sondern auch innerhalb der Familie unmöglich, auf ein Dazulernen oder eine Neuorientierung zu hoffen.  Willy trägt einen Großteil Schuld am beruflichen Versagen seiner Söhne. Gleichwohl gelingt es Arthur Miller, das Familienoberhaupt nicht einseitig als verfehltes Vorbild für seine Kinder zu zeichnen. Als der Sohn Biff sich entschließt, einen ehemaligen Arbeitgeber aufzusuchen und ihn um eine Leihsumme zu bitten, erinnern die Worte seines Vaters an den Rat des besorgten Polonius an seinen Sohn Laertes in Shakespeares Hamlet. Willys Empfehlungen: „Grauer Anzug, keinesfalls Windjacke und Jeans“ … „Gib dich seriös“… „Sei ruhig, nett und vertrauenerweckend.“ … „Sei nicht so bescheiden“… “Tritt gleich mit einem Lacher auf. Wirk‘ nicht bedrückt. Gib ein paar gute Geschichten zum besten“ ... „Es kommt nicht darauf an, was du sagst, sondern wie du wirkst…nur die Persönlichkeit zählt.“

„Nimm deinen falschen Traum und begrab‘ ihn“

In den Augen Willys ist Biff eine „gewinnende Persönlichkeit“. Der Vater ist davon überzeugt, jemand der beliebt sei, könne sich alles erlauben. Biff erkennt mehr und mehr, dass dieser unbeirrte Traum einer Lebenslüge gleichkommt. Die Fassade bröckelt: „In diesem Haus haben wir nicht einmal zehn Minuten die Wahrheit gesagt.“ Sein Unvermögen, es zu etwas zu bringen, schreibt Biff dem Größenwahn zu, der ihm von seinem Vater eingeredet wurde. Biff setzt auf schonungslose Ehrlichkeit „Daddy, ich bin eine Drei-Groschen-Existenz und du auch! […] Du warst auch nur ein Klinkenputzer wie all die anderen, die schwer arbeiten und dann auf‘m Müll landen wie du“. Diese harten Worte sollen die Einsicht in die eigene Verblendung und eine Verhaltensänderung bewirken: „Nimm deinen falschen Traum und begrab ihn, bevor es zu spät ist“. 

Sein Traum hat Willy den Weg eines Verkäufers einschlagen lassen, obwohl er andere Anlagen und Talente hatte: „Es steckt mehr von ihm in der Holztreppe vorm Haus, als in all den Verkäufen, die er je tätigte“, äußert Biff im „Requiem“ und seine Mutter Linda bestätigt, dass Willy immer viel Geschick bei handwerklichen Aufgaben gehabt hatte. Nach Willys Selbstmord, den er verübt, damit seine Familie die Versicherungssumme bekommt,  sagt Biff: „Er hatte nur den falschen Traum. Völlig falsch!“ Sein jüngerer Bruder Happy bewertet Willys Leben diametral entgegengesetzt: „Er hatte den richtigen Traum. Der einzige Traum, der sich lohnt, nämlich Nummer Eins zu werden!“

Das Scheitern des titelgebenden Salesman lässt sich auf ein falsches Bewusstsein und seinen Eskapismus zurückführen. Der Glaube, sein eigenes Begräbnis werde „gewaltig“, genau wie beim legendären Salesman Dave Singleman, wird mit der Beerdigung im ganz kleinen Kreis als sein letzter Irrtum offenbar.

Bereits in der Bühnenanweisung vor dem ersten Akt wirkte das Haus, für das Willy Loman sein ganzes Leben geschuftet hatte, „zerbrechlich“ zwischen den hohen Häuserblöcken, „der Wirklichkeit entrückt“ - ebenso wie der große Traum des „low-man“  kein Korrelat zur Realität hat. In der finalen Bühnenanweisung nach dem „Requiem“ erscheint die Kulisse der Wohnblöcke in scharfem Kontrast hinter dem Häuschen der Lomans. Sie verweist auf die unbarmherzigen sozialen Realitäten und Konflikte, die nunmehr mit voller Wucht sichtbar werden. Der Bühnenvordergrund liegt in vielsagendem Dunkel.

Tod eines Handlungsreisenden: Wenn ein amerikanischer Mythos nicht mehr trägt...

Autorin: Martina Pfeiffer