Barbara – Klappe, die Erste!
Wenn Malerei und Film zusammenkommen – Fragen an Barbara Haag und Kaj Holmberg

Heute haben wir zwei Berliner zu Gast, die beide nicht immer Berliner waren: Regisseur und Filmproduzent Kaj Holmberg kommt aus Finnland, aus Helsinki. Die Malerin Barbara Haag, gebürtige Stuttgarterin, stellte im Inland sowie u.a. in Frankreich, Polen, Österreich und Italien aus. Kaj Holmberg hat einen Dokumentarfilm über das Leben und Wirken der Künstlerin gedreht: "Glück ist, wenn die Farben tanzen" (2023). Die Premiere war im Delphi Filmpalast. Heute möchte ich die beiden zu ihrem je eigenen Schaffen und zu ihrem gemeinsamen Film befragen.
Herzlich Willkommen Barbara Haag und Kaj Holmberg!
Wenn man sich Lebensläufe anschaut, steuern diese eher selten schnurgerade ein berufliches Ziel an. Wie kam es, dass Sie sich der Malerei zugewandt haben, Barbara?
B.H.: Ich wollte schon immer malen, Malen als Hauptberuf. Meine Eltern sagten jedoch, da kann man nicht von leben. So habe ich zunächst an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg Kunst für das Grundschullehramt studiert, wechselte dann an die Uni Stuttgart, Lehramtsstudium in Germanistik und Politikwissenschaft. Ich stellte jedoch fest, dass ich wohl keine gute Lehrerin werden würde. Es folgten ein Aufbaustudium Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim (nahe Stuttgart) und eine Promotion über das Thema „Bürgerbeteiligung im Vergleich Dorfentwicklung und Stadtentwicklung“. Das Thema hatte einen persönlichen Bezug zu mir, da ich verstehen wollte, warum ich nicht in dem Dorf leben wollte, wo ich aufgewachsen bin, und auch in keinem anderen Dorf, sondern in größere Städte wollte.
Und tatsächlich hat die Wünschelrute dann bei Berlin ausgeschlagen …
B.H.: In Berlin war ich dann einige Jahre als freie Journalistin tätig. Dann - anknüpfend an meine Dissertation - war ich sechs Jahre beim "Moabiter Ratschlag" in der Stadtentwicklung tätig. Wir organisierten die Bürgerbeteiligung in Moabit, nach dem Mauerfall war das eine spannende Zeit, da die Planungen in den Stadtteilen, die in der Nähe der ehemaligen Mauer lagen, alles neu planen mussten. Wir waren quasi der Vorgänger vom Quartiersmanagement. Damals hatten wir schon Erfolge erzielt. Das reicht von Kinderspielplatz, Bürgerbeteiligung bei Neubauprojekten, Erhalt einer Bezirksbibliothek, der Wanderweg an der Spree entlang (auch das Regierungsviertel) sowie Planungen für die Straßenbahn nach Moabit, die Jahre später tatsächlich verwirklicht wurde. Dann bekamen wir immer weniger Geld und wir konnten keine so gute Arbeit mehr machen.
Ich war dann wieder als Journalistin tätig und begann intensiver zu malen. Doch dann, das war 1998, sagte ich mir, dass beides nebeneinander nicht ging und nichts wirklich gut wurde. Ich wollte endlich das machen, was ich schon immer wollte: Hauptberuflich malen. So konzentrierte ich mich ganz aufs Malen. Und das hat dann auch von Anfang an gut geklappt und bald hatte ich die ersten Ausstellungen.

Kaj, wie sind Sie zur Filmbranche gekommen?
K.H.: 1966 führte ich in Helsinki - noch als Schüler - Regie bei einem Radio-Theater-Spiel. Später fing ich dann erstmal mit Journalismus an. Ende Mai 1970 hatte ich mein Abitur gemacht. Zufällig stand ich in dieser Zeit im Trolleybus Nr. 14 zusammen mit einem Freund, Henrik Paersch. Er war ein Jahr zuvor an der Filmschule angenommen worden. Als Kameramann. Er erzählte über die Bewerbungsvorgänge und wie das Studium dort ist. Ich hatte zwei oder drei Wochen Zeit, bevor ich zum Militär musste. Es war jetzt Donnerstag und ich rief die Schule an und die teilten mir mit, dass die Aufnahmeprüfungen am Montag anfangen würden. Am Montagmorgen. Es waren 222 Mitbewerber und sechs sollten genommen werden. Das passt, dachte ich und schickte der Schule meinen Namen, Adresse und Telefonnummer. Es folgten zwei Wochen Bewerbungsgespräche und dann musste ich zum Militär. Zu der Marineinfanterie.
Auf Umwegen kommt man ans Ziel. Trifft das auch auf Sie zu?
K.H.: Naja, eigentlich wollte ich Journalist werden. Aber irgendwie sollten die zwei Wochen vor dem Militär genutzt werden … Glücklicherweise hatte ich es geschafft und war unter den sechs angenommenen Neustudenten.
Was macht die Teamarbeit beim Film zu einer anderen als die Teamarbeit, sagen wir, im Büro?
K.H.: Film ist immer Teamarbeit. Und ein sehr lebendiger Prozess. Nach vorbereitenden Gesprächen mit allen Beteiligten ist klar, dass der Regisseur bestimmt, was gemacht wird. Natürlich werden immer wieder Gespräche mit allen Beteiligten geführt und die Szenen gemeinsam vorbereitet.
Grundsätzlich gefragt: Produzent und Regisseur/in – gibt es da manchmal Differenzen oder sogar handfesten Zoff?
K.H.: Ja, und viele Diskussionen. Aber wenn die beide in einer Person sind ist es einfacher. Bei dem Film jetzt war ich sowohl Regisseur als auch Produzent.
Barbara und Kaj, was musste für das Künstlerinnen-Porträt alles vorbereitet werden?
B.H.: Sehr viel. Ich musste mein Leben durchgehen, wie es sich entwickelt hat, welche Entscheidungen ich getroffen habe. Zum Glück hatte ich viel aufbewahrt: Fotos aus meiner Kindheit und Jugend, auch mit meinen Eltern und meinen beiden Schwestern zusammen, Fotos aus der Schulzeit, usw. Da kamen natürlich viele Erinnerungen hoch, positiv und negativ. Insgesamt war es sehr gut für mich, mein bisheriges Leben so Revue passieren zu lassen. Und ich stellte fest, dass ich einiges jetzt positiver bewerte als früher. So, z.B. dass meine Artikel aus meiner journalistischen Tätigkeit viel besser waren als ich sie in Erinnerung hatte. Da wir low budget hatten, übernahm ich auch viele Tätigkeiten, die sonst die Regieassistenz macht: die Personen, die interviewt werden sollten, anfragen, ob sie bei dem Film mitmachen wollen, Termine ausmachen, Drehorte auf ihre Verwendbarkeit überprüfen usw ...
K.H.: Meine eigene Routine war hilfreich.
Sie beide kannten sich schon vor dem Filmprojekt. Was gab es zwischen Ihnen bei der Vorbereitung auf den Film zu besprechen?
B.H.: Wir mussten uns erst mal richtig kennenlernen. Wir sind ehemalige Nachbarn, kannten uns aber nur so vom Grüßen auf der Straße. Da entstand auch eigentlich zufällig die Idee zu dem Film. Um jedoch den Film zu drehen, mussten wir noch viele Informationen austauschen, z.B. meine bisherigen beruflichen Stationen usw. Wir haben uns jedoch von Anfang an gut verstanden und das ist eine wichtige Grundlage für so ein großes Projekt wie einen Film zu drehen.
Ich habe gesehen, Kaj, dass Sie 1998 mit Jutta Brückner beim offiziellen Film des Goethe-Instituts zum 100. Geburtstag von Bertolt Brecht zusammengearbeitet haben: "Liebe, Revolution und andere gefährliche Sachen". Was machte gerade diesen Film zu einer wichtigen Erfahrung für Sie?
K.H.: Es war sehr interessant, den Brecht-Film zu machen. Ich hatte da eine vierteilige Dramaturgie eingeführt. Und die Zusammenarbeit mit Jutta Brückner funktionierte sehr gut. Auch den Film „Glück ist, wenn die Farben tanzen“ haben Barbara und ich sehr harmonisch zusammen gemacht.
Die Malerei von Wassily Kandinsky und Paul Klee findet bei Ihnen Anklang, Barbara. Sie selbst sind Autodidaktin. Adrienne Braun vom Kunstmagazin "Art" hat Ihre Malerei besprochen und die vormalige stellvertretende Direktorin der Berlinischen Galerie, Dr. Ursula Prinz, sagt über Ihre Bilder, es spiele sich auf der Leinwand ein Kampf zwischen Farbe und Form ab, aber die Farbe habe immer den Primat. Im Film gibt es eine Szene, da befragen Sie Ihr Bild, bevor Sie es der Öffentlichkeit zugänglich machen: "Sind die Farben optimistisch genug?" Glauben Sie an eine Psychologie der Farben?
B.H.: Ja, und mir ist es wichtig, optimistische Bilder zu malen. Nicht oberflächlich optimistisch. Das Bild soll auch zum Überlegen, zu Auseinandersetzung beitragen, aber der Gesamteindruck soll optimistisch sein. So ja auch der Titel des Filmes: „Glück ist, wenn die Farben tanzen“ . Film und Bilder sollen nicht nur heile Welt zum Ausdruck bringen. Aber die optimistische Grundstimmung sollte da sein.
Am Kurfürstendamm stand vor einiger Zeit ein Berliner Bär. Den haben Sie bemalt, Barbara. Was hat es Ihnen bedeutet?
B.H.: Es war für mich das erste Mal, dass ich so ein großes Kunstwerk gemacht habe. Ich musste dazu ja auch auf eine Leiter steigen, um an den Kopf des Bären zu kommen. Hat mir viel Spaß gemacht. Der Bär in den Farben rot, orange und gelb stand dann mehrere Wochen am Kudamm auf dem Mittelstreifen und ich habe, wenn ich ihn manchmal besucht habe, von den Passanten positive Resonanz bekommen. Jetzt steht er bei Firma Still in Reinickendorf beim Eingang.
Nach Ihrem Studium waren Sie zehn Jahre freie Journalistin, Barbara. Als Frau der Feder haben Sie sich in Berlin auf Themen konzentriert, die z.B. mit den beruflichen Karrierewegen von Frauen zu tun hatten. Wie kamen Ihnen die Erfahrungen im Journalismus und ihre vorhin erwähnte Zeit beim "Moabiter Ratschlag" in Ihrem jetzigen Leben zugute, als freischaffende Künstlerin?
B.H.: Das kommt mir zum Beispiel insofern zugute, dass ich den Ablauf in Firmen kenne, wenn ich dort Ausstellungen mache. Zudem kenne ich Arbeitsabläufe im Allgemeinen besser. Und habe organisieren gelernt, gerade auch als freie Journalistin.
Ende der 80er in Moskau. AIDS, das gab es dort angeblich ja nicht. Wie das Filmporträt verrät, war tagsüber niemand zu Interviews bereit. Sie zogen als Journalistin im Schutz der Dunkelheit los, um Leute für Ihre Reportage über AIDS zu befragen. Welche Erinnerungen kommen in Ihnen auf?
B.H.: Wir waren schon ein wenig nervös unter solchen Bedingungen loszuziehen. Wir haben einen Maler in seinem versteckten Atelier gefunden und er hat uns Kontakte vermittelt zu Personen, die sich mit AIDS in Moskau auskannten.
Kaj, der Politthriller "Baltic Storm“ (2003) über investigativen Journalismus zu den brisanten politischen Hintergründen des Schiffsunglücks der "Estonia" in der Ostsee 1994 wurde u.a. in Babelsberg gedreht. Starring: Greta Scacchi, Donald Sutherland und Jürgen Prochnow. Sie waren gemeinsam mit dem Regisseur Reuben Leder und mit der Journalistin Jutta Rabe maßgeblich an dieser Produktion beteiligt. Der Film hat das Prädikat "wertvoll" von der deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) Wiesbaden bekommen. Dessen ungeachtet gab es nicht nur Lob in den Medien. Sind Sie in diesen Dingen hart im Nehmen?
K.H.: Ja, natürlich, sonst kann man in dieser Brache nicht arbeiten. Wir haben zu diesem Thema auch noch andere Dokumentarfilme gedreht und immer wieder erlebt man da Kritik.
Meine letzte Frage geht an Sie, Kaj. Die Melodie des Walzers Nr.2 von Dmitri Schostakowitsch ist Ihrem filmischen Beitrag über Barbara vorangestellt. Passionierte Kinogänger werden bemerkt haben, dass diese Melodie schon einmal, in einem anderen Film, die Titelmelodie war. Stanley Kubrick hatte den Walzer für "Eyes Wide Shut" ausgewählt. Es wäre interessant zu wissen, ob die Titelmelodie von Ihrer Seite her mit einer Aussageabsicht, die mit Kubrick zu tun hat, bewusst ausgewählt ist oder ob es ein Zufall war?
K.H.: Absichtlicher Zufall.
B.H.: Dieser Walzer passt sehr gut zu meinen Bildern und ihn kennen auch viele Leute, so dass die Zuschauer gleich am Anfang des Filmes mitgenommen werden.
Ihnen, Barbara Haag und Kaj Holmberg, vielen Dank für unser freundliches Gespräch. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir uns mal in der "Kleinen Weltlaterne" in Charlottenburg, wo Sie schon mehrere Ausstellungen hatten und wo auch für den Film gedreht wurde, begegnen und wünsche Ihnen weiterhin eine gedeihliche Zeit in Berlin!
Interviewerin: Martina Pfeiffer