Die Crux mit dem Gruß

Michael Bittner liest Satirisches aus seinem Buch „Deutsche im Wind“

Grüßen, meinen Sie vielleicht, ist doch das Selbstverständlichste der Welt. Falsch gedacht! Michael Bittner belehrt Sie eines Besseren. In seinem satirischen Kleinod „Zwischen Stadt und Land“ stellt er die entscheidende Frage, ab welcher Entfernung von einer Stadt wie Berlin es angezeigt ist, beim Spazierengehen einem Fremden den Gruß zu entbieten. Etwa in dem landschaftlich reizvollen Gebiet rund um die Karower Teiche im Norden der Hauptstadt. Was denn nun, grüßen oder nicht?  Die Obrigkeit ist gefordert, Schilder aufzustellen, ab wo es sich geziemt, Entgegenkommende zu grüßen, und wo man es lieber lässt. Man sollte da wirklich auf Rechtssicherheit pochen, um nicht entweder als verrückt oder aufdringlich zu gelten (wenn wir in der Stadt Fremde grüßen),  oder für arrogant und ungesellig gehalten zu werden (wenn wir auf dem Land bei einer Begegnung nicht grüßen). „Wo aber verläuft die Grenze zwischen zwei so unterschiedlichen Zonen der Zwischenmenschlichkeit?“ Mit seinem Handy trifft der Ich-Erzähler von „In tiefsten Tiefen“ auf einen gespenstischen Fisch, dessen Leben in 8000 m Meerestiefe er als dem seinen ähnlich empfindet: „stumm, müde und bleich“ in der Geistesdüsternis des Netzes und der Social Media verharrend, statt sich ins wirkliche Leben zu wagen. In „Die Überpünktlichen“ nimmt sich der Satiriker supergenaue Choleriker vor,  die ungeduldig auftreten gegenüber leicht verspäteten Busfahrern. Desgleichen in ärztlichen Wartezimmern, oder im „Wartezimmer des Lebens“, wo der in allen Lebenslagen Überpünktliche konsequenterweise auch unerbittlich fordern müsste, der Sensenmann möge sich sputen, um dem Leben endlich ein Ende zu setzen. M. Pfeiffer

Michael Bittner, geboren 1980 in Görlitz, ist ein in Berlin lebender, freier Autor. Er studierte Germanistik und Philosophie an der TU Dresden. Promotion zum Dr. phil. Er schreibt u.a. für die taz, Jungle World, Merian, MDR Kultur, Süddeutsche Zeitung, Junge Welt, Analyse & Kritik, The Guardian, konkret und ND. Seine satirischen, kritischen und politischen Texte präsentiert er z.B. auf den Lesebühnen Prunk&Prosa in Berlin, Sax Royal in Dresden. Gemeinsam mit Leif Greinus gründete er im Jahr 2007 Literatur Jetzt, das jährliche Festival zeitgenössischer Literatur in Dresden. Weiteres zu Michael Bittner folgt auf den Projektseiten

„Zwischen Stadt und Land“, „In tiefsten Tiefen“, „Die Überpünktlichen“

Deutsche im Wind: Geschichten und Satiren, Berlin: Satyr, 2025

Autor und Sprecher: Michael Bittner