Autorenlesung mit Gunnar Kunz aus "Gleichschaltung" (Kriminalroman)
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Brandgeruch schlug ihnen entgegen. Vorhänge standen in Flammen, ein Wandschrank, ein auf dem Boden liegender Mantel. Aus der Tür zum Plenarsaal drang eine Hitze, die ihnen den Atem raubte. Sie sahen hinein: Die Tische des Reichstagspräsidenten und der Stenografen brannten, die Sitze der Abgeordneten, das Rednerpult. Flammen loderten meterhoch, eine Feuersäule wand sich brüllend empor. Hier war nichts mehr zu retten, erkannte Gregor.
„Brandstiftung, Pistolen raus!“, befahl Lateit. „Wir müssen die Schweine finden.“ […]
Auch im 12. Band der Kriminalromane aus dem Berlin der 1920er und 1930er Jahre lösen Kommissar Gregor Lilienthal, dessen Bruder Hendrik, Philosophieprofessor an der Universität und Diana Escher, physikalische Assistentin von Max Planck kapitale Fälle. In Gunnar Kunz' "Gleichschaltung" sind es gleich mehrere aufzuklärende Morde, die alle in Verbindung zum Reichtagsbrand stehen. Mit dem Spurenlesen als Methode der Erkenntnisgewinnung in den Natur- und Geisteswissenschaften bringt das bewährte Ermittlertrio Licht ins Dunkel. Gunnar Kunz zeichnet die geistige Wetterkarte jener Tage, öffnet mit den dargebotenen Einblicken in die Kultur und Mentalität eine Tür zur Zeitgeschichte: Nach 14 Jahren Weimarer Republik herrscht der braune Terror. Am 27. Februar 1933 wird der Reichstagsbrand als Vorwand zur Ausschaltung von Gegnern des NS-Regimes genutzt. „Wilde KZs“ entstehen, in denen die SA ihre Gegner gewaltsam beugen will. Am 28. Februar 1933 hebelt die Reichstagsbrandverordnung weitere Grundrechte aus. Bald darauf folgt Hitlers "Ermächtigung", die Knebelung und Uniformierung des demokratischen Geistes, die Aufpeitschung niedriger Instinkte mit ihren drastischen Folgen.
Gleichschaltung (Kriminalroman), Berlin 2025; Autor und Sprecher: Gunnar Kunz