Spontan das tun, was einem im Traum nicht einfällt

Ein Gespräch mit Martin Wimmer über Improvisation beim Theaterspiel - Zum Welttheatertag 2025

"Wie ist der denn hier reingekommen?". "Welcher Penner hat sich denn hierher verirrt?" – Die Gedanken des Publikums waren förmlich zu greifen, als im Theater kurz vor Vorstellungsbeginn in einer hinteren Stuhlreihe jemand zu brabbeln anfing. Unrasiert, die Haare zerzaust, im abgetragenen Mantel. Noch bevor das Spiel auf der Bühne losgehen sollte, war man unversehens schon mittendrin.  Und das Brabbeln ging erstmal weiter. Kommentare seitens der Gäste? Nicht zu knapp, und damit für den skurril anmutenden Theatergast Gelegenheit zur Improvisation. Der Schauspieler Samuel Finzi hatte sich nämlich im Vorfeld der Gogol-Inszenierung "Tagebuch eines Wahnsinnigen" im Deutschen Theater in den Zuschauerraum gesetzt. Das ging allen auf, als sich der Mime in Richtung Bühne bewegte und dann das eigentliche Theaterstück begann, mit ihm als Solopart. Zum Internationalen Theatertag 2025 spreche ich mit dem Schauspieler und Theaterwissenschaftler Martin Wimmer über "Improvisation beim Theaterspiel": Plan und intuitives Abweichen vom Plan. Das Sich-fest- im- Griff-haben ausbalancieren mit einem spontanen Sich-Gehenlassen. Das Umswitchen im Kopf von "planvoll" zu "intuitiv", ganz ohne Netz und doppelten Boden. Es scheint Improvisation aus einer unliebsamen Notwendigkeit zu geben und auch aus einer spielerischen Lust heraus. Wenn beim Bühnengeschehen die von der Fantasie befeuerte Interaktion mit den Gästen glückt, kann daraus eine  bleibende gemeinsame Erfahrung erwachsen. Andererseits: peinliche Zurufe aus dem Publikum;  Handyklingeln; Lacher an Stellen, wo es eigentlich nichts zu lachen gibt. Oder umgekehrt: die Lacher bleiben aus, weil die Pointe nicht als solche verstanden wurde. Ignorieren oder darauf reagieren? Hören wir, was Martin Wimmer dazu erzählt. 1991 in Weißenfels, Sachsen-Anhalt, geboren hat der Schauspieler bisher in Projekten der freien Szene und auf Kleinkunstbühnen, in Kurzfilmen und im Fernsehen gewirkt. Derzeit promoviert er zum Thema "Theater und Identität".