Medienpoints – mehr als nur Eldorados für Lesehungrige

Hannelore Sigbjoernsen

Gerade zehn Uhr an einem Vormittag im Februar. Gegen den grauen Himmel stehen die bunten Bücherkisten vor dem Medien­point in der Crellestraße 9, Schöneberg. Wohl geordnet nach Sachgebieten, keine Not also, nicht genau das Genre zu finden, was man bevorzugt.

Wunderbar! Jetzt drei Bücher raussuchen, unter den Arm klemmen, ab nach Hause damit, heißen Kaffee kochen und …

Die Bücher sind zu Ende gelesen. Was nun? Wieder unter den Arm nehmen, in die ­Crellestraße 9 gehen, dort abgeben oder austauschen. Wenig später hat man den Eindruck, dass genau das vor dem und im Haus geschieht.

Was sind diese Medienpoints eigentlich?
Nach meiner Meinung, die beste Erfindung, die der Kulturring vor mehr als zehn Jahren mit Hilfe der Arbeitsförderung realisiert hat, um Gedrucktes vor dem Shreddern, vor der Vernichtung zu bewahren. Ein Projekt mit Nachhaltigkeit, als von Klimaschutz in dem Maße wie heute noch nicht die Rede war.
Sie sind jedoch weitaus mehr: Es sind Orte, in denen beschäftigt wird, wer auf dem ersten Arbeitsmarkt – aus welchen Gründen auch immer – keine Chance hat, angestellt zu werden. Hier werden Menschen wieder integriert und in einen Arbeitsprozess mit hohem sozialen Anspruch einbezogen. Sie haben einen geregelten Arbeitstag, sind Teil eines Teams, mit dem sie sich arrangieren, kommen mit den Nutzern*innen der Einrichtungen zusammen, kommunizieren mit ihnen und lernen, wenn nötig, auch mal Wogen zu glätten. Hier wird ihnen Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht gewährt. Die Arbeit, die sie tun – Entgegennehmen von Bücherspenden, sortieren, sachlich zuordnen und für ihre Weitergabe sorgen, heißt auch, sich mit dem Inhalt und den Autoren zu beschäftigen. Nicht selten muss dazu im Internet recherchiert werden – heißt, die Internetrecherche gehört ebenfalls zu dem, was man in einem Medienpoint lernen kann.

Viele Mitarbeiter*innen, denen die Bü­cher­welt bis dato eher eine verschlossene war, finden in den Medienpoints Zugang zum Gedruckten. Acht solcher Einrichtungen unterhält der Kulturring, dazu einen speziellen KinderMedien­Point.

Die „Crelle 9“ in Schöneberg ist eine ­große Einrichtung in bester Lage. Kein Autodurchgangsverkehr, kleine und große Läden und Cafés links und rechts der Straße. Die immer aktuell gestalteten Schaufenster gehören zu ihrem Programm. Es gibt drinnen wie draußen kein Sachgebiet, zu dem kein Buch zu finden ist, ebenso andere Medien. Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur ist besonders ausgewiesen. Die im Homeoffice entstandene Autoreninfothek ist ein spezielles Angebot für Interessierte. Ebenso eine Besonderheit, ein „Kunstautomat“, der gegen einen kleinen Obolus ein künstlerisches Original im Zigarettenschachtelformat hergibt.

Nicht nur die Anwohner wissen das alles zu schätzen. Man kommt auch von weiter her und nicht selten mit einem Wunschzettel oder der Frage: „Haben sie das auch?“

„Nachgefragt und zurückgelegt“, auch das gehört zum Angebot dieser sinnreichen Beschäftigung in den Medienpoints.