Schnell geschaut, lange gedacht: 60 Sekunden Kulturring

Daniel Aldridge

Die Kamera schwenkt, ein Blick, ein Satz, ein Moment – dann ist schon alles gesagt. In 60 Sekunden Kulturring verdichtet ­Alexandra von der Heyde das kulturelle Leben Berlins zu kurzen, eindrucksvollen Miniaturen. Jede Woche entsteht ein neuer Clip, kaum länger als eine Minute, aber mit Nachhall. Was flüchtig wirkt, bleibt im Gedächtnis: eine Einladung, Kultur nicht nur zu sehen, sondern zu erleben.

Seit sechs Jahren wächst auf dem YouTube-Kanal des Kulturring ein beeindruckendes digitales Archiv. Über dreihundert Kurzfilme sind bisher entstanden, vom Aufbau einer Ausstellung in der Fotogalerie Friedrichshain im allerersten Clip über Bildungstage und Konzerte bis zu Porträts einzelner Künstlerinnen und Künstler. Gemeinsam zeichnen sie ein lebendiges Bild von Kreativität, Engagement und Vielfalt in der Stadt.
Ein lebendiges Archiv der Berliner Kultur

„Seit wir dieses tolle Format von Alexandra haben, gibt es ein Erinnerungsarchiv unserer Arbeit“, schreibt Antje Mann vom Kulturring. „Sieht man die Videos nach einiger Zeit wieder, tauchen sofort Bilder, Klänge und Stimmungen auf, so etwas kann kaum ein anderes Medium leisten.“

Auch viele Kunstschaffende fühlen sich durch die Reihe gesehen. „Es ist immer wieder spannend, die eigene Arbeit so kompakt präsentiert zu sehen, auf den Punkt gebracht, aber mit Wirkung", sagt Valentina Cohn. Für Teresa Casanueva ist es vor allem die Reichweite, die zählt: „Gerade als Künstlerin freut es mich, dass meine Arbeit auf diesem Weg auch Menschen erreicht, die nicht direkt vor Ort sein können.“ Die Videos sind damit weit mehr als Dokumentationen: Sie sind kleine Brücken zwischen analoger Kunst und digitaler Öffentlichkeit. „60 Sekunden ist ein modernes, inklusives und wirkungsvolles Kulturformat, das Menschen miteinander und mit der Kunst verbindet, kurz, klug und zugänglich,“ fasst Martin Traverso zusammen.

Nähe, Teilhabe und ein besonderer Blick
Viele Zuschauer beschreiben, wie wichtig die wöchentlichen Clips für sie geworden sind. „Als begeisterte Anhängerin von 60 Sekunden freue ich mich jede Woche auf ein neues Video,“ schreibt Ketty Schafer. „Man bekommt auf unkomplizierte Weise Einblicke in aktuelle Ausstellungen, spannende Orte und Themen aus der Berliner Kulturszene.“
Für andere war die Reihe in schwierigen Zeiten ein Stück kultureller Teilhabe. „Aufgrund gesundheitlicher Probleme konnte ich lange Zeit mein Zuhause nicht verlassen,“ erzählt Monika Letsch. „60 Sekunden war für mich ein echtes Fenster zur Welt der Kunst und Kultur, ein wöchentlicher, inspirierender Einblick.“

Und auch Musiker Trotter fand darin sein Werk treffend wiedergegeben: „Einfach wunderbar, wie dein Beitrag die Essenz meines Stückes wiedergibt, vielen Dank dafür!“ Dass das Format so authentisch und nah wirkt, liegt an der Persönlichkeit seiner Schöpferin. Alexandra von der Heyde, geboren in Bogotá, lebt seit den Neunziger Jahren in Berlin. Sie arbeitet als Filmemacherin, Produzentin und Kamerafrau, hierbei ist sie neugierig, vielseitig und hat einen sicheren Blick für Zwischentöne. Seit 2018 ist sie eng mit dem Kulturring verbunden, das Format 60 Sekunden hat sie aufgebaut und stetig weiterentwickelt. Heute dokumentiert sie damit die kulturelle Arbeit des Vereins, konzentriert, empathisch, mit großer Leidenschaft und mit der spürbaren Freude an den Begegnungen.
„Die kurzen Videos haben mir geholfen, mich der Kunst wieder näher zu fühlen,“ schreibt Roswitha Baumeister. „Sie haben mir Inspiration, Freude und manchmal sogar Trost geschenkt.“
So ist aus einer einfachen Idee längst ein fortlaufendes Kulturprojekt geworden, ein wachsendes Archiv, das zeigt, wie viel Leben in einer Minute stecken kann. „Manchmal reichen eben 60 Sekunden,“ sagt Zuschauerin Marita, „um neue Perspektiven zu entdecken oder sich einfach von Kunst berühren zu lassen.“