Wie setzt man trotz Risiken dieses Prinzip des Freien, der Freiheit, durch?
M. Schaefer: Wir kuratieren nicht, aber wir positionieren uns eindeutig und fordern in den Teilnahmebedingungen zu einem wertschätzenden und diskriminierungsfreien Miteinander auf. Im schlimmsten Falle ermöglicht das den Ausschluss aus dem Projekt. Mir ist aber der Dialog ganz wichtig. Das ist doch das Entscheidende. Wir müssen auch Provokationen aushalten, die führen doch gerade in den Dialog. Wenn das gelingt, kann man auch die Grenzen sehr weit setzen. Die kreative Community im Bezirk ist allerdings sehr international und geht auch deshalb achtsam und respektvoll miteinander um. Es gab noch nie Schwierigkeiten mit der freien Ausrichtung der Langen Nacht, auch dank dieser tollen Gemeinschaft und ihrer Offenheit und Dialogbereitschaft.
A. Hottmann: Durch die Anmeldung und Teilnahme wird ja geradezu eine Bereitschaft zum Dialog bekundet. Das Team des Kulturrings in der GISELA ist bei der Anmeldung im Gespräch mit allen Teilnehmenden und sieht ziemlich genau, in welche Richtung die gemeinsame Reise geht. Die vorbereitenden Arbeiten schaffen ein Vertrauensverhältnis. Die Lange Nacht selbst ist dann ein Abend voller Austausch, Offenheit und Neugier auf andere Perspektiven. So gelingt es auch in jedem Jahr, den Abend zu einem Statement für Vielfalt und Toleranz zu machen.
Wie ergänzen sich Kulturring und Bezirksamt bei der Vorbereitung?
A. Hottmann: Der Kulturring hat 2008 mit finanzieller Unterstützung des Bezirksamts die Lange Nacht ins Leben gerufen. Sie ist aus dem Kunstkreuz und unseren Künstlernetzwerken entstanden. Im Laufe der Jahre hat sich eine echte Zusammenarbeit zwischen dem Kulturring und dem Bezirksamt entwickelt. Ich finde es sehr spannend, dass dabei immer Ideen von beiden Seiten kamen und jede Lange Nacht etwas Neues und Besonderes mit sich brachte.
M. Schaefer: Da stimme ich zu. Es ist entscheidend, dass man den Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeitsebene auch vertraut. Es ist über die Jahre schon sehr gut gelaufen. Es ist unsere Aufgabe als Bezirksamt, die Öffentlichkeitsarbeit noch zu verstärken. Bei dem riesigen Angebot in Berlin vertrauen wir auch auf die Künstler-Netzwerke, die wiederum ihre Kreise aktivieren. Und liebe Leute, macht Werbung in den sozialen Netzwerken, wir werden es auch tun.
Wie sieht es aus bei der Zusammenarbeit mit Sponsoren?
A. Hottmann: Bei den Finanzen hat die Unterstützung durch das Bezirksamt sehr geholfen, vor allem bei Werbekampagnen, die wir uns als Kulturring nicht leisten könnten, schon gar nicht berlinweit.
M. Schaefer: Ich fand das super, als ich im letzten Jahr Werbung in U-Bahn und am Hauptbahnhof gesehen habe. Die jahrelange Unterstützung durch die HOWOGE war und ist sehr hilfreich, gerade im Bereich der Öffnung des Events in die Nachbarschaften hinein. Dadurch konnten wir Angebote beispielsweise für Familien oder Menschen mit Beeinträchtigungen machen. In diesem Jahr wird das Familienangebot zur Eröffnung noch ausgeweitet und es wird Busshuttle geben, die zwischen ausgewählten Stationen zirkulieren, damit ein Besuch auch entfernter Kreativorte für viele Anwohner*innen vereinfacht wird.
Wie sind die Wirkungen der Langen Nacht über den Tag hinaus?
M. Schaefer: Die Lange Nacht macht Lichtenberg als Kunst- und Kulturstandort sichtbar und gibt dem Bezirk ein anderes Antlitz, als es dem Bezirk oft zugeschrieben wird, der mit Gewerbe, Stadtrand und Plattenbau assoziiert wird. Das kann auch Kunstsammelnde, Galeristinnen oder private Kaufinteressenten anlocken. Parallel dazu glaube ich auch, wenn wir den Scheinwerfer auf ein paar Kunst- und Kulturorte richten, die eher unbekannt sind, auf kleine, versteckte Galerien oder künstlerische Ateliers, die nicht so hervortreten, dann hat das einen nachhaltigen Effekt. Für die Teilnehmenden hat der Abend ja auch einen Werbeeffekt. Und nicht zuletzt wird ein Stück weit Verbundenheit zwischen den Orten und ihren Kreativen, der Nachbarschaft und dem Bezirk geschaffen. Das erzeugt ein ganz besonderes Klima, das über die Lange Nacht hinweg anhält.
A. Hottmann: Nachhaltig für die Kunstschaffenden ist in jedem Fall, dass ihre Kontakte untereinander und ihr Netzwerk immer größer geworden sind. Manche bekommen geradezu einen Kick für das eigene Image. Und auch das Publikum schätzt das kostenlose Angebot, lernt im Kiez und anderswo neue Galerien und Einrichtungen kennen. Und es bleibt einiges online hängen, zum Beispiel mit etlichen Videos.
Immer wieder hört man, dass der Kontakt für die Künstler-Community wichtig ist, um Fördermöglichkeiten wahrzunehmen, aber auch um Unterstützung seitens des Bezirks bei der Sicherung von Arbeitsmöglichkeiten und ganzen Standorten zu erhalten. Gibt es bei letzterem Neues zu vermelden, gibt es Spannungen?
M. Schaefer: Die Spannungen sind noch da bei den B.L.O.-Ateliers, die um ihre Existenz kämpfen. Für zwei Jahre ist da jetzt Ruhe, dies ist schon ein Meilenstein. Wir unterstützen alle Bemühungen, hatten Kai Wegner hier. Wir machen deutlich, wir wollen den Standort erhalten. Generell sahen und sehen wir daran eben die Probleme mit Kunststandorten in gewerblichen Gebieten. Ich halte es wie mein Vorgänger: Wir dulden das einfach. Negative Wirkungen auf das Umfeld, wie höhere Mieten, sind uns dabei nicht bekannt.
Mit Blick auf das Programm der Langen Nacht in diesem Jahr. Worauf können wir uns freuen? Gibt es Neues, gibt es Besonderheiten?
A. Hottmann: Wie immer präsentieren wir ein volles Programm. Über 120 Anmeldungen liegen vor. Mit Ausstellungen an über 50 Orten ist die Beteiligung und damit das Angebot in diesem Jahr stark gewachsen. Toll ist natürlich, dass die B.L.O.-Ateliers sich in diesem Jahr wieder beteiligen. Auch im Fennpfuhl gibt es in diesem Jahr sechs Angebote – eine großartige Anzahl für ein Wohngebiet. Und es gibt viele neue Galerien, viele davon in Rummelsburg,. Die PAKD-Gallery, An der Mole 9, zum Beispiel, oder LichtenGarten Studio & Gallery in der Türrschmidtstraße 12 und die Künstlerinnengemeinschaft Diversity Compagnie im Feministischen Zentrum für Migrant*innen e.V. in der Heinrichstraße 20c. Es wird außerdem sechs geführte Fußtouren zu ausgewählten Orten und einen Shuttle-Bus-Service geben. Viele Standorte bieten ein Rahmenprogramm, oft auch mit Snacks und Getränken. Es ist überhaupt jedes Jahr besonders und immer wieder sehr sehenswert, was die Teilnehmenden alles für diesen Abend auf die Beine stellen!
Wo findet die Eröffnung statt?
M. Schaefer: Wir laden um 17 Uhr in den Innenhof des Rathauses zur Eröffnung ein. Aber auch rund um das Rathaus gibt es bereits ab 15.30 Uhr einiges zu entdecken. Übrigens hatten wir hier im Rathaus auch ein sehr anregendes Kick-off-Treffen mit Teilnehmenden der Langen Nacht. Da kamen sehr viele Interessierte zusammen, es war rappelvoll, eine gute Gemeinschaft. Das war auch ein Novum in diesem Jahr. Das hat gezeigt, dass die Organisation des Events, der Rahmen, den das Bezirksamt und der Kulturring stellen, eine gute Basis sind. Die Orte und ihre Kreativen aber, mit ihrer Beteiligung und ihrer Identifikation mit dem Projekt, verleihen dem Abend sozusagen seine Farben. In 18 Jahren Lange Nacht der Bilder ist eine richtige Community entstanden.