Tour 30: Kulturküche Bohnsdorf

Udo Holländer
Abschied, Veränderung, Neues wird kommen

Fast hat sich der Ring der Tour 30 geschlossen. Nach elf Stationen freue ich mich nun noch auf ein Küchengespräch weit im Süden der Stadt. Ich bin verabredet mit Brigitte Silna, seit 2007 Leiterin der Kulturküche Bohnsdorf und Garantin einer erstaunlichen Kontinuität. Hier findet kiezbezogen soziokulturelle Arbeit vom Feinsten und in vielen Facetten statt. Am 1.6.2004 hatte der Kulturring die Trägerschaft des Hauses übernommen, Bezirksstadträtin Eva Mendl übergab symbolisch den Schlüssel. Über die Jahre hat sich mit dem Fachbereich Kultur des Bezirksamtes Treptow-Köpenick eine sehr gute Zusammenarbeit entwickelt, von der vor allem die Bohnsdorfer mit einem reichhaltigen Veranstaltungsangebot profitieren. 

Herzstück der Einrichtung ist ein Saal mit Spiegelsäulen. Gerade bereiten sich Seniorinnen auf ihren Aerobic-Kurs vor. Überhaupt scheint hier in Bohnsdorf viel in Bewegung zu sein. Neben einem Tanzkurs für Standard und Latein gibt es zwei weitere Angebote für Line-Dance. Tischtennis für Erwachsene, Yoga und Kung Fu für Kinder ab sechs Jahre runden das Thema Bewegung ab. Etwas beschaulicher dürfte es in den Kursen Malen, Zeichnen und Gestalten zugehen sowie im Malkurs „Von Real bis ­Abstrakt“. Parallel zu allen Veranstaltungen und Kursen werden in den Räumen Ausstellungen zu Malerei, Grafik und Fotografie gezeigt. Für Brigitte Silna sind Kunstförderung und Kunstvermittlung eine Herzenssache. Die Liste erfolgreicher Ausstellungen ist lang. Da gab es 2008 eine große Bofinger-Schau. „Fritz Kühn zum Hundertsten“ hieß eine Ausstellung fotografischer und zeichnerischer Dokumente, mit der der Kulturring im Sommer 2010 an den weltbekannten Berliner Metallkünstler und seine Bohnsdorfer Werkstatt erinnerte. Die Comic-Welten von Hagen Flemming gab es gleich zweimal zu bewundern, 2012 und 2019 pilgerten deshalb viele Fans in die Küche. 
Wir schweifen im Gespräch ab und sind plötzlich in vergangene Zeiten gerutscht. Und da weiß Brigitte Silna immer wieder von ihren Begegnungen zu erzählen. Künstler von Rang und Namen kamen gern in diese Oase. Dagmar Frederic (2008), Friedo Solter vom Deutschen Theater (2009), Hermann Kant, Ursula Karusseit, Otto Mellies, Annekatrin Bürger (2011), Daniela Dahn, Friedrich Schorlemmer, Ruth Hohmann, Carmen-Maja Antoni (2013), Jutta Wachowiak, Franziska Troegner (2014), Marion Brasch (2015), Ernst-Georg Schwill (2017) und viele mehr. Beenden wir die Aufzählung einfach mal mit dem damaligen Kultursenator Dr. Klaus Lederer 2018 und heben einen Termin quasi als Highlight heraus: Am 25. Oktober 2012 platzte die Kulturküche aus allen Nähten, als die legendäre Schauspielerin, Brecht- und Eisler-Interpretin sowie großartige Diseuse Gisela May aus ihren Erinnerungen las.
Erinnern werden sich auch viele Besucher an die legendären Hoffeste in der Kulturküche, die im Zeichen der verschiedensten Kulturen standen. Musiker kamen immer gern in die Küche. Hier trafen sich im Mai 2015 die Ausnahmekünstler Uschi Brüning und Ernst Ludwig „Luten“ Petrowski zusammen mit Ruth Hohmann, Hartmut Behrsing und Horst Würzebesser zu „Jazz in the kitchen“. Auch von den Märchentagen, dem Krimimarathon und Kindertheater gäbe es viel zu erzählen.

Auf meine Frage nach ihrem Werdegang erzählt Brigitte Silna von ihrem Studium an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee. Mit ihrem Abschluss im Fach Kostüm und Bühnenbild in der Tasche arbeitete sie als Assistentin am Potsdamer Hans-Otto-Theater, später auch kurz am Berliner Ensemble. Rasch sind wir wieder im Hier und Jetzt. In unser Gespräch mischt sich eine etwas melancholische Abschiedsstimmung, denn Brigitte Silna ist längst im Ruhestand und ihre fast zehnjährige ehrenamtliche Tätigkeit scheint zu Ende zu gehen. Ich frage, wie sie über die vielen Jahre die Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld wahrgenommen hat. Ihre Antwort hat sehr viel mit den Themen Generationenwechsel und Kontinuität zu tun: Entgegen ihrer eigenen Vorstellung bevorzugen die Jüngeren heutzutage kurze, überschaubare Projekteinheiten mit wenigen, klar abgegrenzten Aufgaben. Das war in den vielen Jahren ihrer Arbeit hier im Haus nur selten der Fall: Alles passierte oft gleichzeitig und ebensooft improvisiert. Ob sie die Arbeit vermissen werde, frage ich abschließend. Sicherlich, aber sie freut sich auch auf kommende Aufgaben, wie zum Beispiel die Portraitmalerei oder darauf, Theaterstücke aus dem Tschechischen ins Deutsche zu übersetzen. Ich spüre ihre langjährige Verbundenheit mit Prag und wünsche ihr weiterhin eine gute Zeit. Jetzt freue ich mich auf das Abschlussgespräch im Kulturhaus Baumschulenweg mit Armin Hottmann, dem Geschäftsführer dieses wunderbaren Kulturvereins.