Reno Döring war über viele Jahre kultureller Wegbereiter des Kulturrings in Treptow und wir kennen uns seit 1990, eine halbe Ewigkeit.
Was hat Dich eigentlich in die Kultur getrieben? War es der innere Ruf des Theaters, da ja in Shakespears Worten die Welt eine Bühne ist?
Das Stichwort Bühne ist schon sehr treffend. dem Theater galt schon immer mein Interesse. Meine Mutter war Orchestermusikerin an einem Stadttheater. Schon als Schüler stand ich als Statist auf der Bühne. Und so ergab es sich, dass ich einen Beruf im Bereich Theatertechnik erlernte und einige Jahre ausübte. Nebenbei spielte ich in einem Amateurtheater. Mein Abitur machte ich an der Abendschule. Anschließend studierte ich Kultur- und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Es gelang mir danach, in Berlin zu bleiben, was gar nicht so einfach war. Nunmehr weit entfernt von der Bühne, eröffneten sich für mich weitere Interessengebiete, die ich sehr spannend fand. Die Regionalgeschichte war eines davon. Auf diesem Gebiet war ich bis zur Wende in Treptow tätig, erweiterte die Ortschronik, konzipierte Ausstellungen und hielt Vorträge zur Geschichte. Das brachte mich auch zum Treptower Kulturbund, der sich intensiv im Rahmen der Denkmalpflege und Heimatgeschichte engagierte.
War die Wende 1989/90 für Dich ein Neuanfang? Wie war die Zeit damals? In meiner Erinnerung warst Du voller Energie und Ideen. Wie ist es Dir gelungen, andere für die „neue Kultur“ zu begeistern?
Ich wurde nach der Wende arbeitslos. Zum Glück gab es Arbeitsförderung und den Kulturbund Treptow. Diese Kreisorganisation hatte damals über 1.000 Mitglieder, aber so gut wie keine Finanzen. Durch meine Stelle gelang es erstmal in der Eschenbachstraße, die Mitglieder weiter zu betreuen und ein Veranstaltungs- und Ausstellungsangebot zu organisieren. Nun hieß es, neue Projekte zu entwickeln, die Arbeit zu stabilisieren und auch vielen hochqualifizierten Arbeitslosen eine interessante Beschäftigung zu ermöglichen. Eines der ersten war das Buchprojekt zur jüdischen Geschichte Treptows. Wir standen aber auch in der Pflicht, die Geschichte des Kulturbunds vor der Wende aufzuarbeiten. Eine unruhige Zeit, sie erforderte viel Energie, die Ideen kamen ununterbrochen während der Arbeit. Dabei brauchst du viele im Team, deren Ideen dich pushen und die engagiert mitmachen. Motivation und Begeisterung kann man nicht verordnen.
Als der Kulturring 1994 gegründet wurde, hattest Du schon das Treptower Zepter in der Hand. Wie sah der Verein in Treptow damals aus, was gab es für Freundeskreise und was hatten die für eine Geschichte?
Zu spüren war, dass sich die Gruppen und Freundeskreise sehr aktiv bemühten, ihre Arbeit weiterzuführen und ihre Existenz zu sichern. Einige hatten selbst einen Verein gegründet, andere sich bundesdeutschen Vereinen angeschlossen, wie die Mitglieder der Gesellschaft für Natur und Umwelt, die Numismatiker, die Philatelisten und die Rosenfreunde. Heute sind noch der Colorclub Berlin-Treptow, der science-fiction-club andymon, die Fachgruppe Paläontologie sowie unsere Malkurse beim Kulturring angebunden. Der Colorclub Berlin-Treptow feierte letztes Jahr sein 60jähriges Jubiläum, und andymon existiert seit Mitte der 1980er Jahre.
Die ersten Projekte des Kulturrings, in der Eschenbachstraße 1, hießen Weltenklänge, Meditatives Malen und Kulturhistorischer Stadtführer Treptow. Dann kam auch die künstlerische Arbeit mit geistig behinderten Kindern dazu. Was sind die bleibenden Erinnerungen aus diesen Jahren?
Deine Aufzählung zeigt, wie breit wir unsere Projektarbeit aufgestellt hatten. Das spiegelte sich auch in unseren Veranstaltungen wider. Es gab Diskussionsrunden zu Themen wie alternative Energien und ihre Nutzung, alternative Lebensweisen verbunden mit meditativem Malen, Vorträge von Mitgliedern, die von ihren ersten freien Reisen in eine für sie bis dahin verschlossene Welt berichteten. Auch das Medium Film kam hinzu. Überhaupt spielte der interkulturelle Aspekt eine große Rolle. Das Kulturamt Treptow unterstützte uns stets vertrauensvoll, nicht nur mit Honorarmitteln.
Sehr gern erinnere ich mich an das Projekt „Künstlerische Arbeit mit geistig behinderten Kindern“, damals von der Malerin Margot Schmidt betreut und später vom Maler Karl-Heinz Beck fortgesetzt. Die jährliche Präsentation und Ausstellung überraschte uns alle, vor allem zu sehen und zu erleben, welche Kreativität diese Kinder entwickelten und zu Papier brachten. Aber eigentlich hatte jedes Projekt seinen Reiz und mein Interesse. Das verdienten alle Mitarbeiter, die sich mühten und für Qualität und öffentliche Ausstrahlung sorgten. Schön war es zu erleben, wie wir gemeinsam manch selbst gesetzte Schranken überwandten.
Ganz nebenbei, es gab ja damals auch Projekte in Köpenick, anfangs in und um den Klub Sieben Raben im Märchenviertel, dann in der Schmausstraße. Es gab interkulturelle Aktionen und Veranstaltungen im Rathaus Köpenick und anderswo.
In Köpenick fanden wir für die interkulturelle Arbeit viel öffentliche Unterstützung und Förderung durch das Bezirksamt, konkret das Sozial- und Kulturamt. Unser Projekt „Forum Neue Kultur“ entwickelte Veranstaltungsreihen, um mittels Musik, Vortrag, Gesang, Tanz und Kulinarik andere Länder vorzustellen und erlebbar zu machen. Hier muss ich unbedingt Dr. Beate Reisch erwähnen, die mit großem Engagement und Ideen diese Reihen konzipierte und gemeinsam mit ihrem Team umsetzte. Das war schon ein tolles Erlebnis im Rathaus Köpenick, als zum Japanfest Samurai-Kämpfer im Rathaussaal ihre Kräfte maßen. Das war ein Beispiel von vielen interessanten Veranstaltungen, die wir mit Senioreneinrichtungen in Köpenick realisierten.
Und dann stand am 1. April 1999 in Baumschulenweg ein Umzug ins Haus, in die Ernststraße 14/16. Wie kam es dazu und was hat das bei Dir ausgelöst?
Zur Geschichte des Hauses in der Ernststraße verweise ich auf unser Buch „Hausgeschichte(n)“, das wir 2006 herausgebracht haben. Nach der Wende befand sich dort ein Teil der Musikschule, später das Bibliotheksamt. Dann stand das Haus eine Zeit lang leer und weckte private Begehrlichkeiten. Der damalige Bezirksstadtrat Joachim Stahr und Kulturamtsleiterin Doris Thyrolph kannten unsere Kulturarbeit im Ortsteil Baumschulenweg. Sie boten dem Kulturring das Haus zur Nutzung an mit der Maßgabe, ein regelmäßiges kulturelles und künstlerisches Veranstaltungsangebot für die Anwohnerinnen und Anwohner zu organisieren, es also zu bespielen. Na, und ehe wir dann einzogen, waren noch einige bauliche, verwaltungstechnische, juristische und finanzielle Probleme zu klären. Für mich war es eine neue Herausforderung. Aber es waren bessere Arbeitsbedingungen als in den Räumen der Eschenbachstraße, die inzwischen für unsere Ansprüche und kulturellen Vorhaben viel zu klein geworden waren.
Schaut man zurück, so fällt einem so vieles ein, die Ortsspaziergänge, die Tage der Phantasie, ein Institut für Kosmologische Kultur, ein Bruno-Bürgel-Freundeskreis, die fast jährlichen Sommerfeste und spektakuläre Ausstellungen. Du hast allen eine Bühne gegeben. Wie bekommt man das unter einen Hut?
Die von Dir genannten Aktivitäten gingen meistens von engagierten Mitgliedern, den Interessen- und Freundeskreisen selbst aus. Ich habe versucht, ihnen die Rahmenbedingungen zu geben und sie, wo es nötig war, zu unterstützen. Bemüht habe ich mich immer, Eigeninitiativen zu unterstützen, die unseren Kultur- und Kunstanspruch beförderten und die Vielfalt kultureller und künstlerischer Kreativität präsentierten, wobei das Experimentelle leider zu kurz kam.