Tour 30: Kulturhaus Baumschulenweg

Udo Holländer
Vereinssitz und offener Ort für Kultur und Bildung

Station Dreizehn. Das letzte Interview im Rahmen meiner Tour 30. Diesmal wird es etwas mehr werden. Ich sitze mit dem Geschäftsführer des Kulturrings, Armin Hottmann, in seinem Büro im Kulturhaus Baumschulenweg in Treptow. Wir haben uns vier Schwerpunkte vorgenommen.

Das Kulturhaus Baumschulenweg

Dieses Haus in der Ernststraße hat gerade einen vielbeachteten Neustart hingelegt. Hier sind große Veränderungen zu spüren. Zwei wesentliche Funktionen hat dieses Haus: Zum einen als Zentrale des Vereins mit dem Vorstand, der Geschäftsführung, der Buchhaltung und dem Bildungswerk, alles unter einem Dach. Zum anderen ist der Charakter des Hauses als ein offenes Haus stärker in den Vordergrund gerückt. Aktuell bewältigt Armin Hottmann beide Aufgaben: Geschäftsführung des Vereins und Führung des Kulturhauses. Letzteres hatte Reno Döring viele Jahre erfolgreich mit viel Engagement betrieben. 

Wie füllt sich der Begriff „offenes Haus“? Hier beginnen die Augen von Armin Hottmann zu leuchten. Er zeigt mir das neue Logo des Hauses. Mit impressionistischem Anklang lädt es durch eine offene, eigentlich gar nicht vorhandene Tür zum Eintritt ein und lässt einen White Cube im Inneren ahnen, der mit Aktion bespielt werden möchte. Gleich das erste Projekt unter dem neuen Namen hat diesem Anspruch vollauf entsprochen. Die Ausstellung „baume connect“ brachte ­bildende Künstler mit dem Ziel zusammen, einen Dialog mit der Geschichte, Architektur, Landschaft und den Menschen in Baumschulenweg anzuregen. Gemeinsam mit dem Team der Fotogalerie Friedrichshain wurden die Räumlichkeiten im Sinne des Gedankens der Vernetzung und Kommunikation umgestaltet. 

Kulturangebote vor Ort, im Kiez: das ist die Kernkompetenz des Vereins. Ganz im Sinne des Tourthemas. Ein Umstand verweist auf eine beruhigende Kontinuität: Das Kulturamt Treptow-Köpenick unterstützt den Verein weiterhin und sieht das Haus als eine wesentliche Säule des bezirklichen Kulturbetriebes. Die Angebote müssen frei sein und Platz bieten, um zwanglos viel Neues ausprobieren zu können, kündigt Hottmann an. So wird in einer neuen Reihe unter dem Titel „Ortsgeschichte“ in Treptows Vergangenheit anhand persönlicher Erlebnisse eingetaucht. Es wird monatliche Lesungen, wie „Baumissimo“, initiiert durch Martina Pfeiffer,  und Workshops für Kunst und digitale Bildung geben. Das Altbewährte hat aber ebenso seinen Platz. Neben Veranstaltungsreihen wie den Filmabenden mit Irina Vogt, zählen die regelmäßigen Treffen lang etablierter Gruppen dazu. Zum Beispiel des Science-Fiction Clubs ANDYMON, der Paläontologen, die fleißig mit dem Museum für Naturkunde im Austausch stehen, oder des Color-Clubs ­Berlin-Treptow.

Die Geschäftsführung

Den Kulturring auf Kurs halten, den Horizont fest im Blick, Substanz sichern und trotzdem kreativ und offen sein für Veränderung, also den Weg in eine existenziell gesicherte Zukunft des Vereins finden – das ist die Hauptaufgabe eines Geschäftsführers. Das und mehr macht Armin Hottmann in dieser Funktion seit 2018. In jenem Jahr übernahm er den Posten von Ingo Knechtel. Beim Verein ist Hottmann aber bereits seit 1996. Damals begann alles mit Videoprojekten für Schulklassen. Für den studierten Medienpädagogen lag der Schwerpunkt von Anfang an auf Medienprojekten im Bildungskontext. Er beschreibt sich als einen Menschen mit visuellen Interessen. Und das hat sich in all den Jahren nicht geändert. Gemeinsam mit Felix Hawran, dem Leiter der Fotogalerie Friedrichshain, wurden seither viele Arbeitsmaterialien für Lehrer produziert. Dahinter steht eine grundsätzliche Entscheidung: Um Kulturinhalte gut vermitteln zu können, muss sich der Kulturring visuell stark präsentieren und die Kommunikation transparent gestalten. Hilfreich zur Seite stehen bei diesem Vorhaben Uwe Lauterkorn, der wesentliche Format- und Design-Elemente (Webseite/Journal kultur.txt) entwickelt, und Christian Reichelt, dessen Arbeitsschwerpunkt, neben vielen anderen, die inhaltliche Koordination ist.

Armin Hottmann verweist mit ein wenig Stolz darauf, dass trotz mehr oder weniger heftiger Dauerkrise seit 2020 die Umstellung auf digitalisierte Abläufe im Team sehr gut gelungen ist. Die Arbeit ist dadurch effektiver und die Inhalte sind klarer geworden. Schaut man auf den Kulturring heute, dann steht er für eine große Vielfalt von Projekten in unserer Stadt und darüber hinaus. Sie wollen alle gut koordiniert, personell besetzt, in der Öffentlichkeit sichtbar gemacht und auch bei Förderern und Geldgebern abgerechnet werden.

Viele erfolgreiche EU-Projekte

Bereits seit 1999 gehören auch EU-Projekte zum festen Repertoire des Kulturrings. Thematisch stehen hierbei die Medienbildung und die Vermittlung von Kultur im Mittelpunkt. Als Koordinator von zwölf und Partner in acht Projekten hat der Kulturring seine Kompetenz innerhalb großer europäischer Netzwerke mittlerweile reichlich unter Beweis stellen können. Dabei spielt der professionelle Einsatz medienpädagogischer Konzepte eine wichtige Rolle. Hottmann bezeichnet in diesem Zusammenhang das jüngste Projekt beyond fifty five als ein Highlight: Erwachsene jenseits der 55 übten sich in digitaler Kompetenz. Das Besondere waren die Kooperationspartner, die von der schwedischen Insel Öland aus mit dem Kulturring in Kontakt standen, und zwar ausschließlich auf visueller Ebene. Kein Text, nur Bildexperimente sollten den Gegensatz von urbanen und ländlichen Lebenswelten digital darstellen. Dies hat wunderbar geklappt und stellt seiner Meinung nach einen neuen Aspekt künftiger Vereinsarbeit dar: Bildungsarbeit mit Erwachsenen plus Medien plus Digital-Kompetenz.

Tour 30, der Ring schliesst sich

Zu guter Letzt sprechen wir über das nun vollendete Ringprojekt Tour 30. Wäre ich immer mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, hätte ich jetzt so um die 130 Kilometer auf der Kette. Armin Hottmann bedankt sich für die schöne Idee und die gute Umsetzung. Insbesondere war für ihn meine Außenperspektive bereichernd. Wobei dieses „Außen“ für mich im Verlaufe meiner zwölf Interviews durchaus zu einem „Innen“ geworden ist. Es war also auch für mich persönlich eine gute Erfahrung. Dafür wiederum bin ich sehr dankbar. Transparenz im Vereinsgeschehen immer aufs Neue herstellen, Kommunikationsstrukturen stärken – dazu wollte ich beitragen und hoffe, dass mir das mit meinen Beiträgen ein klein wenig gelungen ist. Dieses Thema tauchte in meinen Gesprächen immer wieder auf und manifestierte sich letztendlich im gelegentlich geäußerten Wunsch, die alte Mitarbeiterversammlung wieder aufleben zu lassen. Mein Dank gilt allen sechzehn Mitarbeitern und Gesprächspartnern. Ihr seid Teil des Vereins, ohne Euch hätte das Ganze nicht funktioniert!

Meine Interviews waren eingebettet in das 30-jährige Jubiläum des Kulturrings, welches dieses Jahr ausgiebig gefeiert wurde und das namensgebend für die Tour war. Armin Hottmann nimmt unser Abschlussgespräch zum Anlass, noch einmal diese lange Zeit Revue passieren zu lassen. Bei der Zusammenstellung der Exponate für die große Jubiläumsausstellung im Juni wurde deutlich, wie vielfältig sich die Arbeit des Vereins durch die drei Jahrzehnte gestaltete und wieviel Material aus den frühen Jahren selbst ihm unbekannt war. Beim ausgiebigen Stöbern in der Vereinsgeschichte fanden sich dann auch Anknüpfungspunkte für neue Ideen. Und über die Frage, was man eigentlich zeigen möchte, ergab sich unerwartet eine Diskussion zum langlebigen Thema: Wer oder was sind wir eigentlich, sprich: wie geht es weiter? Womit die Feier zum Jubiläum in der Gegenwart landete. An dieser Stelle schließe ich mich dem Wunsch von Armin Hottmann an: Dem Verein eine gute Zukunft bauen. Die Zeiten dafür sind vielleicht gar nicht mal so schlecht, denn gerade in unruhigen Zeiten liegt auch viel Potenzial für Veränderung. Im Verein gibt es genügend Platz für Kreativität. Ich fände es toll, wenn die Idee der Tour 30 von mehr Kommunikation und Transparenz weitergesponnen würde, vielleicht ergänzt um die Themen Loslassen, Abgeben und Verändern.

„Es ist unmöglich, zweimal in denselben Fluss hineinzusteigen.“ (Heraklit)