Zum Ende des Jahres kommt der Konzertbetrieb naturgemäß nochmal in Schwung. Denn ab August gibt’s zwar schon Lebkuchen im Supermarkt aber erst im Dezember finden Zitronat und Schokoladenüberzug bei uns ihre akustische Entsprechung in den weihnachtlichen Hörtraditionen. Dann kommen in schöner Regelmäßigkeit die Zuckerperlen der kirchlichen Gebrauchsmusik aus der Verpackung vom Vorjahr und werden möglichst traditionell an den Adventswochenenden auf die gepuderten Konzertbesucher in Kirchen und Konzertsälen verteilt. Rümpfen sie ruhig die Nase. Aber es ist wirklich so.
Und trotzdem kann man sich freuen auf die Saison. Eine unserer Musikerinnen erzählte mir 2015, als ich noch neu war beim Orchester, dass sie im Dezember wenigstens zwei WOs (das ist die Abkürzung für Weihnachtsoratorium) spielen müsse, sonst fehle ihr was. Was ist das nur, das uns fehlt, wenn wir Gewohnheiten vermissen? Es ist Wiederholung und Vergewisserung, so etwas wie die Bestätigung der eigenen inneren Stabilität. Das tut gut und lenkt ab – oder? Eben nicht nur. Denn jedes WO wird jedes Jahr anders musiziert und vor allem: anders rezipiert. Es ist wie der Blick auf den Berg Fuji. Es gibt unzählige Empfehlungen für den schönsten Blick darauf und vielleicht gerade einmal 36 Ansichten, die es in sich haben. Ein ernst gemeintes Lob der weihnachtlichen Gebrauchsmusik. Bevor ich nun noch ins Schwärmen gerate über Johann Sebastian Bach, seine Klarheit stiftende Musikarchitektur und das konsequente Upcycling seiner besten Materialien – wir spielen natürlich nicht nur sein Weihnachtsoratorium.
Das Weihnachtsoratorium BWV 248 führen wir zum 2. Advent am Samstag, den 9. Dezember zusammen mit dem Collegium Vocale Berlin in der Johanneskirche in Schlachtensee auf, gleich am Sonntag dann in Martin Luthers Predigtkirche, der Stadtkirche in Wittenberg. Am dritten Adventswochenende wieder eine Gelegenheit in der Auenkirche in Wilmersdorf: Samstag, 16. Dezember um 18 Uhr.
Gleich Sonntag, den 17. Dezember geht Concerto Brandenburg in die Berliner Philharmonie, u. a. mit der kürzlich rekonstruierten Bach-Kantate BWV 197. Dort musizieren wir mit dem wundervollen Berliner Oratorien-Chor unter der Leitung von Thomas Hennig. Carl Heinrich Graun (1704–1759), Hofkapellmeister bei Friedrich dem Großen, komponierte im 18. Jahrhundert sein eigenes Weihnachtsoratorium und einige Vorbilder der am Hof gepflegten Musik waren französisch. Das Te Deum von Marc-Antoine Charpentier (1643–1704) in D-Dur wurde damals oft gespielt. In der Philharmonie gibt es dieses Jahr mal wieder das gesamte Werk und nicht nur den bekannten „Weihnachtsschlager“ daraus.